Kestutis Kemzura orchestriert jedes Training nach einem genauen Plan. "Wir wissen auch um unsere Schwächen. Wir werden Systeme spielen müssen, wo wir sie verstecken können."

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Österreich ist noch immer ein Basketballzwerg. Die letzte EM-Teilnahme datiert aus dem Jahr 1977. Sie genießen als Trainer großes Renommee, haben ihr Heimatland Litauen 2010 zu WM-Bronze gecoacht. Warum tun Sie sich den Job in Österreich an?

Kemzura: Jeder Trainerjob ist eine Herausforderung. Wer sich zu groß fühlt, um kleine Aufgaben zu erfüllen, ist zu klein, um mit großen Aufgaben betraut zu werden. Der Verband wollte mich unbedingt. Das hat mir sehr imponiert.

STANDARD: Die Teilnahme an der EM 2017 ist das klare Ziel. In der Quali warten schwere Gegner. Wie soll sich das ausgehen?

Kemzura: Wenn der Weg zur EM leicht wäre, würde ich nicht hier sein. Deutschland ist Favorit, die Niederlande haben EM-Erfahrung, Dänemark ist ein Fragezeichen. Wir respektieren alle Gegner, aber wir haben keine Angst.

STANDARD: Jakob Pöltl wird nicht für Österreich spielen. Das tut weh, war aber zu erwarten. Kann Österreich einen NBA-Spieler kompensieren?

Kemzura: Bei allem Respekt vor Jakob: Er hat noch kein NBA-Spiel bestritten, also ist er noch kein NBA-Spieler. Ich habe aber volles Verständnis für seine Situation, die Vorbereitung in Toronto lässt ihm keinen Spielraum. Es wird schwer, ihn zu ersetzen. Wir verlieren ein paar Zentimer unter dem Korb.

STANDARD: Im Kader stehen eine Handvoll Legionäre, aber auch Spieler, die derzeit keinen Arbeitgeber haben. Wie viel Qualität hat das Team?

Kemzura: Ich bin beeindruckt von der Einstellung meiner Spieler, sie arbeiten wirklich hart im Training. Es ist zwar unmöglich, in unserer kurzen Vorbereitung alle schlechten Angewohnheiten der Spieler auf dem Feld abzustellen. Wir wollen Details korrigieren. Ein Beispiel: In der Verteidigung sollen die Hände oben bleiben, nicht in der Hosentasche.

STANDARD: Ihre Heimat Litauen hat nur drei Millionen Einwohner, aber unter dem Korb ist das kleine Land eine Großmacht. Warum?

Kemzura: Weil wir keine Berge haben. Darum sind wir auch keine guten Skifahrer. Basketball zählt zur Identität unseres Landes, ohne Basketball wären wir nicht auf der Landkarte. Als wir noch Teil der Sowjetunion waren, konnten wir auf dem Parkett Widerstand leisten. Wir waren von Anfang an einfach erfolgreich. Das stärkt den Sport, erzeugt aber auch Erfolgsdruck. Selbst eine U16-Auswahl aus Litauen muss immer und überall gewinnen.

STANDARD: Litauen war dreimal Europameister, 1937, 1939 und 2003. Und es wären wohl noch mehr Titel, hätte Stalin das Land 1940 nicht überfallen. Zu den 14 EM-Titeln der Sowjetunion trugen litauische Spieler viel bei.

Kemzura: Du kannst in den Hinterhöfen unserer Städte wahllos Leute heraussuchen, und sie werden wissen, wie man wirft, wie man dribbelt. Litauen stellte nie die athletischsten, größten Mannschaften. Aber wir hatten Herz, Teamwork und gute Werfer. Das ist auch eine Frage der Mentalität.

STANDARD: Die Größe eines Landes ist also nicht entscheidend. Was kann sich Österreich abschauen?

Kemzura: Der Stellenwert des Nationalteams muss gesteigert werden. In Litauen ist es die wichtigste Mannschaft. Noch vor den Topklubs Kaunas und Vilnius, die in den größten Europacup-Bewerben (Euroleague und Euro Cup, Anm.) spielen.

STANDARD: Sie waren selbst Profi, wie kamen Sie zum Basketball?

Kemzura: Mein älterer Bruder spielte Basketball, er hatte die Schlüssel für die Turnhalle in der Schule. In meiner Kindheit gab es kein Internet. Im russischen Fernsehen liefen nur drei Kanäle. Also lieber Sport.

STANDARD: Sie sind bekannt dafür, attraktiven Basketball spielen zu lassen. Wird man diesen beim Viernationenturnier am Wochenende in Schwechat schon sehen?

Kemzura: Wir wollen das Spiel schnell machen, den Zuschauern ein attraktives Spiel liefern. Das fängt im Training an. Wie du trainierst, so spielst du auch. Es gibt keine Wunder. Wir wissen auch um unsere Schwächen. Wir werden Systeme spielen müssen, wo wir sie verstecken können.

STANDARD: Ihre Erinnerungen an Österreich sind nicht nur positiv. Sie haben vor 16 Jahren für Gmunden in der Bundesliga gespielt, wurden nach wenigen Monaten entlassen. Wie sehen Sie das im Rückblick?

Kemzura: Das ist sehr lange her. Für mich war das eine schwierige Zeit. Mein Englisch war noch schlechter, als es jetzt ist, Gmunden war meine erste Station im Ausland, und ich hatte eine Achillessehnenverletzung. Meine Erinnerungen an den Traunsee sind aber trotzdem schön. (Florian Vetter, 12.8. 2016)

Vier-Nationen-Turnier in Schwechat –

Ergebnisse Freitag:
Österreich – Slowenien 67:80 (30:47)
Beste Werfer: Mahalbasic (19) bzw. Blazic (17)
Polen – Island 82:71 (37:29)

Samstag:
Österreich – Island 79:70 (39:28)
Beste Werfer: Mahalbasic (23) bzw. Palsson (14)

Weiteres Samstag-Spiel: Slowenien – Polen 81:76 (40:40)

Sonntag:

Slowenien – Island 98:68 (55:37)

Österreich – Polen 71:79 (35:39), beste Werfer: Mahalbasic (18) bzw. Gielo (17)

Endstand Vier-Nationen-Turnier: Slowenien (3 Spiele/3 Siege) vor Polen (3/2) , Österreich (3/1) sowie Island (3/0)