Fünf Monate noch. Das Baby soll im Jänner kommen. "Eine Kopfentscheidung war das nicht, sondern eine aus dem Bauch heraus", sagt Anna. Mit ihrem Partner ist sie seit acht Jahren liiert; sie wohnen zusammen in einer Mietwohnung in Wien. Den Kinderwunsch gab es bereits seit einigen Jahren, und als sie erfuhr, dass sie schwanger ist, habe sie sofort gewusst: "Es passt alles." Anna hat Technische Mathematik studiert und arbeitet seit drei Jahren als Programmiererin. Anna ist 30 Jahre alt.

In diesem Lebensabschnitt bekommen die meisten Österreicherinnen ihr erstes Kind. Das war nicht immer so. Der Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes hat sich in den vergangenen 30 Jahren immer weiter nach hinten verschoben. Lag das Durchschnittsalter bei der Geburt des ersten Kindes von Frauen im Jahr 1984 noch bei 24 Jahren, waren es 2014 29 Jahre. Die detaillierte Entwicklung, in welcher Lebensphase Frauen in Österreich Kinder bekommen, zeigt diese Grafik seit 1984.

Falls Sie bereits ein Kind in Ihrer Familie haben sollten: Hier können Sie Ihr eigenes Geburtsjahr und das Ihres Sohnes oder Ihrer Tochter angeben. Wir sagen Ihnen dann, ob Sie Ihr Kind damals früher oder später als der Durchschnitt bekommen haben.

Wir sehen

  • 1984 haben noch 67 von 1.000 20-Jährigen ihr erstes Kind zur Welt gebracht. 30 Jahre später ist es weniger als ein Drittel davon: 20 Frauen.
  • Die höchste Zahl frischgebackener Mütter in einer Altersgruppe liegt 2014 bei 29 Jahren.
  • Nehmen wir an, dass sich die Erstgeburten so verteilen würden wie 1984: Dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau bis zum 50. Lebensjahr ein Kind bekommt, bei 68 Prozent. Im Jahr 2014 liegt sie leicht darüber: Nach diesem Modell würden 70 Prozent mindestens ein Mal schwanger werden.

Woher kommt das?

Das Bildungsniveau steigt, immer mehr Frauen nehmen am Erwerbsleben teil, und der Arbeitsmarkt verlangt nach höher qualifiziertem Personal. Diese drei Faktoren tragen die Entwicklung. Die Ausbildungsphase verlängert sich, und der Berufseinstieg verspätet sich. Finanzielle Selbstständigkeit wird dadurch erst später erreicht. Deshalb verkürzt sich die Zeitspanne für die Geburt weiterer Kinder – ein Mitgrund dafür, warum die Geburtenrate in Europa insgesamt fällt.

Die spätere Familienplanung geht auch zurück auf die bessere Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln seit den 60er-Jahren sowie die Legalisierung von Abtreibungen 1974. Der wichtigste demografische Faktor für das Hinausschieben des ersten Kindes ist die längere Ausbildungszeit. Je höher der Bildungsabschluss, desto später kommt es zur Familiengründung.

Wir sehen

  • Je niedriger der Bildungsabschluss, desto gleichmäßiger sind die Geburten über die einzelnen Lebensjahre verteilt. Bei Frauen mit Hochschulabschluss spitzt sich der Anteil bei den 31-Jährigen zu.
  • Vier von fünf Frauen mit Pflichtschulabschluss haben 2014 ihr erstes Kind vor dem 30. Lebensjahr geboren (82 Prozent).
  • Bei Frauen mit Hochschulabschluss hat eine von vier (26 Prozent) ihr erstes Kind vor dem 30. Geburtstag zur Welt gebracht.

Bis zum 50. Lebensjahr gleicht sich der Anteil der Personen, die in einem Haushalt mit mindestens einem Kind lebten, über die Bildungsgruppen hinweg an. Etwa sechs von zehn Männern und sieben von zehn Frauen leben in Österreich in einer Familie mit mindestens einem Kind. Bei Personen mit Hochschulabschluss ist der Anteil etwas geringer (55 beziehungsweise 58 Prozent).

Größere Unterschiede gibt es bei den Familien mit drei und mehr Kindern. Frauen und Männer mit Pflichtschulabschluss leben proportional doppelt so häufig in Familien dieser Größe im Vergleich zu Akademikern. Das ist auch einer der Faktoren, warum die Anzahl der Kinder pro Frau in Österreich rückläufig ist. Die Anzahl der Einzelkinder ist zwar stabil, aber es gibt immer mehr Zweikindfamilien statt Drei- oder Mehrkindfamilien.

Sachleistungen begünstigen Mehrkindfamilien

Untersuchungen in Deutschland kamen zum Schluss, dass etwa der Ausbau der Kinderbetreuung eher zu Familien mit mehr als drei Kindern führt und die Geburtsrate generell steigt im Vergleich zur Familienförderung über Einkommenstransfers – wie das lange in Österreich der Fall war.

