Wien – Ein starker Staat steht normalerweise ganz oben auf der Wunschliste der SPÖ. Und umgekehrt wird die Privatisierung von staatlichen Aufgaben in allen Bereichen, wo es um Grundrechte geht, abgelehnt. So steht es zumindest im noch immer gültigen Parteiprogramm von 1998.

Im Bereich der Kinderbetreuung hat sich die Realität in der jüngeren Vergangenheit aber in eine andere Richtung entwickelt. Das wurde zuletzt wieder durch die von der Schließung bedrohten Alt-Wien-Kindergärten deutlich.

Mehr als 342.000 Kinder befanden sich 2014 in Krippen, Kindergärten, Horten und altersgemischte Betreuungseinrichtungen.
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Zwei Drittel privat

In der Bundeshauptstadt werden zwei Drittel aller Betreuungseinrichtungen von Privaten betrieben. In keinem anderen Bundesland gibt es einen derart hohen Anteil, wie Zahlen der Statistik Austria (bis zum Jahr 2014) zeigen. Untersucht wurden Krippen, Kindergärten, Horte und altersgemischte Betreuungseinrichtungen.

Einen Privatanteil von mehr als 50 Prozent hat sonst nur noch Kärnten. Im Burgenland wiederum werden 92 Prozent der Kindertagesheime von der öffentlichen Hand – in der Regel den Gemeinden – geführt, in Niederösterreich liegt der öffentliche Anteil bei knapp 88 Prozent, wie diese Grafik zeigt:

Viel weniger Privatschüler

Im schulischen Bereich spielt die öffentliche Hand eine viel größere Rolle. So besuchten österreichweit zuletzt nur zehn Prozent aller Schüler eine Privatschule. In Wien ist zwar auch dieser Anteil höher, 17 Prozent Privatschüler sind aber dennoch meilenweit von den Quoten bei den Kleinkindern entfernt.

Wobei privat Politiknähe nicht ausschließt. Der größte private Kindertagesheimträger sind in Wien nämlich die SPÖ-nahen Kinderfreunde. Laut Stadt decken sie 13 Prozent des Angebots ab. Dahinter folgen die katholischen Kindertagesheime, die St. Nikolaus Stiftung und die Kinder in Wien mit je sechs Prozent.

Wie hoch der Anteil an Vereinen und katholischen Trägern in den einzelnen Ländern ist, zeigt diese Grafik:

Kritik an "islamischen Kindergärten"

Während sich FPÖ und ÖVP vor allem an "islamischen Kindergärten" stoßen, verteidigt Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) den hohen Anteil an Privaten: Einerseits handle es sich um eine "historische Entwicklung" , wie eine Sprecherin erklärt. "Die privaten Kindergärten sind zu einem großen Teil Trägerorganisationen, die bereits seit Jahrzehnten verlässliche PartnerInnen der Stadt sind."

Zum anderen würden die Eltern "die Wahlfreiheit durch das vielfältige Angebot" schätzen. Da es "sehr individuelle Wünsche und Vorstellungen" gebe, was eine Bildungseinrichtung bieten solle, sieht man private Einrichtungen im Vorteil.

Starker Anstieg seit 2000

Deren Zunahme ging in Wien jedenfalls mit einem generellen Ausbau des Angebots einher. Zwischen 2000 und 2014 ist die Zahl der Betreuungseinrichtungen um 75 Prozent gestiegen, nur Vorarlberg und Kärnten weisen ähnlich hohe Wachstumsraten auf.

Bei der Vergabe von Förderungen lief dabei nicht immer alles ideal. Schon lange vor der aktuellen Causa Alt-Wien wies der Stadtrechnungshof darauf hin, dass die Mittelvergabe teilweise zu wenig oder zu lasch geprüft wurde – der STANDARD berichtete.

Hohe Betreuungsquoten

Bei den Betreuungsquoten liegt Wien jedenfalls noch immer im Spitzenfeld. Bei den Vier- beziehungsweise Fünfjährigen erreichen mittlerweile zwar alle Bundesländer de facto eine Vollversorgung, bei den noch jüngeren gibt es aber deutliche Unterschiede.

Hoher Anteil bei den Kleinen

So befinden sich in Wien bereits 73 Prozent der zweijährigen Kinder in einer Betreuungseinrichtung. Die meisten anderen Länder weisen hier Quoten von deutlich unter 50 Prozent auf. Schlusslicht war im Jahr 2014 die Steiermark mit 25,5 Prozent. Und selbst bei den Einjährigen gibt es in Wien eine Betreuungsquote von 43 Prozent (der Österreich-Schnitt liegt bei nur 19,9 Prozent).

Ähnliche Trends zeigen sich bei den Öffnungszeiten. Während die meisten Kindertagesheime in den anderen Ländern sechs bis zehn Stunden pro Tag offen haben, hat der überwiegende Teil in Wien zehn oder mehr Stunden offen.

Die Zahl der Schließtage liegt in der Bundeshauptstadt bei nur 3,4 Tage pro Jahr. Überall sonst sind die Einrichtungen mindestens 20 Tage, in Vorarlberg sogar 47 Tage geschlossen.

(Günther Oswald, 30.7.2016)