Will mit dem ORF "aus der Komfortzone": Richard Grasl will am Küniglberg nach oben.

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Will aus dem ORF ein Social-Media-Haus machen: Alexander Wrabetz kämpft um eine dritte Amtszeit.

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Am 9. August entscheiden 35 Stiftungsräte, wer Österreichs größtes Medienunternehmen ab 2017 führt. Von acht Bewerbern dürfen sich zwei realistische Chancen auf den Job des ORF-Generaldirektors ausrechnen. Alexander Wrabetz will eine dritte Amtszeit an der Spitze des Küniglbergs, sein Kontrahent, der jetzige ORF-Finanzchef Richard Grasl, eine solche verhindern. Um sich die Stimmen von Stiftungsräten – und deren Parteiinteressen dahinter – zu sichern, verteilen beide Kandidaten im Vorfeld eifrig Wahlzuckerln.

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Alexander Wrabetz: Rudern für das Leitmedium

Neuneinhalb Jahre führt Alexander Wrabetz den ORF als Generaldirektor, in den nächsten fünf Jahren verspricht er nun, ihn als "Leitmedium" zu positionieren. Das hält er in seinem 119-seitigen Bewerbungskonzept fest, das ihm eine dritte Amtszeit sichern soll. Ein wichtiger Baustein soll die Neuausrichtung von ORF 1 sein. US-amerikanische Kaufware, die weite Teile des Programms dominiert, soll reduziert werden. Im Gegenzug kündigt Wrabetz an, die Infoschiene des Senders auszubauen.

Flaggschiff soll eine tägliche, bis zu 60 Minuten lange "News-Show" werden mit Social-Media-Implikationen. Arbeitstitel: @1. Geplant sind weiter ein crossmediales Format für Medienkompetenz sowie neue Satire- und Comedysendungen, mit denen etwa Privatsender reihenweise bei Zusehern punkten. ORF 2 soll die neue Dokureihe Österreich 4.0 – Zukunft in Europa bekommen und eine monatliche Diskussionssendung für Weltpolitik, moderiert von Raimund Löw. Ein neues Korrespondentenbüro ist in Afrika geplant.

Der Spartensender ORF 3 soll wie berichtet mit mehr Budget gefüttert werden – 20 Millionen Euro nach aktuell 13 Millionen jährlich. Das Zusatzgeld soll etwa in ein neues Wissenschaftsmagazin fließen.

Einen weiteren ORF-Kanal hält Wrabetz im Gegensatz zu Konkurrenten Richard Grasl derzeit nicht für realisierbar.

Mehr Geld verspricht er hingegen der österreichischen Filmwirtschaft mit 105 Millionen im Jahr 2018 nach aktuell 95.

ORF Sport Plus könnte künftig auch "Premium-Sport" zeigen. Dafür bräuchte es allerdings eine Änderung des ORF-Gesetzes.

Das Angebot von ORF On soll personalisiert werden. Mit einem eigenen Programm-Guide, der inhaltliche Selektion nach Präferenzen ermöglicht – "My ORF" hat er bereits vor zweieinhalb Jahren angekündigt. Online soll rund um die Uhr auf bewegte Bilder setzen.

Geht es nach Wrabetz dann soll der ORF zu einem Social-Media-Haus mutieren. Wie berichtet soll ein eigener Youtube-Kanal kommen. Die Medienbehörde KommAustria prüft das Ansinnen.

Mit mehr Autonomie und Programm in den Landesstudios möchte Wrabetz die Landeshauptleute bedienen. Dazu gehören flexiblere Budgets und mehr Regionalität, die es zum Beispiel mit der Sendung "Zu Gast in Österreich" geben soll – in Verbindung mit einer Quizshow.

Für den Videodienst Flimmit kündigt er an, ihn von einem kostenpflichtigen Angebot zu einer Plattform ohne Bezahlschranke zu machen.

