Schon oft ist es hier darum gegangen, wie man ein Steak am besten zubereitet, eher selten aber darum, von welcher Kuh es idealerweise kommen sollte. Meiner Meinung nach: von einer alten, fetten. Der ideale Steaklieferant ist eine 1. Mutterkuh, die sieben, acht, gern auch zwölf Jahre alt war, zahlreiche Kälber geboren und 2. jede Menge Gras gefressen hat. Geschlachtet wurde sie 3. per Kopfschuss auf der Weide, auf der sie gelebt hat; und wenn es ganz perfekt sein soll, dann war sie 4. eine Angus-Kuh.

Ein prächtiger Bulle auf der Weide
Foto: Tobias Müller

Ein Steak von einem solchen Tier ist das genaue Gegenteil der blassrosa Fleischfetzen, die in Österreichs Supermärkten liegen: dunkelrot, leicht verschrumpelt, mit ausgeprägtem, schön gelbem (statt fad weißem) Fettrand und ebensolcher Marmorierung. Richtig behandelt, ist es wider alle Klischees von alten Rindern überhaupt nicht zäh – und hat einen so tiefen, kräftigen, komplexen Geschmack, dass Sie nachher nie wieder ein Steak vom Jungrind anrühren wollen. Hier ein paar Anmerkungen, warum das so ist – und wo man solche Wunderdinger bekommen kann.

Fred Zehetner und seine Rinder.
Foto: Tobias Müller

Varianten der "fetten, alten Kuh"

Ich habe in den vergangenen Monaten für diese Geschichte eine ganze Reihe Steaks probiert, etwa die "fette, alte Kuh" von fleischgenießer.de, ein Steak von einer alten Kuh von Fred Zehetners Boa Farm im Waldviertel und ein Steak vom legendären baskischen Fleischer Txogitu, der alte, fette Kühe in ganz Europa kauft, im Baskenland abhängen lässt und zurechtschneidet und dann an die Nobelgastronomie auf der ganzen Welt verkauft (in Österreich sind sie hier zu haben). Zubereitet habe ich sie stets nach dieser Methode. Sie alle waren gut, mein Favorit aber war das Zehetner'sche Steak: Einen solchen Wohlgeschmack, gepaart mit wunderbarer Zartheit, habe ich nie vorher erlebt. Alle Fotos stammen von einem Besuch bei ihm im Juni.

Ein noch prächtigerer Zuchtbulle (und Zehetner) im Stall. Das Tier ist berühmt für die großartige Fleisch-Marmorierung seiner Nachkommen.
Foto: Tobias Müller

Ah ja: Dass dieses Steak dann auch noch richtig reifen und gekocht werden muss, ist mindestens eine andere Geschichte.

Alt: Erst ab einem Alter von etwa zwölf Monaten beginnen Rinder langsam, intramuskuläres Fett einzulagern, das für einen Großteil ihres guten Geschmacks verantwortlich ist – je mehr Zeit sie dafür haben, umso intensiver werden sie schmecken. Außerdem gilt: Je mehr ein Muskel bewegt wurde, desto fester und geschmacksintensiver wird er sein. Alte Tiere haben daher immer einen ausgeprägteren Eigengeschmack als junge – kosten Sie einmal ein altes Schaf neben einem Lamm und Sie sehen die hässliche Seite dieses Effekts. Beim Rind aber zeitigt das Alter ganz köstliche Ergebnisse.

Mutterkuh: Nicht jedes alte Rind schmeckt auch automatisch gut. Eine Hochleistungs-Milchkuh, die ihr Leben lang bis zu 100 Liter Milch am Tag gegeben hat, ist am Ende komplett abgemagert und so fit wie ein alter Ex-Profisportler und eher ungenießbar. Ihr Fleisch landet in der Wurst, im Fastfood-Faschierten und im Hundefutter.

Die nächste alte Kuh
Foto: Tobias Müller

Gut gehaltene Mutterkühe entwickeln Geschmack

Ein Rind, das im Alter gut bzw. köstlich schmecken soll, muss ein schönes Leben gehabt haben und ordentlich fett sein. Gut gehaltene Mutterkühe sind daher ideal: Sie haben von allen Rindern die meiste Zeit, sehr viel Geschmack zu entwickeln, weil sie am ältesten werden: sie werden erst dann geschlachtet, wenn sie nicht mehr trächtig werden. Je nach Tier kann das weit über zehn Jahre dauern. Und am Ende können sie sich mit gutem Heu noch einmal richtig anfressen.

