Die Anklagebehörde sieht in Karl-Heinz Grasser und den (Ex-)Lobbyisten bzw. Beratern eine "engmaschige Schicksalsgemeinschaft".

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Wien – Egal, wie die Sache dereinst ausgehen mag: Die Causa Buwog und Linzer Terminal Tower, in der nun die 825-seitige – nicht rechtskräftige – Anklageschrift gegen Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser und 15 weitere Personen wie die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger, Immobilienmakler Ernst Plech und Raiffeisen-OÖ-Exchef Ludwig Scharinger sowie Immofinanz-Exchef Karl Petrikovics vorliegt, wird die Republik noch intensiv beschäftigten.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft den Angeklagten rund um die Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaften (Buwog) und die Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower sowie die dabei geflossenen "Provisionen" in Höhe von 9,6 Millionen Euro ein buntes Bouquet an Straftaten vor: von Beamtenbestechung und verbotener Geschenkannahme durch Beamte (betrifft Grasser) über Untreue, Geldwäsche, Unterschlagung, Beweismittelfälschung bis zu versuchter Begünstigung. Auf 722 Seiten (der Rest sind Dokumente) schildert die Behörde Vorgänge und "Verschleierungshandlungen" der Angeklagten – für die allesamt die Unschuldsvermutung gilt. Sie bestreiten die Vorwürfe, was die WKStA so kommentiert: "Die Angeklagten leugneten die ihnen angelasteten Taten, wobei sie ihre Verantwortungen teilweise innerhalb ein- und derselben Vernehmung abänderten und dem jeweiligen Kenntnisstand der Ermittlungsbehörden anpassten." Ihre Aussagen "gehen teilweise diametral auseinander".

  • Indizien Eine Beweiskette gegen den Exfinanzminister konnten die Ermittler bei alledem nicht knüpfen, sie sprechen selbst an mehreren Stellen von Indizien. Zum Beispiel: "Sämtliche geschilderte Abläufe mit Blick auf den gemeinsamen Tatplan und die dadurch bewirkte engmaschige Schicksalsgemeinschaft lassen schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung keinen anderen Schluss zu, als dass Grasser, Meischberger, Plech und Hochegger spätestens ab ... Juli 2003 bis zum tatsächlichen Erhalt der Bestechungszahlungen stets und wiederholt das weitere Vorgehen ... miteinander absprachen und abstimmten."
    166 Zeugen hat die WKStA beantragt – von Hannes Androsch über Natalia Corrales-Diez (Exfreundin Grassers), Julius Meinl V., Ex-Bank-Austria-Chef Gerhard Randa bis zu Ex-Hypo-Alpe-Adria-Chef Tilo Berlin. Den generellen Vorwurf gegen Grasser, seinen Trauzeugen und "besten Freund" Meischberger, den Berater Hochegger sowie seinen Vertrauten Plech beschreibt die WKStA so:

  • Der Tatplan Im Jahr 2000 hätten die vier "vereinbart, Grassers Stellung als Finanzminister unerlaubterweise auszunützen, um jeweils finanzielle Vorteile zu lukrieren. Konkret vereinbarten sie, für zumindest parteiliche Entscheidungen von Grasser bei den anstehenden Verkaufsprozessen, Privatisierungen oder Auftragsvergaben der Republik Österreich Geld von Bietern und anderen Interessenten zu fordern, sich versprechen zu lassen und anzunehmen. Auf Basis der letztlichen Entscheidungsbefugnis Grassers und der dadurch für potenzielle Bieter und Interessenten entstehenden Drucksituation wollten sie derart ohne aufwendige Arbeit zu vergleichsweise viel Geld kommen.

