Wadim Demidowitsch (rechts) scorte für Schodsina im Rückspiel der 2. Qualifikationsrunde gegen Debrecen.

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Der Stolz von Schodsina: Muldenkipper von BelAZ.

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Wien – Schodsina hieß das Ziel. In der belarussischen Stadt ist der FK Torpedo beheimatet, Rapids Gegner in der dritten Runde der Qualifikation zur Europa League. Am Donnerstag bestritten die Hütteldorfer dort ihr Hinspiel und holten bekanntlich eine Nullnummer.

Die Geschichte von Ort und Klub ist überschaubar, mit dem Gründungjahr 1961 überflügelt Torpedo diesbezüglich gar Schodsina, dessen Erhebung zur Stadt erst zwei Jahre später erfolgte. Getrieben war diese Entwicklung durch den Aufbau der Produktionsstätte der Belaruski Autamabilny Sawod (BelAZ) in der bereits 1688 erstmals erwähnten Ansiedlung.

Das "Belarussische Automobilwerk" ist ein Gigant der Nutzfahrzeugherstellung, ein Drittel der globalen Muldenkipperflotte stammt aus seiner Produktion. 11.000 Menschen arbeiten für BelAZ, das entspricht nicht weniger als einem Sechstel der Einwohnerschaft Schodsinas. 2015 ließen die Teilnehmerinnen der Wahl zur Mrs Universe die BelAZ-Werkshallen mit Glanz ergleißen, als sie zum Fotoshootingtermin mit Schwerlastern über Schodsina kamen. Die mutmaßlich berühmteste Tochter der Stadt heißt Nastassja Nowikawa, mehrfache Weltmeisterin im Gewichtheben und 2008 Gewinnerin einer olympischen Bronzemedaille.

Keiner von den Großen

Torpedo bäckt da vergleichsweise kleinere Brötchen. Der Klub schaffte es nie in die oberen Gefilde des sowjetischen Fußballs, hielt sich aber immerhin in der Meisterschaft der Weißrussischen SSR schadlos, die viermal gewonnen werden konnte (1970, 1971, 1980, 1981). Aus der 1992 nach dem Zerfall der UdSSR neu gegründeten Wyschejschaja Liha verabschiedeten sich die Schwarz-Orangen nach nur zwei Saisonen in die Zweitklassigkeit. Erst neun Jahre später sollte der Wiederaufstieg gelingen, seither hat man sich durchgängig in der Beletage halten können.

Schodsina befindet sich nur geographisch nahe am Puls der großen belarussischen Fußballwelt, im Sandwich zwischen Minsk (55 Kilometer westlich) und Baryssau (15 Kilometer östlich). In der ewigen Tabelle der Wyschejschaja Liha rangiert Torpedo unter ferner liefen an 12. Stelle, weit abgeschlagen hinter den Dominatoren Dinamo und BATE.

2015 jedoch gelang es Torpedo schließlich, den Großen in die Parade zu fahren. Der Cupsieg, errungen durch ein 3:2 im Elferschießen gegen BATE, war der größte Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte. Angeleitet wurde die Mannschaft dabei von Igor Nikolajewitsch Kriuschenko, der Torpedo seit 2012 coacht. Der 52-Jährige kann in seinem Lebenslauf noch weitere Titelgewinne aufführen: zwei belarussische Meisterschaften (2006, 2007) sowie einen Cupsieg mit Rekordchampion Baryssau. 2009 stieg Kriuschenko mit Sibir Novosibirsk in die russische Premier League auf.

National Durchschnitt, europäisch über Plan

In der laufenden, im Kalenderjahrrhythmus ausgespielten Meisterschaft, liegt Torpedo zur Halbzeit nur auf Platz 8 der 16er-Liga, die Bilanz gestaltet sich mit jeweils fünf Siegen, Remis und Niederlagen ebenso in perfekter Ausgeglichenheit wie die Tordifferenz (+/- 0). Offenbar leidet man unter einer gewissen Heimschwäche, gerade sieben Punkte gab's in sieben Partien vor eigenem Publikum. In Massen erscheint dieses nicht gerade, im Schnitt kommen 1.440 Besucher ins 6.524 Zuschauer fassende Torpedostadion, eine Mehrzweckanlage mit Laufbahn.

Torpedo überrascht in der zweiten Qualifikationsrunde mit einem Erfolg bei Debrecen.
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Europäisch läuft es besser: In der zweiten Qualifikationsrunde in die EL gestartet, setzten sich die Weißrussen, als Außenseiter gehandelt, gegen den ungarischen Spitzenklub Debrecen durch. Mit 2:1 (auswärts) und 1:0 (zu Hause) gelang das so überraschend wie überzeugend. Im Hinspiel war es Torpedo nach raschem Rückstand gelungen, die Partie zu seinen Gunsten umzudrehen. Zwei Minuten vor Schluss hatte Verteidiger Evgeni Klopotski einen Freistoß zum Sieg versenkt. Im Rückspiel sorgte Wadim Demidowitsch Mitte der ersten Halbzeit (25.) für ziemlich klare Verhältnisse. Rapids Mike Büskens zollte dem Gegner Respekt: "Sie haben Moral gezeigt. Sieg und Aufstieg ist also mehr als verdient."

Schodsina stellt eine relativ erfahrene Mannschaft. Das Durchschnittsalter des Kaders beträgt 27,2 Jahre (Rapid 24,1), sein Gesamtmarktwert (nach transfermarkt.de) liegt mit 4,8 Millionen Euro deutlich unter jenem Rapids (24,93). Lediglich vier (ukrainische) Legionäre finden sich im 21 Mann umfassenden Spielerpool Torpedos, Rapid beschäftigt dagegen 29 Profis, darunter sind neun Fremdarbeiter. (Michael Robausch, 26.7. 2016)