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Ein Blick unter die Haut: Bei Schmetterlingskindern funktioniert der Zusammenhalt zwischen oberen und unteren Hautschichten nicht.

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Julia Reichelt erforscht neue Therapieansätze.

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Salzburg – Blasen, Wunden, Schmerzen. Die Haut der sogenannten Schmetterlingskinder ist übersät mit offenen Stellen. Schon bei leichter Reibung bilden sich Blasen. Die Haut ist empfindlich wie die Flügel eines Schmetterlings. Das liegt daran, dass die oberen Hautschichten mit den unteren mangelhaft verankert sind. Denn bei der Epidermolysis bullosa (EB), wie die seltene, angeborene Erkrankung medizinisch heißt, ist die Funktion bestimmter Strukturproteine, die die Hautschichten zusammenhalten, gestört. Rund 500 Betroffene leben in Österreich, europaweit sind es etwa 30.000.

Momentan kann man den Patienten nicht viel besser helfen, als die Wunden gut zu versorgen. Prinzipiell wäre mit einer Gentherapie eine Heilung der Krankheit möglich, sagt die Molekularbiologin Julia Reichelt. Sie leitet seit August 2015 die Forschungsabteilung des EB-Hauses Austria, eine Spezialklinik, die auf dem Gelände des Universitätsklinikums Salzburg angesiedelt ist.

"Man schleust eine gesunde, im Labor hergestellte Version des jeweiligen Gens in die Körperzellen des Patienten ein, und der Transfer kompensiert die ausgefallene Funktion des fehlerhaften Gens. Tatsächlich ist eine solche klassische Gentherapie schon bei drei EB-Patienten durchgeführt worden. Bei zwei davon mit Salzburger Beteiligung", sagt Reichelt. Den Patienten wurden Stammzellen der Haut entnommen, diese wurden korrigiert und vermehrt. Daraus wurden Hautransplantate gezüchtet, welche dann in einer Operation auf nicht heilende Wunden aufgebracht wurden. Einzelne Hautstücke konnten so geheilt werden.

Besondere Hoffnungen setzt Reichelt aber in einen neuen, schonenderen Gentherapie-Ansatz: die sogenannte SMaRT- Technologie (Spliceosome-mediated mRNA trans-splicing). Dabei wird im Rahmen einer Gentherapie nur der defekte Teil eines Gens ausgetauscht, es wird also nicht ein ganzes Gen in die Zelle eingeschleust, sondern ein speziell zugeschnittenes Reparaturmolekül, das das defekte Gen bindet und dann den fehlerhaften Teil austauscht. "Ein Ziel unserer Arbeit ist es, eine Creme mit Reparaturmolekülen zum Auftragen auf die Haut zu entwickeln, um so die veränderten Baupläne für die Strukturproteine in der Oberhaut zu korrigieren."

Die SMaRT-Technologie setzt an der Messenger-RNA (mRNA) an und nicht an der DNA, dem Erbgut im Zellkern. "Jedes Gen wird ja abgeschrieben in Form einer mRNA. Diese mRNA oder Boten-RNA wird dann in Proteine übersetzt. Genau wie im Gen ist auch in der mRNA die betreffende Mutation enthalten. Man kann also auch an der mRNA die Mutation korrigieren. Das geht leichter und ist sicherer."

Mutationen korrigieren

Sicherer ist die Therapie, weil Korrekturen an der mRNA nicht permanent sind. Damit wäre der Eingriff im Falle von Nebenwirkungen reversibel – ein fundamentaler Unterschied zur klassischen Gentherapie. Weil Gene ständig neu abgeschrieben werden und daher die Mutationen immer wieder neu in der mRNA auftreten, müssen auf SMaRT basierende Therapien wiederholt werden. Eine "Trans-splicing Creme" müsste also immer wieder aufgetragen werden, um die fehlerhafte RNA zu korrigieren.

Ein weiterer Vorteil der SMaRT-Technologie ist, dass die Reparaturmoleküle nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip wirken – und zwar nur da, wo der Defekt besteht. Die Molekularbiologen nutzen dabei einen natürlichen Vorgang für ihre Zwecke: das Spleißen. Jede RNA wird gespleißt, das heißt zerschnitten, die nichtkodierenden Teile kommen heraus und landen sozusagen im Müll. Die neuen Enden werden nach klaren Erkennungsmerkmalen verknüpft.

Molekularbiologen greifen per SMaRT-Technik in diesen Prozess ein und jubeln quasi die maßgeschneiderten Reparaturmoleküle dem Spleißosom, das den Vorgang durchführt, unter. "Die Kunst besteht darin, möglichst gute Reparaturmoleküle herzustellen. Sie müssen exakt an die defekte Stelle binden und perfekt passen. Davon hängt ab, wie viel ausgetauscht wird."

Gute Reparaturmoleküle sind das eine. Das andere ist: Wie kommen sie in die Zelle hinein? Viren als Vektoren – üblich in der klassischen Gentherapie – haben sich als potenziell problematisch erwiesen. Zuletzt musste ein deutscher Forscher eine Studie abbrechen, weil seine Patienten Leukämie bekamen. Viren können sich nämlich in der Nähe von Krebsgenen integrieren und so Krebs auslösen. Viel Forschungsarbeit von Reichelt und ihrem Team fließt also in sichere und effiziente Vektoren. "Gene Guns", die wie kleine Pistolen die Reparaturmoleküle in die Haut schießen, haben im Laborversuch bereits sehr gut geklappt. Demnächst werden Mikronadeln getestet.

Suche nach Transportern

Ein besonderer Hoffnungsträger als Vektor für Reparaturmoleküle sind derzeit Polymere, zum Beispiel Kohlenwasserstoffe. Sie sind völlig ungiftig und werden rückstandslos abgebaut. Gemeinsam mit Experten für Polymerentwicklung am University College in Dublin haben die Salzburger vor kurzem erfolgreich Tests an Hautzellen abgeschlossen.

"Die Polymere mit den darin verpackten Molekülen werden sehr gut von den EB-Zellen aufgenommen. Wir wollen jetzt in Salzburg die Methode perfektionieren", sagt Reichelt, räumt aber ein: "So gut die Polymere bei der Haut funktionieren, weil man sie oberflächlich auftragen kann, so wenig geeignet sind sie zum Beispiel bei der Behandlung von Gendefekten der Lunge. Da muss die Suche nach anderen, sicheren Alternativen zu Viren fortgesetzt werden."

Doch auch bis die erste "Trans-splicing Creme" auf den Markt kommt, ist noch einiges an Forschungsarbeit nötig. In zehn Jahren sei die Anwendung realistisch, schätzt Reichelt. (Maria Mayer, 20.7.2016)