Präsidentschaftskandidat Trump will die mexikanische Grenze zu Mexiko komplett mit einer Mauer abriegeln

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Dass Donald Trump kein guter und vor allem kein berechenbarer Präsident der USA wäre, ist evident und bedarf keiner großen Erörterungen. Was aber doch ein wenig erstaunt und befremdet, ist das Ausmaß an Unverständnis, mit dem die Mehrzahl unserer Medien seinen scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg innerhalb der republikanischen Partei und dann in der allgemeinen Wählerschaft kommentiert hat.

Erst als der Kandidat bereits gekürt war, begannen die Eingeständnisse, er habe wohl den im Abstieg befindlichen weißen Mittelschichten erfolgreich nach dem Munde geredet, deren Ängste ausgenützt etc.

Zuwanderungskritische Position

Im Klartext heißt das, dass ein zentrales Element von Trumps Kampagne wohl seine zuwanderungskritische Position war, die in Äußerungen wie dem (ziemlich unrealistischen) Versprechen, an der Südgrenze der USA auf Kosten Mexikos eine riesige Mauer errichten zu lassen, zum Ausdruck kam.

Unwillkürlich fällt einem dazu aus Studienzeiten der Ausdruck "funktionales Äquivalent" ein. In der soziologischen Systemtheorie wird so eine Institution genannt, die ein gegebenes soziales Problem anspricht, wenn aus irgendwelchen Gründen die eigentlich dafür "zuständige" Institution sich nicht darum kümmert oder nicht (mehr) dazu in der Lage ist, weil sie allzu sehr geschwächt ist.

Schwäche der Gewerkschaften

Und es wird einem schmerzlich klar: Die zuwanderungskritische Position, die im demokratischen System eigentlich von den Gewerkschaften zum Schutze ihrer Mitglieder kraftvoll vertreten gehört hätte, ist durch die aktuelle Schwäche, ja das Nicht-mehr-Existieren der traditionellen Arbeiterbewegung vakant geworden.

Und in dieses Vakuum stößt die rechte Propaganda.

Es ist hier nicht der Ort, um sich über die Gründe der fatalen Schwächung der europäischen Gewerkschaften in den letzten Jahrzehnten zu verbreiten. Wo sie eine starke Position hatten, haben sie diese zum Teil missbraucht und leichtfertig verspielt (etwa durch sogenannte "Betriebskaiser"), zum Teil hat man auch versucht, sie zu korrumpieren.

Rechte Volksredner

Tatsache ist, dass sie als Institution vielleicht die Einzigen waren, die eine zivilisierte einwanderungskritische Position vertreten hätten können. Aber aufgrund ihrer Schwäche ist die Position des Vertreters der eigenen Leute den Volksrednern der Rechten zugefallen.

Der Fall ist vergleichbar der Weltwirtschaftskrise, als anlässlich der entscheidenden Reichstagswahlen von 1932 in Deutschland nicht die Linke ein großes Programm der Arbeitsbeschaffung vorlegte, sondern die NSDAP. (Robert Schediwy, 3.8.2016)