Thomas Drozda hat einen turbulenten Amtsantritt zu bewältigen. In Sachen Burgtheater will er sich nicht mehr wiederholen müssen.

Foto: urban

Beim Belvedere entschied sich der Kulturminister für einen völligen Neustart. Die Bundesmuseen sollen gründlich reformiert werden.

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Wien – Seit gut zwei Monaten ist Thomas Drozda in Amt und Würden. Zur Ruhe kommt der Minister seither kaum. Nach kritischen Medienberichten über seine Zeit als kaufmännischer Geschäftsführer im Burgtheater musste er sich zuerst einmal selbst erklären. Entsprechend ungehalten reagiert er mittlerweile auf "die immer gleichen Fragen", wie er sagt. In einer schwierigen Lage befand sich Drozda auch in der Causa um Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco. Seine Entscheidung, ihren Vertrag wegen Verstößen gegen Compliance-Regeln nicht zu verlängern, bringt ihm viel Zuspruch, aber auch Kritik.

STANDARD: Haben Sie sich Ihren Amtsantritt anders vorgestellt?

Drozda: Nicht wirklich – wobei ich mir die Neubestellung im Belvedere anders vorgestellt hätte. Wir hätten schon eine Pressekonferenz zur Vertragsverlängerung vorbereiten wollen, um die Verdienste Agnes Hussleins zu würdigen. Dann hat das eine Wendung genommen, die niemand so antizipiert hatte.

STANDARD: Sie wurden gleich zu Beginn der Amtszeit auch mit Ihrer Burgtheater-Vergangenheit konfrontiert. Die sogenannte Abzugssteuer für ausländische Beschäftigte wurde auch in Ihrer Zeit nicht eingehoben. Das haben Sie nicht mitzuverantworten?

Drozda: Ich kann gerne die immer gleichen Fragen mit den immer gleichen Antworten versehen. Faktum ist: Ich habe das Burgtheater 2008 in konsolidiertem, finanziell solide aufgestelltem Zustand übergeben. Nach meiner Zeit wurden innerhalb von vier Jahren 25 Millionen Euro Eigenkapital vernichtet. Im Zuge der Untersuchungen hat sich dann herausgestellt, dass auch vor 2008 in dem einen oder anderen Fall keine korrekten Belege für Auszahlungen vorgelegen sind. Der kaufmännische Geschäftsführer ist aber weder Prokurist noch der Leiter der Personalverrechnung, Buchhaltung oder des Rechnungswesens.

STANDARD: Sie hatten kein Vieraugenprinzip wahrzunehmen?

Drozda: Das Vieraugenprinzip gilt sowohl auf der Ebene der Geschäftsführung als auch in den einzelnen Abteilungen. Wenn, dann hätte das dort auffallen müssen. Zudem gab es im Jahr 2008 eine Steuerprüfung, bei der nichts beanstandet wurde.

STANDARD: Im Burgtheater-Skandal ortete man Kontrollprobleme zwischen Bühne, Holding und Ministerium. Erinnert Sie das nicht an die jetzige Situation im Belvedere?

Drozda: Kontrollprobleme orte ich beim Belvedere auch, ja. Berichtswesen und Controlling müssen verbessert werden. Deshalb habe ich ein "Weißbuch" beauftragt, in dem es festzustellen gilt, ob und wie die Bundesmuseen strukturell neu aufzustellen sind. Ansonsten glaube ich, dass es keinen Sinn macht, weitere Parallelen herzustellen.

STANDARD: Sind bei der Ausgliederung der Theater und Museen Konstruktionsfehler passiert?

Drozda: Der Konstruktionsfehler war bei beiden, dass es keine Valorisierung (automatische Inflationsanpassung der Subventionen, Anm.) gibt. Das halte ich für das größte Problem. Bei den Bundestheatern ist die Ausgliederung prinzipiell gut gelungen, weil man Synergien herstellen konnte, etwa beim gemeinsamen Einkauf von Karten, gemeinsamen Abo-Systemen oder der Produktion von gemeinsamer Dekoration und Kostümen. Bei den Museen orte ich Synergiepotenziale.

STANDARD: Als Eigentümervertreter haben Sie nicht einmal über Protokolle der Kuratoriumssitzungen im Belvedere verfügt. Ist das nicht fahrlässig?

