Im Schneidersitz hatten sie sich aufgereiht, Wolldecke auf den Schultern die einen, von ihrer bloßen Überzeugung warmgehalten die anderen. Ohne Hektik erwarteten sie das Heer von Polizisten. Ein ganz normaler Castor-Transport, ein ganz normaler Sitzprotest. Beides gehörte seit Jahren zusammen wie Pech und Schwefel. Auch Elmar Kammbrecher war wieder dabei. Er war schon dabei gewesen, als der nach Hund riechende Rastalocken-Jüngling neben ihm von seiner Mama die Windeln gewechselt bekam. Rundherum ein Pfeifen und Johlen, Antreiber mit Megafon und Sirenen, aber hier, wo Demonstranten und Gesetzeshüter einander begegneten, war es merkwürdig still. Als die Männer in Grün bei Elmar Kammbrecher ankamen und ihn wie üblich aufforderten, aufzustehen, zog er wie üblich den Kopf ein. Doch wie sie ihm unter die Achseln griffen, war es augenblicklich um ihn geschehen. Wie ein Jungbär kam er sich vor, die Nackenwulst im festen Bissgriff der Mutter, und er gab sich da voll hinein. Im Geiste ließ er sich ein Fell wachsen, eine Schnauze und große Tatzen. Als die Polizisten ihn weit weg vom Gleis wieder absetzten, trollte sich Elmar Kammbrecher, bereits mit Haut und Haar Bär geworden, in den naheliegenden Wald und ließ Gorleben für immer hinter sich. (Jens Steiner, Album, 22.7.2016)