Wien – Obwohl durch die Flüchtlingskrise die Zuwanderung nach Österreich stark gewachsen ist, hat sich das Integrationsklima insgesamt verbessert. In einer Umfrage, die am Dienstag gemeinsam mit dem neuen Integrationsbericht präsentiert wurde, sagten 48 Prozent von 2.100 Befragten, dass Integration von Ausländern in Österreich "sehr gut" oder "eher gut" funktioniere. Im Vorjahr lag die Zustimmung bei 41 Prozent, 2010 bei nur 31 Prozent. Nur 2014 war sie noch etwas höher.

52 Prozent der Österreicher sind aber nach wie vor nicht mit der Integrationspolitik zufrieden, 2015 waren es 59 Prozent. "Multikulti wird immer geringer geschätzt", sagte Heinz Faßmann, Vorsitzender des Expertenrats für Integration. Für Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) hängt der Erfolg von Integration von der Zahl der zu Integrierenden ab. Deshalb hält er an der Obergrenze von 37.500 Asylanträgen fest. Arbeitslosigkeit unter Flüchtlingen will Kurz unter anderem mit gemeinnützigen Jobs lösen.

Österreich am Rande des "Wachstumsstresses"

Im Vorjahr sind fast dreimal so viele Menschen nach Österreich zugewandert als im Durchschnitt, sagte Faßmann. Der Wanderungssaldo (Differenz von Zuzügen und Wegzügen in das Ausland) betrug rund 113.000 Menschen. Rund 88.000 Asylanträge wurden 2015 gestellt. Faßmann sprach von einem "außergewöhnlichen Jahr", das "verkraftbar" sei. Mehrere solcher Jahre würden für Österreich aber einen "Wachstumsstress" bedeuten. Kurz wurde noch deutlicher. "Aus meiner Sicht sollte sich so ein Jahr nicht mehr wiederholen."

Rund 1,813 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund lebten durchschnittlich 2015 in Österreich. Das sind um 98.000 mehr als 2014. In diesen Zahlen ist aber der große Flüchtlingszustrom von Herbst 2015 noch gar nicht enthalten, wie Stephan Marik-Lebeck von der Statistik Austria erläuterte. Ein derartig hoher Wanderungssaldo wie im vergangenen Jahr ist nach dem Zweiten Weltkrieg nur 1956/57 im Rahmen der Ungarnkrise erreicht worden. 2015 wurden mit 88.000 Asylanträgen so viele gestellt wie in Summe in den fünf Jahren davor. 72 Prozent der Asylsuchenden stammen aus drei Staaten: Syrien, Afghanistan und dem Irak.

Angesichts dieser Zahlen zeigte Faßmann Verständnis für die von der Bundesregierung vereinbarte Obergrenze. Diese sieht für dieses Jahr 37.500 Asylwerber vor. Eine Obergrenze sei "asylrechtlich schwierig, realpolitisch verständlich", sagte Faßmann.

Kurz nannte schon diese Zahl "extrem hoch". Er sei aber froh, dass es die "Notverordnung zügig geben soll". Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) stellte zuletzt als Datum für die Vorlage eines Begutachtungsentwurfs den 6. September in Aussicht. "Wir sollten gerüstet sein", warnte Kurz auch angesichts des Flüchtlingsdeals vor einer Abhängigkeit von der Türkei. Aktuell seien in diesem Jahr rund 26.000 Flüchtlinge zum Asylverfahren zugelassen.

Zustrom begrenzen

Der Zustrom müsse laut Kurz mit europäischen und nationalen Maßnahmen begrenzt werden. "Der Erfolg der Integration hängt von der Zahl der zu Integrierenden ab." Skeptisch zeigte sich Kurz bezüglich Rücknahmevereinbarungen. Derzeit gebe es von Ungarn "keinerlei Signale, Flüchtlinge in großem Stil zurückzunehmen". Auch nach Italien würden Rückführungen nur "eingeschränkt" funktionieren.

Heinz Faßmann (links), Vorsitzender des Expertenrats, Außenminister Sebastian Kurz und Stephan Marik-Lebeck (rechts) von der Statistik Austria präsentierten am Dienstag den Integrationsbericht.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Trotz der Flüchtlingsbewegungen in Österreich 2015 hat sich das Integrationsklima verbessert. In einer begleitenden GfK-Umfrage zur Einschätzung der Integrationsprozesse sind 52 Prozent von rund 2.100 Befragten der Meinung, dass die Integration von Migranten in Österreich "eher schlecht" oder "sehr schlecht" funktioniere. 2015 waren noch 59 Prozent dieser Meinung, 2010 gar 69 Prozent.

Faßmann führt das darauf zurück, dass die Bevölkerung mittlerweile besser zwischen Migranten, die schon länger im Land sind, und Asylwerbern differenziere. Dennoch nehme die Fremdenskepsis zu. Eine verstärkte Anpassung der Zugewanderten werde gefordert, "Multikulti wird immer geringer geschätzt".

Aus dem im Vorjahr präsentierten 50-Punkte-Maßnahmenpaket zur Integration Asyl- und subsidiär Schutzberechtigter wurde laut Faßmann einiges umgesetzt, etwa die Forderung nach mehr Sprachkursen, Kompetenzchecks oder dem Anerkennungsgesetz. Bei anderen Punkten gehe weniger weiter. Dass es kein gemeinsames Vorgehen der Bundesländer bei der Mindestsicherung gebe, kritisierte Faßmann heftig.

Vom Vorschlag des Expertenrats einer Wohnsitzpflicht zeigte sich Kurz angetan, blieb aber auf ÖVP-Linie: Das sei nur möglich, wenn gleichzeitig die Mindestsicherung neu geregelt werde.

Als "dramatisch" bezeichnete Kurz die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, was anerkannte Flüchtlinge betrifft. Es gebe heute einen deutlich geringeren Bedarf an Arbeitsplätzen als vor einigen Jahrzehnten, als viele Gastarbeiter ins Land kamen. Diese müssten aber beschäftigt werden – auch um Radikalisierungstendenzen vorzubeugen. Kurz plädiert für "eine andere Form der Beschäftigung", etwa gemeinnützige Tätigkeiten. Faßmann hält Ein-Euro-Jobs für "gar nicht so schlecht." (krud, 16.8.2016)