Was ist jetzt wichtig? Statt erdferner Glücksjagd empfiehlt sich die Reise in die Zufriedenheit – Achtung, satte Selbstzufriedenheit ist dabei nicht gemeint.

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"Die meisten Menschen machen sich bloß durch übertriebene Forderungen an das Schicksal unzufrieden", mahnte der große preußische Bildungsreformer, Gelehrte und Staatsmann Wilhelm von Humboldt seine Zeitgenossen. Ein Fingerzeig, der sich eindringlich auch durch das neue Buch von Christina Berndt, Zufriedenheit. Wie man sie erreicht und warum sie lohnender als das flüchtige Glück ist, zieht.

Da ist einmal die Jagd nach dem Glück, der Menschen bis zur Sucht umtreibende Wunsch nach dem Immer-noch-Mehr, nach dem ultimativen Gefühlserlebnis. Ein inneres Drängen, das sie im Ergebnis nur zu oft in die genau gegenteilige Emotion führt, sie von einer unerfüllten Hoffnung in die nächste Enttäuschung taumeln und bis in tiefstes Unglücklichsein abgleiten lässt.

Und da ist die genau gegenteilige Lebensgestaltung: durch das Fahrenlassen allerlei verkrampften Wollens zu mehr innerer Ruhe und Wohlbefinden zu finden.

Zufrieden statt Verbissenheit

Wer auf diese Weise Frieden mit sich und der Welt schließt, beginnt, sich auf das persönlich Wesentliche zu konzentrieren. Fragen wie "Was ist wichtig?", "Wo lohnt sich mehr Einsatz oder auch Auseinandersetzung, wo eher Gelassenheit?" rücken in den Vordergrund der Überlegungen. Diese Hinwendung zu einer zufriedenheitsorientierten Lebensführung ist aber nicht misszuverstehen als passives Hinnehmen und Einfügen in die Gegebenheiten des Lebens.

Zufriedene Menschen, nimmt Christina Berndt immer wieder das so häufig zu hörende Missverständnis aufs Korn, lassen sich keineswegs willenlos von des Geschickes Mächten treiben. Ganz im Gegenteil, sie kennen Wünsche ebenso wie Ziele und visieren beider Realisierung auch beherzt an. Nur eben nicht in der Trotzköpfigkeit, Unbedingtheit und Verbissenheit der Glücksuchenden und damit frei von deren ständiger Bedrohung, sich aufgrund erdferner Erwartungen eine Enttäuschung nach der anderen einzufangen, die sie immer weiter aus den Gefilden innerer Zufriedenheit heraus tiefer und tiefer in ein zunehmend frustrierteres Lebensgefühl treibt.

Konzentriert in der Mitte

In der Beobachtung folgen Zufriedene, so ist es im Umgang mit in sich ruhenden Menschen recht häufig zu bemerken, bewusst oder unbewusst einer alten Weisheit: Man muss es so einrichten, dass einem die Dinge entgegenkommen. Das zeigt sich an ihrem unverkrampften, sie von den verbissen Glücksuchenden deutlich unterscheidenden Vorgehen. Dies ist ganz charakteristisch an zweierlei zu erkennen: Sie fluchen und schimpfen nicht ständig vor sich hin. Und sie heizen sich auch nicht fortlaufend mit negativen Selbstgesprächen auf.

Dadurch sind zufrieden im Leben Stehende und mit dem Leben Umgehende nicht ständig ab- und ausgelenkt, sondern konzentriert in ihrer Mitte, was – deutlich angenehmer im Umgang! – viel dazu beiträgt, dass ihnen tatsächlich vieles von dem entgegenkommt, wonach andere sich vergeblich abstrampeln.

Seelische Rebustheit

Zufriedenheit aber, Christina Berndt versäumt nicht, deutlich auf einen weiteren Irrtum aufmerksam zu machen, sollte auch nicht mit Selbstzufriedenheit gleichgesetzt oder verwechselt werden. Ein altes Sprichwort verdeutlicht den Unterschied: "Zufriedenheit ist eine Tugend, Selbstzufriedenheit ein Fehler." Indirekt kommt in dieser Abgrenzung zum Ausdruck, auf welches Erkenntnisziel hin dieses Buch geschrieben ist: Etwas "Tugendhaftes" wie die Zufriedenheit will im Gegensatz zur nicht selten auch recht unangenehmen Selbstzufriedenheit erarbeitet, im tagtäglichen Umgang mit sich selbst gefestigt und durchaus im Sinne von Selbsterkenntnis auch hin und wieder hinterfragt werden.

Dabei fällt auf, so Christina Berndt, dass fast alle Faktoren, die zur Zufriedenheit beitragen, zugleich auch seelisch stark machen. Somit verfügen zufriedene Menschen auch über mehr Resilienz. Und umgekehrt bedeutet seelische Robustheit ein festes Fundament für ein zufriedenes Leben. Denn psychisch stabile Menschen lassen sich weniger leicht von den Gegebenheiten des Lebens irritieren und gehen eher ihren eigenen Weg. (Hartmut Volk, 14.8.2016)