"Archäologie am Berg" lockt jung und alt.

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Das Ritschert kocht schon.

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Der digitale Berg.

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Eine 2500 Jahre alte Fellkappe.

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Bronzegießer bei der Arbeit.

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Bronzepickel mit Griff aus der Hallstattzeit.

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Ein genauerer Blick auf die Spitze.

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Ein Ziegensack – der Rucksack aus dem Ziegenbalg wird von unten befüllt und dann umgeschlagen.

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Kosten Sie!

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Jahrringmuster eines prähistorischen Holzobjekts im CT-Bild.

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Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

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Bald ist es wieder so weit. Am 20. und 21. August werden Forscherinnen und Forscher aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen im Hallstätter Hochtal ihre neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und ihre Arbeitsmethoden präsentieren. Bis dahin sind wir noch ganz schön beschäftigt. Präsentationsunterlagen vorbereiten, Pressearbeit machen, Mitfahrgelegenheiten organisieren, Fundobjekte, Monitore, Beamer, Dekostoffe einpacken, und auf keinen Fall die Verpflegung und Unterkunft für knapp 30 Mitarbeitende vernachlässigen.

Die "Archäologie am Berg" ist die jährliche Öffentlichkeitsveranstaltung des Naturhistorischen Museums Wien im Hallstätter Hochtal – gemeinsam mit den Salzwelten. Hier zeigen wir, woran wir gerade forschen, und präsentieren unsere neuesten Erkenntnisse. Dabei sind uns zwei Dinge ein ganz besonderes Anliegen. Zum einen wollen wir vermitteln, wie wir arbeiten, und nachvollziehbar machen, wie wir zu unseren Erkenntnissen gelangen. Zum anderen steht die Vielfältigkeit der Hallstattforschung im Vordergrund.

Vielfältige Forschung im Hallstätter Salzberg

Interdisziplinäre Forschung ist in Hallstatt von grundlegender Bedeutung und hat eine lange Tradition. Das muss sich auch in unserem Öffentlichkeitsprogramm widerspiegeln. Daher finden sich jedes Jahr wieder am dritten Augustwochenende Forscherinnen und Forscher aus Archäologie, Anthropologie, Botanik, Dendrochronologie, den Geowissenschaften, Informatik, Physik, Restaurierung und Zoologie im Hallstätter Hochtal ein. Dann wird zwei Tage lang erklärt, gekocht, Bronze gegossen, gemessen, Tierhaut verarbeitet, digitalisiert und vor allem diskutiert. Rauchschwaden werden von Koch- und Schmelzfeuern aufsteigen. Es wird nach prähistorischem Eintopf und Holzfeuer duften.

Die Erforschung der prähistorischen Hallstätter Bergleute war fast von Beginn an durch eine starke Interdisziplinarität geprägt. Warum? Durch die besonderen Erhaltungsbedingungen in den Salzbergwerken hat sich uns eine enorme Vielfalt an Materialien erhalten.

Viele Materialien, viele Wissensbereiche

Die konservierende Wirkung von Salz hat abertausende von Leuchtspänen, zahlreiche Holzgeräte, Bast- und Grasschnüre, Wolltextilien, Haut- oder Lederobjekte, menschliche Exkremente und Speisereste über die Jahrtausende bewahrt. Dieser Vielfalt an Materialien war nur mit einer Vielfalt an Wissensbereichen aus der Wissenschaft und dem handwerklich-technischen Bereich zu begegnen.

Doch interdisziplinär arbeiten ist keine einfache Sache! Und schnell geht das auch nicht. Denn die Probleme beginnen bereits bei der Verständigung mit den "anderen". Oftmals braucht es eine Weile, bis man realisiert, dass man sich nicht versteht. Auch wenn dieselben Begriffe verwendet werden, ist häufig nicht dasselbe gemeint, zielen die Fragen nicht in dieselbe Richtung. Es müssen also zunächst gemeinsame Konzepte und Fragen gefunden werden.

Gemeinsame Fragen finden

Interdisziplinäre Arbeit beginnt bei der gemeinsamen Entwicklung der Fragestellung und nicht bei der Zusammenschau unterschiedlicher Datentypen. Sie gelingt nur dort, wo eine Auseinandersetzung mit den Methoden, Problemen, Interessen und Fragen der Partnerfächer und der Partner passiert. Das allerdings erfordert Zeit, Geduld und die Bereitschaft zu akzeptieren, dass es keine einfachen Antworten gibt. Meistens ergeben sich neue Fragen – je mehr Fachrichtungen, desto mehr Fragen – das ist frustrierend und spannend zugleich. In Hallstatt arbeiten wir seit langer Zeit sehr hart am interdisziplinären Austausch. Oft gelingt es, manchmal aber auch nicht. Auch diese Aspekte unserer Arbeit wollen wir bei der "Archäologie am Berg" zeigen.