Im Radio liegt der Schwerpunkt auf Ö1: mit einer Reform des Programmschemas, einer Imagekampagne, neuer App und Webseite.

Bei den Direktionen möchte Wrabetz an der Kaufmännischen-, Technischen- und der Radiodirektion festhalten. Die Fernsehdirektion soll zur Programmdirektion und multimedial definiert werden. Die bisherige TV-Direktorin Kathrin Zechner möchte Wrabetz wie sein Mitbewerber Richard Grasl weiter im Team haben.

In der Generaldirektion soll ein Chief Digital Officer installiert werden. Er ist zuständig für die Onlinestrategie, neue Medien und die Entwicklung neuer digitaler und mobiler Kanäle. Das könnte etwa Thomas Prantner sein, der als Onlinechef bisher in der Technischen Direktion ressortiert und als Verbindungsmann zur umkämpften Stimme des FPÖ-Stiftungsrats Norbert Steger gesehen wird.

Die im ORF-Gesetz vorgesehene Alleingeschäftsführung soll durch eine neue Geschäftsordnung aufgeweicht werden. Strategische Entscheidungen sollten demnach gemeinsam im Board der Direktoren getroffen werden, so Wrabetz, wobei der Generaldirektor bei Gleichstand ein Dirimierungsrecht hat.

Neben jetzt Ö3, FM4 und ORF 3 soll künftig auch bei ORF 1, ORF 2 und Ö1 eine Channelstruktur implementiert werden. Neben den Channelmanagern soll es auch Channel-Chefredakteure geben. Organisatorisch soll die neue Struktur in der Generaldirektion angesiedelt sein.

Gestärkt werden sollen die Redakteursrechte, indem Mitarbeiter ihre Chefs beurteilen. Von einer Abwahlmöglickeit von Vorgesetzten, von der Wrabetz erst im Mai in einem STANDARD-Interview sprach, dürfte nicht mehr die Rede sein. Die Details möchte Wrabetz mit dem ORF-Redakteursrat ausarbeiten.

Erhöht werden soll der Frauenanteil in Führungsjobs. Derzeit gibt es mit Zechner eine zentrale Direktorin und mit Karin Bernhard (Kärnten) und Brigitte Wolf (Wien) zwei Landesdirektorinnen. (omark, 29.7.2016)

Richard Grasl: Mehr Joggen als Rafting

"Große Dinge kommen niemals aus der Komfortzone" betitelt Richard Grasl seine Bewerbung für den Job des ORF-Generaldirektors. 168 Seiten und drei Kapitel ("Herz", "Haltung", "Herausforderungen") umfasst Grasls Bewerbung. "Mehr Qualität" schlägt er für Programm, Governance und Struktur vor und hofft damit auf mehr als die ihm zugerechnete bürgerliche Unterstützung. Die Eckpunkte einer Bewerbung, die – gemessen an der Komfortzone – eher moderaten Dauerlauf als rasante Raftingtouren verspricht:

Eine "Informationsoffensive" schwebt Grasl für ORF 1 und ORF 2 vor: Die "ZiB" um 19.30 will er um fünf Minuten verlängern, Kurzsport sieht er wieder auf ORF 1. Talkformate und Magazine auf ORF 1 verspricht Grasl auszubauen, die inhaltliche Trennung von ORF 1 als eher jugendorientiertem Kanal und ORF 2 fürs ältere, informationsaffine Publikum aufzuweichen. Damit liegt der ORF-Bewerber gegen den internationalen Trend, der in Richtung schärferer inhaltlicher Konturen bei Kanälen geht. Setzt Grasl das um, kehrt er zurück zu einem ORF unter Gerd Bacher vor Gerhard Zeilers großer Programmreform 1995.

Drei neue Korrespondentenbüros will Grasl in den USA, Südamerika und Afrika eröffnen und fünf Minuten Regionalnachrichten nach der "ZiB 2" einführen.

