Die Schweizer Studie ergab, dass sich Kinder mit einem guten Verhältnis zu Lehrern um 38 Prozent weniger aggressiv verhielten.

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Zürich – In einer bisher einzigartigen Langzeitstudie hat ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der ETH Zürich untersucht, wie sich die Beziehung zur Lehrperson auf das Sozialverhalten von Kindern und Teenagern auswirkt. Demnach reduziert ein gutes Lehrer-Schüler-Verhältnis deutlich die Aggressivität.

Dass sich eine positive Beziehung zur Lehrerin oder zum Lehrer auch positiv auf das Sozialverhalten von Kindern auswirkt, scheint auf den ersten Blick nicht überraschend. Bei all den Einflüssen, denen Kinder sonst noch ausgesetzt sind, ist der Effekt dieser Beziehung aber alles andere als einfach nachzuweisen und zu erforschen.

Mehr als tausend Schüler befragt

Ein Team aus Wissenschaftern unter Leitung der Cambridge University und mit Beteiligung der ETH Zürich hat sich dieser schwierigen Aufgabe gestellt, wie die Hochschule am Dienstag mitteilte. Dafür verwendeten sie Daten von mehr als 1.400 Züricher Kindern aus der Langzeitstudie "z-proso", die ab ihrem Eintritt in die Schule im Jahr 2004 regelmäßig befragt wurden.

In den Fragebögen sollten die Kinder unter anderem ihr eigenes Sozialverhalten bewerten und beispielsweise angeben, wie oft sie andere geschlagen, gebissen oder getreten hatten oder wie oft sie andere zu trösten versuchten, die traurig waren oder sich verletzt hatten. Außerdem befragten die Forscher die Eltern und Lehrpersonen zum Verhalten der Kinder.

Lehrerwechsel als Parameter

Um allein den Effekt der Beziehung zur Lehrperson auf das Sozialverhalten zu ermitteln, machten sich die Wissenschafter den Lehrerwechsel zunutze, der im Schweizer Schulsystem beim Übertritt in die vierte Schulstufe ansteht. Sie bildeten 600 Zweierpärchen von Kindern, die sich vor dem Lehrerwechsel in möglichst vielen der mehr als hundert Parameter ihres Profils sehr ähnlich waren.

Allein in ihrem Verhältnis zur Lehrperson nach dem Lehrerwechsel unterschieden sich die beiden jeweiligen Kinder. Anschließend verglichen die Forscher die Daten der beiden aus den folgenden Jahren. Wie sozial oder aggressiv verhielten sie sich und wie entwickelte sich ihr Verhältnis zur Lehrperson weiter?

Gutes Verhältnis hemmt Aggressivität

Der Vergleich zeigte einen deutlichen Effekt: Im Durchschnitt verhielten sich die Kinder mit einem guten Verhältnis zur Lehrerin oder zum Lehrer um 38 Prozent weniger aggressiv als ihre jeweiligen "Kontrollpersonen" mit einem schlechten Lehrer-Schüler-Verhältnis. Die gute Beziehung stärkte außerdem das prosoziale Verhalten um 18 Prozent, wie die Wissenschafter im "Journal of Youth and Adolscence" berichten.

Diese starke Wirkung einer positiven Beziehung zur Lehrperson überraschte die Wissenschafter nach eigener Aussage. Ein gutes Schüler-Lehrer-Verhältnis trage mindestens so stark, wenn nicht sogar stärker zu einem positiven Verhalten bei wie gängige Gewaltpräventionsprogramme, schrieb die ETH. Ersetzen sollte man Letztere aber auf keinen Fall, so die Forscher.

Gewaltprävention trotzdem sinnvoll

"Diese Programme sind sehr gut und aus unserer Sicht unverzichtbar", wurde Studienleiter Manuel Eisner von der Cambridge University in der Aussendung zitiert. "Unsere Resultate sollten aber in die Lehreraus- und -weiterbildung einfließen, damit macht man effektive Gewaltprävention."

"Wir haben zwar Zürcher Schüler untersucht, aber aufgrund unseres Verfahrens und der Tatsache, dass andere Studien bei jüngeren Kindern zu ähnlichen Resultaten kamen, glauben wir, dass sich unsere Ergebnisse breit verallgemeinern lassen", sagte Studienautor Denis Ribaud von der ETH Zürich. (APA, 9.8.2016)