Im Kühlhaus
Foto: Tobias Müller

Grasgefüttert: Wenn es einen entscheidenden Faktor für den Geschmack des Fleisches gibt, den Fred Zehetner immer wieder betont, dann ist es das Gras und Heu, das seine Kühe fressen. Nur diese Ernährung könne für köstliches Rindfleisch sorgen, meint er – Getreide oder Mais hingegen sei geschmacksneutral und bringe für die Köstlichkeit gar nichts. Es ist recht leicht zu erkennen, ob ein Rind ordentlich grasen durfte oder nicht: Das Karotin im Gras sorgt dafür, dass das Fett eine schön gelbe bis fast orange Farbe bekommt.

Vorbildliche Fettfärbung vom Grasfutter
Foto: Tobias Müller

Weidenschuss: Tiere, die unter Stress stehen, wenn sie geschlachtet werden, haben ein nachweislich schlechteres Fleisch: es hat einen anderen PH-Wert, reift weniger gut und schmeckt im Extremfall ungenießbar. Stressfrei zu schlachten, ist daher nicht nur für das Tier, sondern auch für seinen Esser essentiell – und die stressfreieste Art ist es, das Rind auf der Weide zu schießen.

Es grast und noch bevor es den Krach hört, ist es tot. In Deutschland und der Schweiz ist das mittlerweile erlaubt, in Österreich ist diese Art der Schlachtung nach wie vor verboten, wenn man das Fleisch anschließend verkaufen möchte (hier gibts mehr Infos dazu). Einige engagierte Rinderhalter, denen das Wohl ihrer Tiere wichtiger ist als seltsame rechtliche Regelungen, praktizieren den Weidenschuss trotzdem. Hören Sie sich um und sie werden bestimmt jemanden finden.

Der weißblaue Belgier

Angus: Manche Rinderrassen sind besser darin, intramuskuläres, köstliches Fett einzulagern als andere. Am fettfreien Ende des Spektrums steht der sogenannte weißblaue Belgier, ein Rind, dass in kurzer Zeit zu einem riesigen Muskelberg heran wächst, dafür aber fast fettfreies, geschmacksneutrales Fleisch produziert. Am fetten Ende findet sich das berühmte Waguye-Rind, eine japanische Rasse, die ursprünglich als Arbeitstier gehalten wurde und enorme Mengen intramuskuläres Fett einlagert.

Nicht vom Herrn Zehetner: Wagyu Rib Cap mit der typischen extremen Marmorierung
Foto: Tobias Müller

Waguye-Steaks

Waguye-Steaks sehen daher mitunter mehr wie Speck aus, haben eine eigene, extrem weiche Konsistenz, die nicht jedermanns Sache ist – und kosten ein Vermögen, wenn sie denn überhaupt außerhalb Japans zu haben sind. Ein Angus ist immer noch ziemlich fett, aber nicht so fett, dass es breiig werden würde, in Österreich sehr gut auf der Weide zu halten, und deutlich günstiger zu haben.

Flanksteak, noch am Rind
Foto: Tobias Müller

Die Steak-Realität sieht leider meist anders aus. Das allermeiste Rindfleisch, das in österreichischen Supermärkten landet, stammt leider von Jungstieren – den denkbar schlechtesten aller Fleischlieferanten, zumindest für die Esser. Stiere wachsen zudem schneller als Kühe oder Ochsen, ihre kastrierten Kollegen, und sind daher nochmals geschmacksneutraler – weswegen in großen Rindfleisch-Essländern wie etwa Australien Tiere, die zum menschlichen Verzehr gedacht sind, gleich nach der Geburt kastriert werden.

Deswegen möchte ich mich hier nochmal beim Fred Zehetner entschuldigen. Ich habe in einem anderen Artikel geschrieben, dass er auch Stiere schlachtet, wo es doch ausschließlich Ochsen sind – sorry! (Tobias Müller, 24.7.2016)