Drozda: Mit dem juristischen Begriff der Fahrlässigkeit wäre ich vorsichtig. In jedem Fall ist das nicht befriedigend, ja. Es ist notwendig, einheitliches Controlling sicherzustellen.

STANDARD: Die Neuausschreibung im Belvedere erfolgt nun offiziell wegen Compliance-Verstößen der Direktorin. Inwiefern haben auch ethisch-moralische Vorwürfe, etwa schlechter Umgang mit Mitarbeitern, eine Rolle gespielt?

Drozda: Ich habe mich für eine grundsätzliche Neuaufstellung im Belvedere entschieden. Diese Neuaufstellung umfasst alle wichtigen Organe, aber auch strukturelle Verbesserungen, dazu gehören auch ein modernes Personalmanagement und Personalentwicklung. Man muss hier also keine personelle Antwort, sondern eine strukturelle geben.

STANDARD: Zunächst haben Sie die Vorwürfe für nicht gravierend erachtet. Warum haben Sie nach einer Sonderuntersuchung der Wirtschaftsprüfer BDO umgeschwenkt?

Drozda: Sie sprechen hier von zwei verschiedenen Sachverhalten: Vor rund zwei Wochen hatte ich zu entscheiden, ob eine Abberufung erfolgen muss. Dafür gab es keine juristischen Gründe, auch weil etwaige Entlassungsgründe verwirkt waren. Das wurde vom Kuratorium empfohlen. Von diesem Kuratoriumsbeschluss hätte ich nur abweichen können, wäre "Gefahr in Verzug gewesen". Das andere ist die Vertragsverlängerung um fünf Jahre. In diesem Punkt habe ich für eine Neuaufstellung plädiert.

STANDARD: Hat der Druck der öffentlichen Meinung eine Rolle gespielt?

Drozda: Nein, das hat mich nicht beeindruckt. Es gab lange Proponentenlisten, die dafür waren, und lange Listen, die dagegen waren. Manchmal gibt es Entscheidungen im Leben, die im Ergebnis nur schwarz oder weiß sein können. Ich persönlich habe auf Basis der Fakten gut überlegt und bin zu der Einschätzung gekommen, dass es einen Neustart braucht.

STANDARD: Waren für Sie Leistungen und Verfehlungen abzuwiegen, oder ist das irrelevant?

Drozda: Im Grunde genommen ist das immer eine Gesamtbewertung. Aber ich denke, es ist im Sinne des Hauses, die Diskussion über Compliance zu beenden und die Diskussion über Ausstellungen zu führen.

STANDARD: Was sagen Sie Sponsoren und Leihgebern, die drohten, ihr Engagement zu beenden?

Drozda: Dass Frau Husslein besonders tüchtig war und den Umgang mit Sponsoren und Leihgebern mit Begeisterung und Leidenschaft gepflegt hat, ist evident. Aber es gibt auch in anderen Museen Sponsoren und Leihgeber. Daher bin ich sicher, dass wir eine erstklassige Person mit ähnlichen Qualitäten finden werden.

STANDARD: Wie haben Sie denn Agnes Hussleins Aussendung aufgenommen, in der sie das Compliance-Eingeständnis deutlich abgeschwächt hat und sagt, sie sei dazu gezwungen worden?

Drozda: Ich finde, dass jemand, der sich ungerecht behandelt fühlt, seine Sicht der Dinge auch sagen können soll. Das ist legitim.

STANDARD: Die verschickte Aussendung wurde als "persönliches Schreiben" Agnes Hussleins gekennzeichnet und über den Belvedere-Verteiler versendet. Ist nicht auch das eine Compliance-Verfehlung? Frau Husslein ist nicht das Belvedere.

Drozda: Im Detail ist es nicht mein Job, darauf einzugehen. Frau Husslein war zehn Jahre eine sehr erfolgreiche Direktorin. Dass sie auf diesem Weg sagt, was ihre Haltung dazu ist, empfinde ich nicht als skandalösen Vorgang.

STANDARD: Der Kuratoriumsvorsitzende Hans Wehsely trat wegen der überbordenden Kosten von 130.000 Euro für die Überprüfung der Compliance-Vorwürfe zurück. Wer wird die zurückzahlen müssen?

