Die jüdische Literatin Irene Ransburg (links), die mit 16 Augenlicht und Gehör verlor, und ihre Lehrerin Ludmilla Eder.

Foto: Archiv Odilien-Institut

Der Stein für Ransburg ist der erste Stolperstein überhaupt in Brailleschrift.

Foto: Verein für Gedenkkultur in Graz

Graz – Sie war eine wirklich außergewöhnliche Frau, die in ihrem Leben mehrere persönliche Katastrophen überstand. Doch es gab für sie kein Happy End. Denn die letzte Katastrophe, die nationalsozialistische Diktatur, überlebte sie nicht. Die 1898 in ein jüdisches Elternhaus geborene Irene Ransburg erlebte den ersten schweren Verlust als kleines Mädchen: Beide Eltern starben, und sie wurde von einer Familie im steirischen St. Ruprecht an der Raab adoptiert. Die Familie hatte ein Feinkostgeschäft und erzog das Mädchen fortan im christlichen Glauben.

Künstlerisch begabt

Irene Ransburg war künstlerisch und literarisch begabt und schloss mit Erfolg die Handelsschule in Graz ab. Doch mit 16 erkrankte sie schwer und verlor ihr Augenlicht und ihr Gehör. Eine Nonne, Schwester Ludmilla Eder im Grazer Odilien-Institut, wo Ransburg nach ihrer Erblindung ab 1915 lebte, wurde ihre Lehrerin und gab ihr neuen Lebensmut, indem sie ihr die Blindenschrift beibrachte. So konnte Ransburg, die vor allem Lyrik liebte, weiter literarisch arbeiten und kommunizieren.

Nach der Machtübernahme der Nazis gelang es den Mitarbeitern des Odilien-Instituts, das heute noch in Betrieb ist, jahrelang zu verheimlichen, dass eine getaufte Jüdin unter ihnen lebte. Doch nach einem Verrat wurde Irene Ransburg am 21. September 1944 von der Gestapo abgeholt und in das KZ Theresienstadt verschleppt. Einen Monat später wurde sie nach Auschwitz-Birkenau gebracht und dort in der Gaskammer ermordet. Sie wurde 46 Jahre alt.

Tafel und Stein

Im Vorjahr wurde eine Gedenktafel für Ransburg im Odilien-Institut in der Grazer Leonhardstraße enthüllt. Der Verein für Gedenkkultur in Graz hat Ransburg nun auch in die Liste der Grazer Stolpersteine aufgenommen. Im Rahmen des Gedenkprojekts des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der seit 1997 zigtausende Steine in ganz Europa vor Wohn- oder Wirkungsstätten von Opfern des NS-Regimes verlegt hat, bekam am Dienstag Ransburg einen Stein vor dem Blindeninstitut. Es ist der erste in ganz Europa, dessen Gravur mit Eckdaten der Biografie in Brailleschrift verfasst wurde.

Neben dem Stein für die Literatin wurden am Dienstag 29 weitere verlegt. Auch jene für die Familie des letzten Landesrabbiners der Steiermark und Kärnten, David Herzog. Herzog flüchtete im Jänner 1939 mit seiner Frau Anna und seinem Sohn Friedrich nach England. Der ältere Sohn Robert war da bereits seit Jahren Journalist in Paris. Er wurde nach der Okkupation Frankreichs im KZ ermordet. Der Stein für Robert konnte am Dienstagabend nicht wie geplant verlegt werden, da etwas bei der Bestellung der Steine für die Familie Herzog schiefgegangen war. "Das wird aber bei der nächsten Verlegung von Grazer Stolpersteinen 2017 nachgeholt", so Daniela Grabe vom Verein Gedenkkultur.

Sohn Friedrich war vor der Flucht Strafrichter. Er floh erst nach Schweden und 1940 weiter in die USA. Seine Eltern und er überlebten in Oxford und Chicago, wo Friedrich 2008 mit 100 Jahren als erfolgreicher Jurist verstarb. Die – vorerst drei – Steine für die Herzogs liegen nun vor ihrer Grazer Wohnadresse in der Radetzkystraße. Die ganze Liste der 95 Grazer Steine findet sich auf der Homepage des Vereins für Gedenkkultur in Graz. (Colette M. Schmidt, 16.8.2016)