Was gibt es zu sehen und zu erleben?

Jedes Jahr zeigen wir einen Ausschnitt aus unseren aktuellen Arbeiten. Unser diesjähriger Themenschwerpunkt liegt auf digitalen bildgebenden Verfahren wie Laserscan und Image Based Modelling und auf Experimenteller Archäologie mit Bronzeguss und Lederbearbeitung.

Der digitale gläserne interaktive Berg

Da es nur möglich ist, einen kleinen Teil des unterirdischen Weltkulturerbes zu besuchen, haben wir es zu unserem Ziel gemacht, dieses älteste Salzbergwerk virtuell mit seinen einmaligen Funden erlebbar zu machen. Bei der "Archäologie am Berg" zeigen wir sowohl, wie wir die Stollen und Abbaukammern der prähistorischen Bergleute vermessen und dreidimensional aufnehmen, als auch welche Techniken wir im Moment anwenden, um die Funde virtuell zugänglich zu machen. Unterschiedliche Laserscanner werden genauso gezeigt wie spezielle Techniken, die aus vielen Einzelbildern in kurzer Zeit ein 3D-Modell berechnen.

Wer will, kann sich gleich vor Ort aufnehmen lassen und sein Gesicht dann in 3D am Bildschirm betrachten. Das Ziel unserer Arbeiten ist, dass man am Computer über das Hallstätter Salzbergtal "fliegen" und dann durch die modernen Stollen in den virtuellen Salzberg navigieren kann.

Aufbewahrt in Archiven

Aber nicht nur neueste Technologien wie Laserscan und 3D-Fotografie helfen bei der Erforschung der einmaligen prähistorischen Bergbaustätten. Auch in Archiven werden wir fündig. In den letzten Jahrhunderten ist der moderne Bergbau immer wieder auf zahlreiche Spuren des prähistorischen Bergbaus gestoßen – und die Bergmänner haben ihre Beobachtungen in Karten und Protokollen vermerkt. Und viele dieser 200, 300, 400 Jahre alten Unterlagen werden im Oberösterreichischen Landesarchiv aufbewahrt. Wir zeigen, wie viel auch heute noch verwertbare Information in diesen wertvollen Bergbaukarten, Werkerfaszikeln und Befahrungsprotokollen und Bergbüchern steckt.

Einmalige Funde – Experimentelle Archäologie

Das Spezielle an prähistorischen Salzbergwerken ist, dass sich alles erhält, was zurückgelassen wird – auch über Jahrtausende. In Hallstatt sind das neben tausenden gebrochenen Werkzeugen und Geräten unter anderem auch der älteste Rucksack Europas (um 500 v. Chr.), Schuhe und Kappen aus Rohhaut und Fell, dicke Seile aus Lindenbaststreifen (die dicksten Seile, die wir in prähistorischer Zeit in Europa kennen), hunderte Exkremente der Bergleute – und vieles mehr.

Viele prähistorische Gegenstände, die in Hallstatt entdeckt werden, sind wirklich einmalig. Sie sind von keinem anderen Platz weltweit bekannt. Das ist auf der einen Seite natürlich spannend – stellt aber auch eine große Herausforderung dar. Denn normalerweise erhält man zusätzliche Informationen zu prähistorischen Funden durch den Vergleich mit anderen archäologischen Fundstellen, auf denen ähnliche Stücke gefunden wurden. Diese Methode zur Erlangung zusätzlicher Informationen scheidet aber für Hallstatt aus, da sich keine vergleichbaren Stücke erhalten haben. Um dennoch mehr über die einmaligen Stücke herauszufinden, wird seit Jahrzehnten experimentalarchäologisch gearbeitet. Die Funde werden 1:1 mit Originalmaterial nachgebaut und anschließend getestet.

Experimentieren und Quantifizieren

Mehr als 1000 Jahre (1400 bis 400 v. Chr.) wurde in Hallstatt Salz mit Bronzepickeln abgebaut. Wir wollen herausfinden, wie viel Bronze in Hallstatt in prähistorischer Zeit benötigt wurde. Hierbei ist unter anderem der Materialverlust durch das Schleifen der Pickel zu berücksichtigen. Abbauversuche mit den Bronzepickeln haben gezeigt, dass diese häufig nachgeschliffen werden müssen und dass der vorderste Bereich regelmäßig abbricht. Sowohl Schleifsteine wie auch die abgebrochenen Pickelspitzen werden immer wieder im Zuge der Ausgrabungen gefunden.