Drozda: Wir müssen uns das juristisch ansehen. Ich bin ob der hohen Summe einigermaßen fassungslos. Die neue Kuratoriumsvorsitzende wird das jetzt hinterfragen und auch noch einmal die Summe verhandeln.

STANDARD: Warum wurde der ausführliche Bericht der Wirtschaftsprüfer BDO nicht veröffentlicht, sondern lediglich eine sechsseitige Zusammenfassung, ein Handout?

Drozda: Wir haben alle uns vorliegenden Unterlagen und Berichte veröffentlicht. Ich habe von der ersten Minute an für Transparenz plädiert. Ich kann mich ja nicht als Verfassungsminister hinstellen und für Informationsfreiheit eintreten, und im eigenen Bereich halte ich Dinge zurück!

STANDARD: Die Compliance-Regeln sehen auch vor, dass Mitarbeiter teils verpflichtet sind, Verstöße zu melden. Nun sind Leute, die Verstöße gemeldet haben, gekündigt worden, die "Täter" bleiben im Amt – ist das nicht eine schiefe Optik?

Drozda: Es gibt jetzt mit Dieter Bogner eine Doppelgeschäftsführung, und er wird sich gemeinsam mit der Kuratoriumsvorsitzenden all diese Personalentscheidungen ansehen und hinterfragen.

STANDARD: Sie haben bei Ihrem Amtsantritt von einem "New Deal" für kleinere Kultureinrichtungen gesprochen. Können Sie das konkretisieren?

Drozda: Damit kommen wir endlich zu dem Teil, der etwas mit Zukunft zu tun hat. Mir ist wichtig, die Situation von Künstlerinnen und Künstlern zu verbessern. Daher habe ich die Stipendien erhöht. Und die positive Reaktion von Künstlerinnen und Künstlern hat mich sehr bestärkt. Ich wollte etwas tun, das 1:1 bei den Kunstschaffenden ankommt.

STANDARD: Sie wollen Valorisierungen erreichen und gleichzeitig mehr Geld für Kleinere ausschütten. Dafür braucht es höhere Kulturbudgets. Wie zuversichtlich sind Sie für die Budgetverhandlungen im Herbst?

Drozda: Ich möchte Budgetverhandlungen nicht so anlegen, dass ich Regierungskollegen etwas über die Medien ausrichte. Aber wenn Sie mich nach meiner Agenda fragen, dann ist die Valorisierung ein Ziel. Ankündigen kann ich prinzipiell aber nur Dinge, für die ich auch die Finanzierung sichergestellt habe, wie etwa die Stipendien.

STANDARD: Warum ist man beim Haus der Geschichte wieder auf der Bremse? Ziert sich der Finanzminister?

Drozda: Ich kann nur für mich sprechen. Und ich warte jedenfalls auf meine Budgetverhandlungen mit dem Finanzminister. Es geht um ein Volumen von 50 Millionen Euro, und da muss man die genaue Finanzierung diskutieren.

STANDARD: Bei den Salzburger Festspielen haben Sie den Neoliberalismus gegeißelt. Wie wollen Sie da kulturpolitisch gegensteuern?

Drozda: Ich glaube, es ist ein Problem, wenn man zwar wortreich die Spaltung der Gesellschaft beklagt, aber nicht die Ursachen dessen benennt. Durch eine Totalliberalisierung der Finanzmärkte erodiert mittlerweile die Mittelschicht. Und Zukunftsängste hemmen das Wirtschaftswachstum. Kulturpolitisch muss man die gesellschaftskritische Haltung und soziale Position von Künstlern stärken. Zu diesem Zweck soll auch das Ministerium zu einem offenen Haus für Diskussionen werden.

STANDARD: Ihr Vorgänger Josef Ostermayer wollte sich mit dem Haus der Geschichte politisch verwirklichen. Woran soll man sich denn in Ihrem Fall erinnern?

Drozda: Die Frage wird man mir am besten nach zwei Legislaturperioden stellen. Eine Sache ist sicher, dafür zu sorgen, dass ein offenes Klima und bessere Diskussionskultur herrscht. Und im ökonomischen Bereich möchte ich die Valorisierung schaffen. Damit die Häuser finanziell und ihre Mitarbeiter sozial abgesichert sind. (Stefan Weiss, 5.8.2016)