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Foto: ryan tauss / stocksnap.io

Akademikerinnen häufiger ohne Kernfamilie

In der Altersgruppe der 25- bis 50-Jährigen leben 24 Prozent der Akademikerinnen und 14 Prozent der Frauen mit Pflichtschulabschluss ohne Kernfamilie. Unter Hochschülerinnen selbst gibt es noch Unterschiede: Frauen mit technischer oder naturwissenschaftlicher Ausrichtung bleiben seltener kinderlos als Frauen mit sozial- oder geisteswissenschaftlicher Ausbildung. Neben jenen, die prinzipiell keinen Kinderwunsch hegen, sind Fragen wie

  • "Kann ich mir das leisten?"
  • "Kommt meine Karriere dann zu kurz?"
  • "Bin ich persönlich bereit dafür?" oder
  • "Habe ich wirklich den richtigen Partner?"

Gründe gegen eine Kinderplanung (Familienbericht 2009). Die Frage, wie viele Akademikerinnen heute tatsächlich kinderlos bleiben, kann mit aktuellen Daten nicht vollständig beantwortet werden. Es könnten nur Aussagen über Akademikerinnen über 50 Jahre getroffen werden. Bei diesen kann davon ausgegangen werden, dass eine Familiengründung schon erfolgt wäre. Über die Kinderwünsche von der beispielsweise heute 30-jährigen Hochschülerin kann es keine Analysen geben, weil ihre Kinder theoretisch noch zur Welt kommen könnten.

Unterschiede zwischen dem erfragten besten Alter und tatsächlichem Alter bei der Geburt des ersten Kindes

Zwischen dem Alter, das als das beste für das erste Kind geschätzt wird, und dem tatsächlichen Alter bei der Geburt, gibt es in Österreich eine Kluft. 2013 haben in einer Unesco-Studie 5.000 Österreicher das ideale Alter mit 27 beziffert. Das tatsächliche lag 2014 bei 29 Jahren. Je höher der Bildungsstand, desto später wird der ideale Zeitpunkt für Kinder geschätzt. Für Männer und Frauen mit Pflichtschulabschluss ist im Durchschnitt 25 Jahre das beste Alter, Uni- und FH-Absolventen sehen dieses bei 28 Jahren.

Für Anna ist der Zeitpunkt gut. Vor einigen Jahren, sagt sie, hätten sie es "doch schwerer" gehabt. Jetzt diskutieren Anna und ihr Partner noch viele organisatorische Fragen. In Karenz gehen und Elternteilzeit wollen beide – wer das wann und wie lange machen wird, müssten sie noch besprechen. Und vieles ist noch unklar – etwa die Frage, ob sie Wien verlassen und ins Grüne ziehen sollten.

Das Stadt-Land-Gefälle ist in Österreich nicht stark ausgeprägt, aber doch vorhanden.

Ohne Auswahl wird das Alter, in dem am häufigsten das erste Kind auf die Welt kommt, hervorgehoben.

Wir sehen

  • In kleinen Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern bekommen Frauen ihr erstes Kind tendenziell früher als in städtischen Regionen. Die höchste Rate gibt es bei den 27-Jährigen: 68 von 1.000 Einwohnerinnen bekommen ihr Kind in diesem Alter.
  • In urbanen Zentren wie Wien oder Graz bekommen die 31-Jährigen am häufigsten Kinder. 59 beziehungsweise 44 von 1.000 Einwohnerinnen bringen in diesem Alter ihr erstes Kind zur Welt.
  • Nehmen wir an, dass sich die Erstgeburten immer so verteilen würden wie 2014. Dann wäre die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Frau in Graz ein Kind zur Welt bringt, über ihr Leben gerechnet bei 65 Prozent. Für Wien läge sie bei 70 Prozent. Höher ist die Wahrscheinlichkeit in ländlicheren Gebieten, wo der Wert zwischen 73 und 74 Prozent schwankt. Also: Je urbaner eine Gemeinde, desto weniger Frauen bringen dort ihr erstes Kind zur Welt.

Im europaweiten Vergleich ist ein durchschnittliches Alter von 29 Jahren bei der ersten Geburt die Regel. Später kommen Kinder in Süd- und Westeuropa zur Welt, früher in Osteuropa.

Dem Zeitpunkt im Leben, in dem Frauen ihr erstes Kind bekommen, geht oft kein Kalkül voraus. Vielmehr ist es ein Zusammenspiel aus vagem Wunsch, Planung und Zufall. So beschreibt es Christiane Rille-Pfeiffer, die Wissenschafterin am Institut für Familienforschung ist: "Viele sagen, dass es ganz okay wäre, wenn es jetzt passieren würde. Erst bei Frauen im höheren Alter ist es öfter eine ganz bewusste Entscheidung."

Über ihre Familienplanung nach dem ersten Kind hat Anna noch nicht genau nachgedacht. Ob sie und ihr Partner mehr Nachwuchs wollen, steht noch in den Sternen. Vor allem freue sie sich auf das kommende Kind.

(Gerald Gartner, Markus Hametner, Christa Minkin, 30.7.2016)