Welche Ausbildung junge Menschen machen, hängt nicht nur, aber auch von Ratschlägen aus dem Elternhaus ab.

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STANDARD: War es am Arbeitsmarkt früher einfacher als heute?

Eichmann: Der Wohlstand war noch nie so hoch wie jetzt. Allerdings haben sich die Perspektiven verändert. Die letzten 60 Jahre gab es durchwegs die Erwartung eines Aufstiegs. Die junge Generation heute ist die erste, die die Eltern in Sachen Status wahrscheinlich nicht mehr toppen kann.

STANDARD: Ist das ein Problem, wenn Ausbildung und Wohlstand ohnedies schon so hoch sind?

Eichmann: Zwischen den Erwartungen nach Matura oder abgeschlossenem Studium und den tatsächlichen Jobperspektiven gibt es eine ziemlich große Differenz. Wenn Sie vor 30 Jahren – viel seltener als heute – studiert haben, bekamen Sie ziemlich sicher einen ausbildungsadäquaten Job. Das ist bei weitem nicht mehr so.

STANDARD: Andrerseits haben wir einen eklatanten Fachkräftemangel. Machen junge Menschen die falschen Ausbildungen?

Eichmann: Wir haben in einer Studie herausgefunden, dass in mittleren Bildungsgruppen mit solidem Lehrabschluss oder HTL-Abschluss die Zufriedenheit deutlich höher ist als bei einem Gutteil der angehenden oder fertigen Akademiker. Bei Ersteren ist die Erwartungshaltung nicht so hoch und deren Pläne sind leichter zu realisieren, weil auch die Konkurrenz nicht so groß ist. Und man hat schneller eine Idee, wohin es gehen kann, als wenn man bis zum Alter von 26 oder 28 studiert. Der Akademisierungswahn ist auch so mächtig geworden, weil Eltern vor allem in der Mittelschicht den Statuskampf im Rahmen der Ausbildungen ihrer Kinder austragen.

STANDARD: Heißt das, wir sollten den jungen Menschen empfehlen, aufhören zu studieren?

Eichmann: Nein. Aber für jene, die nach der Matura nicht wissen, wohin es gehen soll, empfehlen sich einige Jahre Berufstätigkeit. Dann kann man ein Studium anschließen, von dem man weiß, dass es zu den eigenen Fähigkeiten passt.

STANDARD: Österreich ist trotz der genannten Faktoren im OECD-Vergleich eine Insel der Seligen in Sachen Jobqualität und kommt auch im Better-Life-Index mit überdurchschnittlich hohen Einkommen und hoher Jobsicherheit gut weg. Wie kommt das?

Eichmann: Laut unseren Daten rangiert Österreich innerhalb der EU eher im Mittelfeld. Die Einkommen sind solid, steigen aber seit 2000 nur bescheiden. Sehr gut ist die kollektive Interessenvertretung, was für viele hohe Sicherheit bedeutet. Wir sind mittelmäßig bei beruflicher Weiterbildung, auch weil Menschen lange zu früh in Pension gehen konnten. Mau sind wir bei Arbeitszeiten, zum Beispiel sind wir Europameister bei Überstunden und haben eine ungenügende Vereinbarkeit von Kind und Job. Nicht gut sind wir auch bei Gesundheitsförderung und Prävention. So toll sind wir also nicht in Sachen Arbeitsqualität.

STANDARD: Wettbewerbsfähigkeit ist ein Dauerbrenner. Gleichzeitig stehen weitere dramatische Änderungen der Arbeitswelt bevor. Wie anpassungsfähig sind Menschen?

Eichmann: Die Wirtschaft ist wettbewerbsfähig, weil die Politik dafür sorgt, dass Arbeitskosten nicht dramatisch steigen. Innovationsfähigkeit, Stabilität, Förderungen sorgen für hohe Dynamik. Die Betriebe sind relativ stark, die Arbeitslosigkeit ist immer noch moderat. Die Schattenseite neben den stagnierenden Realeinkommen: Bei weitem nicht alle können mit.

STANDARD: Dabei bringt die Digitalisierung wohl weitere Dynamik.

Eichmann: Wir werden Kreativität brauchen, um auch die mitzunehmen, denen alles viel zu schnell geht. In der Digitalisierung sind wir schon mittendrin. Aber es sind nicht 50 Prozent der Jobs durch Automatisierung gefährdet, wie die Osborne/Frey-Studie behauptet hat. Es wird in zehn bis 20 Jahren eher zehn Prozent betreffen. Das sollte die Unruhe etwas dämpfen. (Regina Bruckner, 20.7.2016)