Beim Frühstücksfernsehen will Grasl das mobile Studio in die Garage stellen. Zum Einsatz soll es nur noch in "Bundesland heute" kommen. "Guten Morgen Österreich" will Grasl nur noch vom Küniglberg aus senden, der regionale Charakter soll erhalten bleiben. Unterhaltung bietet Grasl mit Ideen zu einer Show für Freitag- oder Samstagabend, einer zweiten Comedyleiste auf ORF 1 nach dem Vorbild der "Heute-Show" im ZDF und Rankingshows an.

Ein Medienmagazin reicht Grasl für Fernsehen und Radio ein. Ein solches machte sich auch schon bei Mitbewerber Wrabetz immer wieder gut. Monothematisch soll ein geplantes Wochenmagazin zu 45 Minuten sein. Grasl kann sich Recherchepartnerschaften vorstellen. Als Vorbild zu einer Talente- und Crowdfundingshow gilt ihm das britische Talenthouse. So weit müsste er gar nicht schauen – Puls 4 und ProSieben könnten ebenso dienen. Schwerpunkte, die Wrabetz einführte, will Grasl fortsetzen, etwa 2017 "Zusammenleben in Österreich".

Radios neu positionieren will Grasl mit dem neuen Radiodirektor, das könnte nach STANDARD-Infos zum Beispiel Patricia Pawlicki sein, wird am Küniglberg spekuliert. Die Zurückhaltung des ORF beim Digitalradio will Grasl aufgeben und sich mit Infokanal sowie Kinder- und Jugendradio bewerben.

24/7-"ZiB"-Kanal

Das digitale Konzept besteht im Wesentlichen darin, Onlinechef Thomas Prantner zu stärken (und sich womöglich die volatile Stimme von FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger zu holen). Zudem will Grasl einen digitalen 24/7-"ZiB"-Kanal mit aktuellen Nachrichten in Endlosschleife als Vorstufe zu einem Newsfernsehkanal, wie ihn etwa ProSieben und N24 noch heuer für Österreich ankündigen. Um den zu starten, braucht es zuerst eine Gesetzesänderung.

Unternehmensentscheidungen trifft ein Vorstand aus vier Programmdirektoren (TV-Information, TV-Programm, Radio und Digital) und dem Generaldirektor gemeinsam. Grasl will als Minimum ein Vieraugenprinzip, jedenfalls keine Alleinentscheidung. Jeder Direktor kann mit eigenem Antrag zum Chef, wenn nur einer dagegen ist, wird dem Stiftungsrat berichtet. Garantiert mehr Transparenz, aber auch längere Dienstwege.

Mehr Kilometer machen müssen die Mitarbeiter, die einige Hierarchien mehr durchlaufen werden müssen. Jedem Programmdirektor sind Channelmanager für TV- und Radiokanäle mit Chefredakteuren unterstellt. Beim TV-Informationsdirektor sind sich Grasl und Wrabetz offenbar einig: Innenpolitikchef Hans Bürger soll nach STANDARD-Infos bei beiden erste Wahl für die jeweils höchste Infofunktion sein.

Im Falle seiner Bestellung plant Grasl die Wiedereinführung des ORF-Generalsekretärs, der in der Vergangenheit stets eine Schnittstelle zur Politik war. Grasl bestätigte entsprechende APA-Infos und betonte zugleich, dass es sich dabei nicht wie früher um eine politisch besetzte Funktion handeln werde.

Sportlich fairer Hinweis des ORF-Bewerbers: Das im ORF-Gesetz vorgesehene Weisungsrecht will Grasl generell nicht ausüben, und wenn doch, werde der Stiftungsrat davon in Kenntnis gesetzt.

Eine Frauenquote ist im Konzept von Richard Grasl nicht enthalten, "jedenfalls ein höherer Prozentsatz als jetzt" schwebt ihm vor. Einzige Fixstarterin im Team ist Fernsehdirektorin Kathrin Zechner. (prie, 29.7.2016)