Georg Salner hat in seinem Ethnozimmer die halbe Welt um sich versammelt. Der Wiener Künstler erzählte uns, warum er sich mit Geschichte und Fundstücken umgibt und warum er die Linie U1 als Extrazimmer sieht.

"Ich mag diesen Raum sehr. Ich schaue mich um, ich schaue an die weißen Wände, ich studiere die vielen kleinen Dinge, die da liegen und hängen, und manchmal, scheint es, kann ich beim tausendsten Hinsehen immer noch etwas Neues für mich entdecken. Ja, das Schlaf- und Arbeitszimmer ist das mit Abstand privateste Zimmer dieser Wohnung. Aber das liegt nicht an der Tatsache, dass ich hier schlafe oder einer sogenannten intimen Beschäftigung nachgehe, sondern daran, dass der Raum am meisten meine Persönlichkeit, meine Interessen, meine tiefen Sehnsüchte widerspiegelt.

"Fernseher und Bett, das sollte man nicht machen, das ist der unmöglichste Ausdruck des Laissez-faire." Georg Salner in seinem Ethnozimmer.
Foto: LISI SPECHT

Auf dem Kamin und an der Wand habe ich eine kleine archäologische Sammlung mit Steinen, Mauerteilen, Ton- und Keramikscherben, Masken, Wandteppichen und diversen kleinen Objekten aus Ägypten, Marokko, Afghanistan, Indien, Nepal, Burma, China, Kuba und Brasilien. Die meisten Fundstücke habe ich vom Boden aufgeklaubt, irgendwo in der Natur, an Stränden oder in Ruinenstädten an der Seidenstraße. Manche Teile davon sind – wenn ich das zu schätzen versuche – an die 2000, 2500 Jahre alt.

Freunde haben das Zimmer einmal als Ethnozimmer bezeichnet. Ja, ich reise sehr, sehr gerne. Ich bin ein ewig Getriebener, ein Neugieriger, ein auf das Neue, auf das Fremde Versessener. Im Reisen erkenne ich mich – neben der eigenen Kunst – am besten selbst, finde ich am leichtesten zu meinen inneren Wurzeln. Ich habe ein enormes Faible für die Kulturen Asiens, für diese so typisch asiatische Überlagerung alter und ganz neuer Welten. Ich bin ein leidenschaftlicher Beobachter dessen, was ich sehe. Das ist in dieser Wohnung gut sichtbar.

Die Wohnung befindet sich im zweiten Bezirk, nahe der Afrikanergasse, gewissermaßen in Sichtweite von Riesenrad und Stephansdom, und hat ziemlich genau 100 m². Wir sind 1988 zu dritt eingezogen, unsere Tochter ist jetzt erwachsen, und so wohne ich hier nun mit meiner Frau. Das Haus wurde 1910 errichtet und befindet sich in einem guten Zustand. Die Wohnung ist gemietet. In den Neunzigerjahren hätten wir sie eigentlich kaufen sollen, doch das schien mir damals übertrieben. Heute bereue ich diese Entscheidung. Inzwischen sind die Preise ja davongaloppiert.

Der Prater ist ums Eck, in die Innenstadt können wir zu Fuß gehen, und ins Atelier beim Südtiroler Platz fahre ich ein paar Stationen mit der U1. Ich bin ja ständig auf Achse zwischen Wohnung, Atelier und Hauptbahnhof – gelegentlich auf dem Weg in den Westen nach Galtür, von wo ich stamme. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die U1 eine Art Extrazimmer für mich geworden ist.

Was das Wohnen betrifft, muss ich wohl das Klischee des Ästheten bemühen: Ich erfreue mich an der Ästhetik, aber auch an der Botschaft dieser Dinge rundherum. Dazu gehört, dass ich mich mit Kunst umgebe – mit eigenen Werken, verbrüdert mit etlichen Tauschobjekten von Kollegen. Einen Fernseher haben wir gegenüber vom Bett. Das sollte man nicht machen, das ist der unmöglichste Ausdruck des Laissez-faire. Dabei muss man ehrlich sagen, dass man vor dem Fernseher immer noch am besten einschläft.

Vor kurzem habe ich erstmals seit 1988 die Wohnung ausgemalt. Wir sehen keinen Grund, von hier jemals wegzugehen. Ich führe ein geglücktes Leben, ich habe eine gute Partnerschaft, und ich habe einen recht großen Erlebnisschatz. Mein Leben hier dauert hoffentlich noch ein Weilchen, aber ich stelle mir vor, dass ich in dieser Wohnung, in meinem Ethnozimmer vielleicht, eines Tages meinen letzten Schnaufer machen könnte." (25.7.2016)