Sie werden vom Duft der Menschen angelockt: Je ungewaschener, umso lieber ist es den Gelsen.

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Gelsenstiche gehören zum Sommer wie Sonnenschein und hohe Temperaturen. Manche Menschen werden offenbar besonders oft von den Insekten behelligt, und einzelne Stiche halten sich teils länger als andere. Woher kommen diese Unterschiede?

"In Mitteleuropa gibt es rund 50 verschiedene Stechmücken mit unterschiedlichen Stechgewohnheiten", sagt Horst Aspöck, Professor für medizinische Parasitologie am Institut für Tropenmedizin der Meduni Wien. "Grundsätzlich kann man nicht sagen, dass sie unterschiedliche Beschwerden hervorrufen, aber es gibt Gegenden, in denen von bestimmten, sehr lästige Arten sehr viele vorkommen. Dann fällt das einfach stärker auf."

In Österreich gibt es etwa einen Ost-West-Unterschied: Während im östlichen Teil beispielsweise die Donauauen und das Gebiet um den Neusiedler See gute Entwicklungsbedingungen für die Insekten darstellen, sind die gebirgigen Gegenden der westlichen Bundesländer für sie weniger attraktiv. Hier erreichen sie eher geringere Populationsdichten.

Neigung zu Allergien

Allerdings fällt die Reaktion des Körpers auf Gelsenstiche nicht immer gleich aus. Einerseits spielt die persönliche Ausprägung des Immunsystems eine Rolle: "Manche Patienten neigen mehr zu Allergien, manche weniger", sagt Van Anh Nguyen, Dermatologin an der Universitätsklinik Innsbruck. Dementsprechend falle die Stärke des immunologischen Gegenschlags aus.

Andererseits können auf einen Gelsenstich verschiedene Arten von Allergiereaktionen folgen, erklärt Aspöck: "Die häufigste ist die Typ-I-Reaktion, die Sofortreaktion, die innerhalb von Sekunden abläuft. Wenn man bereits früher von derselben Gelsenart gestochen wurde, besitzt man Antikörper gegen die Proteine des Stechmückenspeichels. Diese sorgen dafür, dass Histamine und andere Mediatoren freigesetzt werden." Histamin ist ein Botenstoff, der an der Einstichstelle die bekannten allergischen Symptome bewirkt: Rötung, Schwellung und Juckreiz.

"Es kann jedoch stattdessen auch eine Typ-IV-Reaktion stattfinden, die nach einem anderen Mechanismus abläuft und bei der erst nach ungefähr einem Tag eine sehr große Schwellung entsteht", sagt Aspöck. Die sei natürlich auch unangenehm, aber nicht gefährlich. "Die medizinisch wichtige Facette sind nicht die Stiche selbst, sondern die Krankheitserreger, die durch sie übertragen werden."

Mehr als Hautreaktionen

Ein großes gesundheitliches Risiko stellen diese vor allem in tropischen Regionen dar, Stichwort Malaria. Auch Dengue- und Gelbfieber sind verbreitete Viruserkrankungen, die durch Mücken übertragen werden und tödlich verlaufen können.

"In Österreich kommt gelegentlich das West-Nil-Virus vor, das wahrscheinlich regelmäßig durch Zugvögel eingeschleppt wird und sich dann vorübergehend etabliert", sagt der Parasitologe. Das Virus kann fieberartige Infekte auslösen und zu Gehirn- und Hirnhautentzündungen führen. "Das Tahyna-Virus steckt häufig hinter der sogenannten Sommergrippe, die in fast allen Fällen spontan nach wenigen Tagen verschwindet." Auch dieser Erreger könne aber das zentrale Nervensystem befallen, gefährdet sind vor allem Personen mit geschwächtem Immunsystem.

Auch Borreliose und FSME können prinzipiell durch Gelsen übertragen werden, wie Forscher kürzlich herausfanden. "Das ist allerdings nicht typisch", sagt Nguyen. Stechmücken sind nur bedingt als Überträger geeignet, "der klassische Weg verläuft über Zecken."

Menschliches Duftbouquet

Umweltbelastungen wie Pestizide oder Abgase könnten womöglich ebenfalls über Gelsen in den menschlichen Körper kommen. "Manche Forscher sind der Auffassung, Umweltgifte gelangen auch in den Speichel der Mücken", so Nguyen. "Dies ist aber sehr umstritten. Viele halten die Konzentration im Speichel für viel zu gering, es konnte bisher nichts nachgewiesen werden."

Ein Unterschied zwischen Menschen, die seltener oder öfter von Gelsen geplagt werden, kann sich durch den individuellen Körpergeruch ergeben. Stechmücken werden zwar in erster Linie von Kohlenstoffdioxid angezogen, doch auch Milchsäure, Proteine und Fettsäuren beeinflussen ihre Richtungswahl. "Das Duftbouquet spielt im Kleinen eine Rolle, ob eine Gelse jemanden sticht oder eher einen anderen Menschen aufsucht", so Aspöck.

Man sollte jedoch vorsichtig damit sein, sich mit seiner anziehenden Wirkung auf Gelsen und vermeintlich "süßem Blut" zu brüsten: "Ein frisch aus der Badewanne kommender Mensch ist viel weniger attraktiv für eine Stechmücke als jemand, der sich einen Tag lang nicht gewaschen hat."

Nicht kratzen – kühlen

Schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass keine Gelse, sondern ein anderes blutsaugendes Insekt für den Stich verantwortlich ist. Bremsen besitzen beispielsweise gröbere Mundwerkzeuge, mit denen sie eine größere Wunde erzeugen. Diese kann nach dem Stich weiterbluten.

Die Versuchung, sich an der betreffenden Stelle zu kratzen, ist oft groß. Dabei besteht nicht nur die Gefahr, das Abheilen zu verzögern: Es können so auch Bakterien in die Wunde gelangen und zu einer Sekundärinfektion führen.

Was hilft also gegen den Juckreiz? Erst einmal kühlen. "Das bewirkt, dass die Gefäße verengt werden und die Schwellung zurückgeht. Auch die Reizweiterleitung wird vermindert, das wirkt gegen den Juckreiz", sagt Nguyen. Ein Effekt, der auch bei vielen Hausmitteln zur Wirkung kommt: "Wenn man zum Beispiel Zwiebeln oder Kartoffeln auflegt, sind das auch nur kühlende Prozesse, die helfen."

Antihistaminika sind ebenfalls wirksam. Diese können von Personen, die besonders oft gestochen werden, auch prophylaktisch eingenommen werden. In manchen Fällen werden bei der Behandlung von Gelsenstichen lokal auch leichte Steroidformen in Form von Salben angewandt, so die Dermatologin: "Das kühlt auch und ist entzündungshemmend." (Julia Sica, 31.7.2016)