Um den Materialverlust genauer fassen zu können, haben wir folgenden Versuchsaufbau geplant: Guss von Bronzepickeln, Wiegen der Pickel, Verwendung der Pickel bis sie stumpf sind und geschliffen werden müssen, erneutes Wiegen. So lässt sich der Materialverlust für einmaliges nachschärfen feststellen. Diesen Ablauf werden wir vielfach wiederholen, um eine statistisch belastbare Datengrundlage zu schaffen. Neben Informationen über den Materialverlust gewinnen wir so auch Daten darüber, wie lange es dauert, bis ein Pickel stumpf wird. Natürlich werden wir auch unsere Besucher in diesen Arbeitsablauf einspannen. Die gewonnenen Informationen können wir dann in unsere bereits bestehenden Simulationen einbringen und verschiedene Szenarien zu Bronzebedarf je nach Größe der Arbeitsgruppe durchspielen.

Neben Bronze werden wir uns noch mit einem weiteren bedeutenden prähistorischen Rohmaterial beschäftigen – Tierhaut. Dieses Material diente als Ausgangsmaterial für Kleidung wie für Schuhe oder Kappen und als Werkstoff, etwa für Transportbehälter oder Bindematerial. Im eisenzeitlichen Bergbaurevier stoßen wir immer wieder auf Rucksäcke aus Ziegen- und Schafbälgen. Diese 2500 Jahre alten Stücke wurden in einer besonderen Technik, nämlich ohne Bauchschnitt, abgezogen und dienten zum Transport von Material unter Tage. Bei der "Archäologie am Berg" zeigen wir, wie aus einem Ziegenbalg ein Rucksack hergestellt wird und wie dieser verwendet wurde.

Kosten, messen, schauen

Neben unserem Schwerpunktprogramm sind einige Themen jedes Jahr vertreten. Das betrifft die Grundlagen unserer Forschung in Hallstatt wie die Holzforschung, die Präsentation der aktuellen Ausgrabungsergebnisse und Funde und auch das Essen beziehungsweise das Kochen. Das Thema Holz ist für die Erforschung der Bergwerke von besonderer Bedeutung, denn Holz stellte den bedeutendsten Rohstoff der prähistorischen Bergbaue dar. Unsere Zusammenarbeit mit Michael Grabner von der Universität für Bodenkultur Wien zählt daher auch zu unseren engsten Forschungskooperationen. Bei der "Archäologie am Berg" zeigen wir, wie man mit Röntgencomputertomographen zerstörungsfrei an das Jahrringmuster der prähistorischen Holzgegenstände kommt.

Im Hallstätter Salzberg sind auch ganz unscheinbare "Schätze" erhalten geblieben. Die perfekt konservierten Exkremente der prähistorischen Bergleute. Sie geben Auskunft über die Ernährung der Althallstätter Bergleute – Eintopf aus Hirse, Gerste – noch mit den Spelzen drauf –, Saubohnen und Fleisch. Hier handelt es sich übrigens um das einzige wirklich nachgewiesene prähistorische Rezept, das wir in Europa kennen. Bei der Archäologie am Berg kochen wir es nach. Es kann und soll gekostet werden!

Hinter den Kulissen

Die Vor- und Nachbereitungen für die "Archäologie am Berg" sind umfangreich. Die Arbeiten beginnen mit der Entwicklung des jährlichen Schwerpunktprogramms im Dezember und enden mit dem Abbau der Stationen am Montagmorgen. Dazwischen liegt sehr viel Arbeit – Poster, Folder und Pressemitteilungen sind zu entwerfen, Monitore, Beamer, Mikroskope und Messgeräte zu reservieren, Mitarbeiter zu avisieren, Stationen einzuteilen, Anfragen von Kollegen zu beantworten, Lebensmittel und Werkstoffe für das wissenschaftliche Programm einzukaufen, Mitfahrgelegenheiten zu organisieren und Einladungen zu verschicken.

Wenn dann alle einmal in Hallstatt angekommen sind, muss die Außenstelle vorbereitet werden. Stationen werden aufgebaut, der Lehmbackofen repariert, Schmelzöfen gebaut, Feuerholz gehackt, Hinweisschilder angebracht, Beamer, Laptops und Monitore getestet, Messgeräte aufgestellt, Dekostoffe aufgehängt, Halterungen angebracht, die Beleuchtung eingerichtet, Sonnen- und Regenschutz organisiert ... Die wissenschaftlichen Stationen werden zwei Tage lang von 10 bis 17 Uhr betreut, da müssen alle mit Getränken und Essen versorgt werden. Alles in allem sind wir mehr als 30 Personen. Die meisten von uns schlafen in der Außenstelle des NHM, oben im Hallstätter Hochtal – also Betteneinteilung, Kochplan ... Wir sind bereit! Kommen Sie, besuchen Sie uns! (Kerstin Kowarik, Hans Reschreiter, 18.8.2016)