Edek Bartz und Albert Misak, also Edward Geduldig & Albert Thimann, reisten in den frühen 1990ern nach New York, wo sie mit der dortigen Avantgarde jüdische Musiktradition mit modernen Improvisationsmitteln verbanden.


Fotos: Heribert Corn

A haymish groove", 2016, Doppel-LP, monkey music

cover: monkey

Wien – Der intensivste Moment – unter den vielen, die A haymish groove bietet - ist zugleich auch der zurückgenommenste, musikalisch intimste dieser Aufnahme. In ihrer Wohnung singt da Ruth Rubin eine sanfte jüdische Weise, so unprätentiös wie eindringlich, und haucht mit di Zokenmakherkes so ziemlich das Gegenteil etwa von Stetl Metl, einem Stück, das US-Multinstrumentalist und Komponist Elliott Sharp zu diesem nun auf Vinyl wiederveröffentlichten Album aus dem Jahr 1992 beitrug.

Sharp ist da als Saxofonist, Gitarrist und als der freien Improvisation huldigender Exeget des folkloristischen jüdischen Kolorits wahrzunehmen. Tradition scheint ihm kein Objekt der strengen Stil- und Regelbefolgung. Sie ist Objekt der Dekonstruktion, der Neubefragung und womöglich persönlichen Identitätserörterung mit musikalischen Mitteln. Damals, 1992, war das allerdings noch nicht unter dem Begriff "Radical Jewish Culture" zum Trend aufgestiegen.

Die beiden Herren, die von Wien nach New York gepilgert waren, um diese Produktion innerhalb einer kurzen Woche zu absolvieren, sind – und das auch ein markanter Aspekt dieser Einspielung – fast so etwas wie die flüchtigen Gäste ihrer eigenen Produktion.

Edek Bartz und Albert Misak hatten schon viele Jahre hinter sich, in denen sie – wie es heißt – angeregt durch Shlomo Carlebach, den berühmten "singenden Rabbiner aus New York", begonnen hatten, sich ihre jüdischen Wurzeln "freizugraben". Als Edward Geduldig & Albert Thimann gaben sie denn auch in den 1970ern und 1980ern Alben heraus, die jüdische Songs aus einem auch popaffinen und kosmopolitischen Verständnis heraus präsentierten. Insofern wurde A haymish groove zum konsequenten Höhepunkt einer Orientierungssuche, die mit integrativem Charme unbewusst etwas vorwegnahm, das schließlich trendige Dynamik aufnehmen sollte.

Die Gastgeber

Was mit Saxofonist John Zorn und dessen Tzadik-Label, was auch mit Leuten wie Klarinettist David Krakauer zur Mode werden sollte, die Neuinterpretation jüdischer Traditionen, es leuchtet hier als feurige, wilde Musik auf – mit Geduldig & Albert Thimann quasi als großzügigen Gastgebern: Neben Elliott Sharp, der mit der "Radical Jewish Culture"-Bewegeung längst nichts mehr am Hut hat, sind ausufernde, quasi orchestrale Improvisationen von Akkordeonist Guy Klucevsek zu hören.

Geiger auch dabei

Auch der im Jazz mittlerweile mit berechtigtem Ruhm bekränzte Geiger Mark Feldman ist munter-herzhaft aufspielend zu erleben. Und mit dem US-Klarinettisten Don Byron widmet sich auch ein Afroamerikaner – mit ausgeprägt freejazziger Emphase – jüdischen Folklorismen. So ist A haymish groove quasi auch eine Hymne an die Vielfalt geworden. Kinderchor, jüdische Orchester und Avantgarde werken nahe beieinander, auch alten Weisen wird ganz unverkrampft eine Plattform geboten. Da singt also Edward Geduldig Chiribim und hat zur Seite Andy Statman an der Mandoline und Marc Feldman an der Geige.

Diese Musik gewordene schöne Absicht, Tradition und ihre Formen in die Gegenwart hinüberzuretten, hat seit damals, als sie auf Extraplatte veröffentlich wurde, an Charme nichts eingebüßt. Sie klingt noch impulsiv, mitunter melancholisch und jederzeit lebendig. Da sie nun auf Vinyl wiedergekehrt ist, verbreitet sie auch noch das Flair edler Zeitlosigkeit. (Ljubisa Tosic, 16.8.2016)