Mit dem Lisa-Pathfinder der Europäischen Weltraumbehörde Esa soll die Suche nach Gravitationswellen im Weltraum aufgenommen werden. Der Start ist derzeit für 2034 geplant.

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George Smoot erhielt 2006 den Nobelpreis für Physik.

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Wien – Zwei erfolgreiche Messungen von Gravitationswellen und ein weiterer möglicher Event lautet die Bilanz des Gravitationswellenobservatoriums Ligo nach einem Jahr Betrieb mit verbessertem Aufbau. Damit ist der Beginn eines neuen Zweigs der Astronomie eröffnet, sagt Physiknobelpreisträger George Smoot, der nicht direkt an Ligo beteiligt ist.

STANDARD: Sie haben dazu beigetragen, das Universum in seinem frühesten Lebensstadium abzubilden. Was sind die nächsten Schritte zur Erforschung des Urknalls?

Smoot: Wir haben viele verschiedene Methoden entwickelt, um den Ursprung des Universums zu erforschen. Die kosmische Hintergrundstrahlung ist eine wichtige Quelle, doch die Werkzeuge der Astronomie verändern sich. Wir sitzen nicht mehr in der Nacht mit unseren Teleskopen da. Anstatt Astronomie direkt zu betreiben, bewegen wir uns dahin, Astronomie in Partnerschaft mit extrem komplexen Maschinen auszuführen: Die Maschine erhebt und analysiert die Daten, und wir sehen uns die Resultate an. Das, was generell am Arbeitsmarkt passiert, vollzieht sich auch in der Astronomie: Immer mehr Jobs werden von Maschinen übernommen, womöglich dauert es auch nicht mehr lange, bis Roboter an Ihrer statt die Wissenschaftsberichterstattung übernehmen. (lacht)

STANDARD: Wir werden sehen ... Eine komplexe Maschine war auch bei der ersten Messung von Gravitationswellen, die im Februar vom Gravitationswellenobservatorium Ligo präsentiert wurde, im Spiel. Wie haben Sie das aufgenommen?

Smoot: Das ist eine wunderbare Entdeckung. Das Timing könnte nicht besser sein – es ist 100 Jahre her, dass Gravitationswellen vorhergesagt worden sind. Nachdem Albert Einstein die allgemeine Relativitätstheorie vollendet hatte, stellte er sich die Frage, ob Gravitationswellen existieren. Er schrieb ein Paper mit der Conclusio, dass sie nicht existieren. Zu dieser Zeit musste er Berlin wegen des Kriegs verlassen und sendete es an ein amerikanisches Journal. Der Gutachter sagte, dass es in dem Paper einen entscheidenden Fehler gibt. Einstein war sehr getroffen und schrieb einen wütenden Brief an den Herausgeber. Sein Assistent kam aber zufällig mit dem Gutachter ins Gespräch, und so schrieben sie das Paper um – auch das Ende: Gravitationswellen existieren doch. Es dauerte 40 Jahre, bis man Theorien aufgestellt hatte, wie man die Messungen durchführen könnte, dann brauchte es noch einmal 60 Jahre experimenteller Versuche, bis es schließlich gelungen ist.

STANDARD: Was kommt nun nach der erfolgreichen Messung der Gravitationswellen?

Smoot: Es ist nicht so wie bei der Entdeckung des Higgs-Teilchens. Diese hat zwar bestätigt, dass das Standardmodell der Teilchenphysik richtig ist, die Entdeckung selbst könnte dennoch das Ende in diesem Forschungsbereich sein – weitere Experimente der Teilchenphysik müssen über das Standardmodell hinausgehen. Die Gravitationswellen haben hingegen nicht nur gezeigt, dass die Relativitätstheorie auch in einem Extrembereich richtig ist. Es ist dazu der Beginn eines neuen Zweigs der Astronomie. Meiner Einschätzung nach werden wir in den nächsten 20 Jahren die Technologie noch weiter ausbauen, weitere Observatorien bauen – wie den Lisa-Pathfinder -, und dann wird die Gravitationswellenastronomie Routine sein.

STANDARD: Sie sprechen sich immer wieder für die Bedeutung von Mentorship in der Physik aus – warum?

Smoot: Mentorship ist in allen Feldern wichtig, aber in der Wissenschaft ist es besonders wichtig, vor allem für Experimentalphysiker. Es gibt Lehrbücher, die einem die Physik erklären, aber es gibt kaum Lehrbücher darüber, wie man ein guter Experimentalphysiker wird. Man muss Vertrauen in seine Arbeit haben, aber sie trotzdem immer wieder überprüfen – und dafür braucht man einen Mentor.

STANDARD: Welche Fragen werden Astronomen künftig beschäftigen?

Smoot: Eine der Fragen, über die ich oft nachdenke, ist die nach extraterrestrischem Leben. Ich glaube, es ist jetzt die größte Herausforderung für die Menschheit, nach außerirdischem Leben zu suchen – und es wird eine der großen Aufgaben der Wissenschaft in der Zukunft sein. Vielleicht ist es uns Menschen aber nicht möglich, in andere Galaxien zu gelangen – da hat das Universum sich selbst geschützt, damit bösartige Wesen nicht andere Galaxien bevölkern können. (Tanja Traxler, 19.8.2016)