  • Berater zum Verschleiern Um "keinen Verdacht zu erregen", sollte Grasser "vordergründig möglichst wenig in Erscheinung treten", weswegen "das Überbringen der Forderungen von Bestechungszahlungen" von Meischberger, Plech und Hochegger "übernommen werden sollte. Diese sollten sich auch um die Abwicklung der Zahlungen, sowie um die Schaffung von Strukturen und Unternehmensgeflechten zu deren Verschleierung kümmern." Selbige bestreiten das aber. Grassers Berater behaupten, die Provisionen seien ihnen quasi für ihre Vermittlungsdienste zugestanden und zugeflossen. Tatsächlich flossen die Provisionen (beim Verkauf der Buwog ans Österreich-Konsortium ging es um ein Prozent des Kauferlöses in Höhe von 961 Mio. Euro, beim Terminal Tower um 200.000 Euro) via Hocheggers zypriotische Briefkastenfirma Astropolis nach Liechtenstein auf die bereits berühmten Konten "Karin", "Natalie" und 400.815. Während Meischberger beteuert, sie alle gehörten ihm, geht die WKStA davon aus, "Natalie" sei ihm, "Karin" Plech und "400.815" Grasser zuzurechnen.

  • Brösel bei Buwog-Provision Bei der Provision (nach Lesart der WKStA: Bestechungszahlung) für den Buwog-Verkauf ließ sich die geplante Fifity-fifty-Teilung zwischen Immofinanz und Raiffeisen Landesbank OÖ laut Anklage stockend an. Mit Immofinanzchef Petrikovics habe man sich "vergleichsweise rasch auf die konkrete Zahlungsabwicklung" einigen können; nicht so mit den Linzern. Deren "Vorschläge einer Zahlungsabwicklung, etwa der Verkauf des Schlosses Leopoldstein in der Steiermark an Hochegger unter Ansatz eines der Hälfte der Bestechungszahlung entsprechenden Nachlasses vom Marktwert, fanden nicht die Zustimmung" von Grasser und Co, "weil sie diese als ungeeignet und zu riskant einschätzten". Letztlich habe die Immofinanz alles gezahlt und später intern mit dem Linzer Konsortialpartner gegengerechnet.
  • Zu viel bezahlt Die Abrechnung mit der Immofinanz (bzw. einer Tochtergesellschaft) erfolgte per Scheinrechnungen, die die Astropolis legte. Allerdings überwies der zuständige (ebenfalls angeklagte) Immofinanz-Manager "irrtümlich wegen eines Tipp- und Additionsfehlers" um 300.000 Euro zu viel. Das trug Hochegger den Anklagepunkt Unterschlagung ein: Er habe das Geld, das eigentlich der Republik zustehe, "für sich verwendet".

  • "Alles für KHG" Die WKStA geht davon aus, dass die Buwog-Käufer die gesamten 9,6 Millionen Euro Grasser zukommen lassen wollten: "Sowohl Petrikovics ... und Scharinger war von Anfang an bewusst, dass der Erbringer der von ihnen ,eingekauften' Leistung (nämlich des parteilich bewirkten Zuschlags bei der Buwog) Grasser als entscheidungsbefugter Finanzminister sein würde und nach ihrer Vorstellung auch sein sollte".

  • Urgenzen Mitte 2006 "stockte" der Provisionsfluss, Hochegger urgierte per Mail: "Meine Projektpartner fragen mich nun ständig, wie es weitergeht", schrieb er an die Immofinanz. Seine Geschäftspartner "drängen auf ... die letzte Teilzahlung", seien "enttäuscht und verunsichert über die plötzliche Funkstille", ließ er Petrikovics mehr als ein Jahr später wissen. All das belegt laut WKStA, "eindrucksvoll, dass es sich bei den in Rechnung gestellten Leistungen der Astropolis gerade nicht um tatsächlich erbrachte Leistungen handelte".

  • Knackpunkt 400.815 Wichtigste Säule der Anklage ist die Zurechnung des Kontos 400.815 an Grasser, der ja von den komplizierten Geldflüssen profitiert haben soll. Eines der Indizien, so die Anklage: Auf Barbehebungen in Liechtenstein (von Meischberger initiiert) seien jeweils "im Abstand von bloß einigen Tagen Einzahlungen auf die österreichischen Privatkonten" Grassers u. a. bei der Meinl Bank erfolgt.

Zum Gesellschaftsgeflecht des Exfinanzministers gehörten laut Anklage auch die Mandarin Group und die Schweizer Ferint AG, die ebenfalls ein Konto bei der Meinl Bank hatte. Konstruktionen, die für die WKStA "verdeutlichen, dass Grasser das Verschleiern von Vermögenswerten geradezu wesensnah" sei.

Fortsetzung folgt bestimmt. (Renate Graber, 25.7.2016)