Was geschieht mit den Banken, wenn die Wirtschaft einbricht, der Devisenmarkt verrückt spielt, also der Crash kommt? Die Bankenaufseher wollten es herausfinden und präsentieren ihre Ergebnisse am Freitag.

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Europas Banken müssen sich wieder tief in ihre Bücher schauen lassen. Am Freitag werden die Ergebnisse der neuen Stresstests durch die Europäische Bankenaufsicht EBA veröffentlicht. DER STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema:

Frage: Wozu werden Europas Banken gestresst?

Antwort: Ziel der Übung ist es laut offizieller Darstellung, Schwachstellen in den Bilanzen der Kreditinstitute aufzuspüren. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Probleme einzelner Institute sich rasch auswachsen und die Stabilität ganzer Länder gefährden können. Allein zwischen 2008 und 2015 haben EU-Länder Banken Kapitalzuschüsse und Notkredite in Höhe von 671 Milliarden Euro gewähren müssen – das entspricht mehr als dem Doppelten der österreichischen Wirtschaftsleistung. Eine auch nur annähernd so kostspielige Krise soll vermieden werden.

Frage: Banken legen Bilanzen vor. Sind Risken darin nicht erkennbar?

Antwort: Bedingt. Ein Beispiel: Banken legen offen, wie viele faule Kredite sie vergeben haben, wie viele Schuldner ihre Darlehen also nicht mehr zurückzahlen können. Eine Bank, die eingesteht, dass ein Kredit verloren ist, muss ihre Ertragserwartungen nach unten korrigieren. Das wirkt sich auf die Bilanz aus und macht Aktionäre nervös. Die Erfahrung zeigt, dass Geldhäuser daher oft Zahlen schönen. So wird einem überforderten Schuldner ein neuer Kredit in der Hoffnung gewährt, dass sich seine Lage bessert. Oft wird ein Problem damit bloß aufgeschoben. Solche Praktiken machen es schwer, die Gesundheit einzelner Institute zu bewerten.

Frage: Schafft ein Stresstest Abhilfe?

Antwort: Bei dem Test wird ein Worst-Case-Szenario durchgespielt. Geprüft wird, was geschieht, wenn die Wirtschaft einbricht und viele Kredite ausfallen. Wie entwickelt sich dann das Eigenkapital der Bank, wie entwickeln sich Schulden und Einnahmen? Dadurch, dass die Aufsicht die Tests überwacht, soll ihre Transparenz gesichert werden.

Frage: Wie sieht das angenommene Krisenszenario aus?

Antwort: Simuliert wird eine Rezession für die Jahre 2016 bis 2018. Angenommen wird etwa, dass die Wirtschaft der EU heuer nicht wie erwartet um zwei Prozent wachsen, sondern um 1,2 Prozent schrumpfen wird. Die Zinsen für Staatsanleihen werden steigen, was Südeuropa in Bedrängnis bringt. Ein Schock wird für die Börsen durchgerechnet: Österreichische Aktienpreise brechen in der Simulation um 30 Prozent ein. Währungen wie Forint und Zloty entwerten gegenüber dem Euro, der Schweizer Franken legt stark zu. All das setzt Fremdwährungsschuldnern zu. Erstmals werden auch Risiken aus Klagen und Strafen für Banken mitberücksichtigt. Das trifft vor allem die Deutsche Bank.

Frage: Können Banken durchfallen?

Antwort: Nein. Der Stresstest soll zeigen, welche Banken über vergleichsweise wenig Eigenmittel verfügen. Als Eigenmittel zählen einbezahlte Aktien (oder Genossenschaftsanteile) und von der Bank nicht ausbezahlte Gewinne.

Frage: Keine Durchfaller – wozu dann der Aufwand?

Antwort: EU-Regeln legen fest, über wie viel Eigenkapital eine Bank verfügen muss. Darüber hinaus können die Aufseher jedem Kreditinstitut nach einer individuellen Prüfung zusätzliche Auflagen erteilen. Sie können einer Bank, die viele risikoreiche Geschäfte macht und deshalb ein stärkeres Sicherheitsnetz braucht, untersagen, Dividenden an die Aktionäre auszuzahlen. Die Ergebnisse der Stresstests sollen in diese individuelle Bewertung der Institute einfließen.

Frage: Welche Banken in Europa müssen besonders zittern?

Antwort: Die Nervosität ist in Italien am Größten, wo ein Berg an faulen Krediten auf den Banken lastet. Erwartet wird, dass der Stresstest bei der Monte dei Paschi di Siena, der drittgrößten italienischen Bank, Kapitallücken aufzeigt. In der Bilanz des Instituts befinden sich faule Kredite im Wert von 24,4 Milliarden Euro. Der Stresstest könnte dazu führen, dass die Bank erneut mit Steuergeld (siehe Wissen) gerettet wird. Auch andere Banken wie die Unicredit stehen im Fokus. Angeblich haben die Italiener bei den Aufsehern interveniert, um ein zu schlechtes Abschneiden ihrer Banken und ein Explodieren der Krise zu verhindern. Auch Deutschland soll sich sehr für "seine" Banken, vor allem die krisengeschüttelte Deutsche Bank, ins Zeug gelegt haben.

Frage: Wie geht es den österreichischen Banken?

Antwort: In Österreich werden die Stresstestergebnisse für zwei Banken, für die Erste Group und die RZB-Gruppe, veröffentlicht. Die bekanntermaßen stark in Osteuropa engagierte Erste dürfte im unteren Mittelfeld landen, Raiffeisen (de facto die Raiffeisen Bank International; RBI) wird abgeschlagen auf den hintersten Rängen liegen. Die Krux: das Eigenkapital. Österreichs Banken sind im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich mit Eigenkapital ausgestattet. Die RBI schneidet nicht wegen der Auswirkungen des Stresses so schlecht ab, sondern weil sie schon mit relativ wenig Eigenkapital ins Rennen gegangen ist. Die Bank tut sich schwer mit der Beschaffung von Eigenkapital: Die Aktionäre Landesbanken schießen kein Kapital ein, an der Börse ist der Kurs niedrig, zudem dürfen wegen neuer Regeln die Kapitalteile der Minderheitsbeteiligungen nicht mehr angerechnet werden. Nun schaufelt Raiffeisen Kapital frei. Fusionen im Sektor, Reduzierung des Geschäfts, Anteilsverkäufe wie jener der Uniqa-Beteiligung kommen aber spät.

Frage: Welche Aufseher führen die Tests durch, wie viele Banken werden getestet?

Antwort: Durchgeführt werden die Stresstests 2016 von der Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) in London und der Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. Die EBA soll für eine Harmonisierung bei der Arbeit der Bankenaufseher sorgen. Sie hat 51 Institute getestet, die EZB 56 Institute. Nur für die 51, darunter Erste Group und RZB-Gruppe, werden Ergebnisse am Freitagabend veröffentlicht. Die Banken hatten die Aufgabe, die Stressszenarien selbst auszurechen – EZB und EBA haben ihre Angaben kontrolliert. (András Szigetvari, Renate Graber, 29.7.2016)