Ein totes Exemplar von Zenkerella insignis, das auf der westafrikanischen Insel Bioko in die Falle ging. Genvergleiche erhellen nun den einzigartigen Stammbaum der Nagetiere.

Foto: Steven Heritage

Zeichnung von Zenkerella für die Erstbeschreibung 1898.

Illustration: Joseph Smit

Los Angeles / Wien – "Man könnte ihn das ultimative Pokémon nennen", sagt Erik Seiffert von der University of Southern California in Los Angeles: Kein Wissenschafter hat bis jetzt je einen Dornschwanzbilch lebendig gesehen, geschweige denn fangen können.

Das liegt vermutlich nicht so sehr daran, dass die in westafrikanischen Regenwäldern beheimateten Nagetiere, die auf den ersten Blick einem Eichhörnchen ähneln, so selten wären. Tatsächlich dürfte es noch relativ viele lebende Vertreter dieser mysteriösen Art geben. Dass man über Zenkerella insignis bis jetzt so wenig weiß, hat seinen Grund darin, dass die Tierchen nachtaktiv sind und die meiste Zeit in den Kronen hoher Bäume verbringen dürften.

Diese spärlichen Informationen über die Lebensgewohnheiten von Zenkerella verdankt die Forschung Bewohnern der Insel Bioko, die zu Äquatorialguinea gehört und im Golf von Guinea liegt. Nahe dem Dorf Ureca im Süden der Insel gingen kürzlich drei Dornschwanzbilche in Bodenfallen. Die toten Tiere wurden von den Einheimischen an die Wissenschaft weitergereicht, für die diese drei Tierleichen eine große Sache waren.

Drei von 14 Belegexemplaren

Insgesamt gab es bis dahin nämlich nur elf Bälge von Dornschwanzbilchen in Museen rund um den Globus. Mit den drei Neuzugängen, den ersten seit über zwei Jahrzehnten, wurde es erstmals möglich, DNA aus der Mundschleimhaut der Tiere zu gewinnen und zu analysieren. Dadurch erhofften sich die Forscher endlich Erkenntnisse über die Verwandtschaftsverhältnisse der scheuen Nagetierart, die der deutsche Zoologe Paul Matschie 1898 erstmals beschrieb und damals nach dem Botaniker und Zoologen Georg August Zenker benannte.

Was US-Biologe Seiffert und seine Kollegen bei den Genanalysen herausfanden, kam tatsächlich einer kleinen Sensation gleich: Nach Vergleichen der Zenkerella-DNA mit jener von anderen Nagern kommen die Forscher im Fachblatt "PeerJ" nun zum Schluss, dass Dornschwanzbilche zu den letzten Überlebenden einer Gruppe prähistorischer Nagetiere namens Anomaluroidea gehören, die bereits vor 49 Millionen Jahren existierten.

Schuppiger Schwanz

Die Vertreter dieser Nagetiergruppe können sich dank ihres mit Schuppen versehenen Schwanzes geschickt an den Ästen von Bäumen festhalten. Zu den Nachfahren dieser Gruppe gehören auch zwei Gleitbilcharten, die als die nächsten lebenden Verwandten von Zenkerella gelten. Da Dornschwanzbilche augenscheinlich aber über keine Gleithilfen verfügen und die Verwandtschaft demgemäß eine entfernte ist, erhielt Zenkerella den zoologischen Status einer eigenen Familie.

Für Erik Seiffert stellt die Evolution des Dornschwanzbilchs eine faszinierende Geschichte des Überlebens dar. Unter den 5400 heute lebenden Säugetierspezies gibt es mit dem Dornschwanzbilch nämlich nur sechs Arten, die zu direkten Nachfahren von Tieren gehören, die vor mehr als 49 Millionen Jahren lebten. Von diesen sechs Arten galten bisher nur zwei als "lebende Fossilien", die diese immense Zeitspanne mit minimalen Veränderungen überstanden: die in Chile beheimatete Chiloé-Beutelratte und das Federschwanz-Spitzhörnchen, das auf Sumatra lebt.

Bestand ist nicht gefährdet

Die US-Forscher wollen künftig der Lebensweise des Pokémon-Tierchens auf der Insel Bioko weiter nachspüren. Und obwohl so wenig über den Dornschwanzbilch bekannt ist, gilt er übrigens als nicht gefährdet. Man geht davon aus, dass er in den westafrikanischen Regenwäldern ein weites Verbreitungsgebiet hat, das nur zum kleinen Teil von Abholzung bedroht ist. Günstig für sein Überleben ist zudem wohl auch, dass sein Fleisch bei den einheimischen Jägern als ungenießbar gilt. (Klaus Taschwer, 17.8.2016)