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Sitzungen am Abend, Termine am Wochenende, kein Mutterschutz: Der Beruf Bürgermeisterin lasse sich kaum mit einer Familie vereinbaren, kritisiert der Gemeindebund.

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Grafik: Der Standard

Wien – Sonja Ottenbacher gibt dem Querschnitt ein Gesicht: blonder Kurzhaarschnitt, freundliche Augen, bestimmt im Ton. Sie ist 55 Jahre alt, verheiratet, hat eine Ausbildung als diplomierte psychatrische Krankenschwester abgeschlossen, war einst Vizebürgermeisterin und gehört der ÖVP an. Ottenbacher ist Ortschefin der Salzburger 1600-Einwohner-Gemeinde Stuhlfelden – und wie eine aktuelle Erhebung des Gemeindebundes zeigt, ist sie, schaut man auf ihren Lebenslauf, die typische österreichische Bürgermeisterin.

Am Donnerstag wurde sie von der Kommunenvertretung nach Wien geladen, als Fürsprecherin der "seltenen Spezies", der sie angehört, wie sie es nennt. Österreich hat in Summe 2100 Gemeinden. 146, also etwa sieben Prozent, werden von Frauen geleitet. "Es ist wichtig, dass nun endlich Zahlen und Fakten vorliegen, denn es gibt viele Gründe, die Frauen davon abhalten, Bürgermeisterin zu werden", sagt Ottenbacher.

Termine abends und am Wochenende

Das größte Hindernis, das betont auch Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer, ist wohl, dass sich der Job kaum mit einer Familie vereinbaren lässt: Da die meisten Gemeindefunktionäre berufstätig sind, finden Gemeinderatssitzungen fast immer abends statt, Termine am Wochenende sind vielerorts die Norm, Hausbrände, Murenabgänge, Überschwemmungen – Katastrophen wie auch kleine Unglücke im Ort verlangen spontane Einsatzbereitschaft des Gemeindeoberhaupts.

Darüber hinaus sind Bürgermeisterinnen keine angestellten Beamtinnen. Das bedeutet: kein Mutterschutz, keine Möglichkeit auf Karenz. "Diese Rechte müssen unbedingt bundeseinheitlich festgeschrieben werden", fordert Mödlhammer. "Derzeit streben Frauen meistens erst dann das Amt an, wenn die Familienplanung abgeschlossen ist." Aktuell sind gerade einmal vier Prozent der Bürgermeisterinnen jünger als vierzig, dafür siebzig Prozent von ihnen älter als fünfzig Jahre.

Nur vier Ortschefinnen in Salzburg

Immerhin: In den vergangenen 17 Jahren, Mödlhammers Funktionsperiode, habe sich der Frauenanteil unter Bürgermeistern verdreifacht. "Wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, hätten wir in dreißig Jahren Gleichstand", sagt er. Sein Ziel sei es, dass im Jahr 2021 zumindest zehn Prozent der Amtsinhaber weiblich sind.

Schon jetzt ist das in Niederösterreich der Fall. Dort ist etwas mehr als jeder zehnte Ortschef eine Frau. "Das liegt auch daran, dass es dort keine Bürgermeisterdirektwahl gibt, die schreckt viele Kandidatinnen ab" , sagt Mödlhammer. Am stärksten von Männern dominiert ist das Bundesland Salzburg, das 119 Gemeinden hat, aber gerade einmal vier Bürgermeisterinnen verzeichnet.

Soziale Absicherung "wenig zufriedenstellend"

An der Befragung des Gemeindebunds haben 101 – also mehr als zwei Drittel aller – Ortschefinnen teilgenommen. Fast die Hälfte von ihnen bezeichnet ihre soziale Absicherung als "wenig zufriedenstellend". Acht von zehn Bürgermeisterinnen beklagen "zu wenig Freizeit". Über die Umstände ihrer Kandidatur sagt mehr als die Hälfte der Frauen, dass es sich "so ergeben" habe oder dass sie überredet wurden. Nur elf Prozent hätten das Amt aktiv angestrebt.

Kürzlich sorgte ein Fall aus Vorarlberg für Aufsehen. In der Ortschaft Egg wurde eine junge Frau von ihrer Fraktion einstimmig als neue Bürgermeisterin nominiert, nach wenigen Tagen zog sie sich allerdings aus der Politik zurück, da sie plötzlich zahlreichen anonymen Beschimpfungen ausgesetzt war. Kerninhalt: Als Mutter von drei Kindern könne sie das Amt nicht ausüben. "Ich glaube nicht, dass Frauen häufiger Anfeindungen ausgesetzt sind als Männer", sagt Ottenbacher. "Aber zu Beginn der ersten Legislaturperiode wird man schon sehr kritisch beäugt" , erinnert sie sich.

"Bürger wollen keine Streitereien"

Zumindest auf zweiter und dritter Ebene steigt der Frauenanteil kontinuierlich: 24 Prozent der Gemeinderäte und knapp 16 Prozent der Vizebürgermeister sind inzwischen weiblich. "Anfänglich wurde mir vorgehalten, ich sei zu sozial", erzählt Ottenbacher. "Aber das kommt an, die Bürger wollen keine Streitereien mehr. In anderen Berufen kann man sich die Kollegen auch nicht aussuchen." (Katharina Mittelstaedt, 4.8.2016)