Tirana – Am Donnerstag wird in Albanien entschieden, ob die Justizreform vom Parlament angenommen wird – damit wird indirekt über den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der EU abgestimmt. Denn ohne diese Reform wird die EU-Annäherung auf Eis gelegt. Der Druck ist enorm. Die USA haben der oppositionellen Demokratischen Partei (PD) sogar mit Einreiseverboten gedroht.

Doch wenn die Justizreform beschlossen wird, werden viele Politiker und ihre Entourage ihr Sozialprestige und ihre Jobs verlieren, andere könnten im Gefängnis landen, und ein korruptes Netzwerk mit tausenden Menschen wird zusammenbrechen. Bisher konnte man in Albanien jedes Urteil kaufen. Richter und Staatsanwälte handelten auf Zuruf, viele Kriminelle und ihre Freunde waren unantastbar.

USA bilden Polizisten aus

Mit der Reform solle eine Untersuchungsbehörde geschaffen werden, deren Kriminalpolizisten acht Monate in den USA geschult werden sollen. Zusätzlich sollen eine Spezialstaatsanwaltschaft und ein Sondergericht für Korruption eingerichtet werden. Die Richter und Staatsanwälte werden vorher zustimmen müssen, dass sie abgehört werden können, und nur eine Kreditkarte verwenden, die laufend überprüft wird.

Ohne den Druck der EU und der USA wäre es niemals zu dem Reformwerk gekommen – und ohne den Druck der EU und der USA würde das Papier längst in einer Schublade verschwunden sein. Nun geht es darum, ob es in Albanien erstmals so etwas wie Rechtsstaatlichkeit geben wird und damit auch mehr Sicherheit für Investoren. Die EU und die USA bestehen darauf, dass sie ein Wort einlegen können, wenn es um die Überprüfungskommissionen geht, die herausfinden sollen, ob jemand Staatsanwalt oder Richter werden darf oder bleiben kann.

Kampf um Kommissionen

Genau vor diesen Überprüfungskommissionen haben die korrupten Justizbeamten und all jene Leute, die bisher von der Bestechlichkeit profitiert haben, Angst. Sie wollen sie um jeden Preis kontrollieren, damit sie "ihre Leute" im System behalten können, unter deren Schutz sie stehen. Die oppositionelle PD, unter deren Regierung viele Richter und Staatsanwälte angestellt wurden, verweigert den USA und der EU ein Mitspracherecht. Ein solches wurde von Victoria Nuland vom US-Außenministerium bei ihrem Besuch in Tirana vorgeschlagen. (Adelheid Wölfl, 21.7.2016)