Graz – Wenn sich Motorräder ein Wohnzimmer einrichten könnten, dann würde es wohl genau so aussehen wie die Werkstatt von Titan Motorcycles. Die einen Eisen, die schon fertig aufgebaut sind, thronen entweder auf schwarz gefärbten Paletten oder haben sich einen Teppich unter die Räder und den Ständer gezogen. Klar, die alte Werkstatt auf der Waltendorfer Hauptstraße in Graz hat schon bessere Zeiten gesehen. Von den feuchten Wänden blättert die Farbe ab, der Boden ist kalt – da ist ein Stückerl Teppich gach ein echter Segen.

Die Titan-Werkstatt ist nicht nur Arbeitsraum, sondern auch Museum, Ausstellungshalle, Wohnzimmer und Showroom. Alte Stiefel, räudige Eisen, aber auch neue Helme im Stil der 60er-Jahre findet man hier.
Foto: Clemens Humenik

Schüchtern hingegen kauern die noch unbearbeiteten Motorräder an der Wand, wie die alte Honda, die scheu auf die fertigen Bikes schielt. Oder die alte Triumph aus den 1940er-Jahren, die rüber auf die Bühne lugt, wo gerade zwei alten Eisen neues Leben eingehaucht wird. Es sind zwei Maschinen von BMW. Wieder einmal.

Foto: Guido Gluschitsch

"Im Moment machen wir sehr viele BMWs", sagt Tom Possod. Obwohl, eigentlich hat es den Anschein, als würde der Michl, Michael Siebenhofer, alles machen. "Na, ich halte ihm den Rücken frei, damit er in Ruhe arbeiten kann", erklärt Tom und setzt sich auf die edle, alte Ledergarnitur, die mitten in der Werkstatt steht, zündet sich eine Zigarette an und beginnt zu erzählen, während im Hintergrund der Michl mit der Flex die Funken fliegen lässt.

Foto: Guido Gluschitsch

Michl ist 36 Jahre alt und hat Fahrzeugtechnik studiert, Tom ist ein 69er, machte die Lehre zum Karrosseur, arbeitete dann bei Motorradhändlern in der Steiermark.

Tom Possod (li.) und Michael Siebenhofer (re.) sind Titan Motorcycles in Graz und bauen alte wie neue Motorräder neu auf. Ihnen allen ist ein besonderer Charme eigen – also Tom, Michl und den Eisen.
Foto: Clemens Humenik

Kennengelernt haben sich die beiden bei Mopar, dem Zubehörlieferanten von Fiat, Chrysler und Jeep. Dort hatten beide wichtige Positionen inne, reisten viel und verdienten wohl auch gescheites Geld, wie man so sagt. Die beiden verstanden sich so gut, dass sie bald ihre Hobbys und ihre Freizeit teilten. Etwa bei Motorradtouren. Bei spartanischen Motorradtouren. Denn auf der einen Tour war jegliches Gepäck verboten, auf der anderen das Zahlen fürs Nächtigen – da kann man sich schon ein Bild und einen Geruch machen ...

Foto: Klemens König

Die erste Tour machten sie bereits mit einem selbst aufgebauten Café Racer – einer Maschine im Stil der Rennmaschinen der englischen Rocker der 1960er-Jahre, die damit vom Café zum nächsten Kreisverkehr und wieder zurückfahren mussten, bevor die Single in der Jukebox zu Ende gespielt war. Nackt, geduckt und mit Stummellenker. Die Maschine!

Foto: Guido Gluschitsch

Da war es dann natürlich nicht mehr weit, bis die beiden sich überlegten, das abgesicherte Leben gegen den Lärm, das Öl am Gewand und den Geruch von Benzin, verschweißtem Blech und Gummi zu tauschen. Sie suchten eine alte Werkstatt in Graz, fanden eine solche und schafften es, den Besitzer davon zu überzeugen, diese nicht abzureißen, sondern den beiden Steirern mit dem irren Plan zu vermieten.

Foto: Guido Gluschitsch

Heute hat der Vermieter selber eine Maschine bei den Titanen stehen. Es ist wieder eine BMW. Sie ist fast fertig aufgebaut. Sie ist fast ganz schwarz.

"Er wollte sie eh ganz schwarz", sagt Tom, "aber die Aluteile, habe ich gemeint, machen wir nicht schwarz, weil sie unlackiert viel schöner sind. Ich geb ihm, wenn er die BMW bei uns rausschiebt, die Nummer von einem Lackierer, hab ich ihm versprochen. Doch jetzt lässt er sie doch so."

Foto: Guido Gluschitsch

Auch wenn Tom und Michl jetzt nicht dazu kommen, ihre eigenen Maschinen zu bauen, weil sie bis Jahresende komplett ausgebucht sind, halten sie dennoch am Grundsatz fest, keine Motorräder aufzubauen, die ihnen nicht gefallen. Was aber eh sehr charmant ist.

Foto: Klemens König

Das treibt eben auch seine Blüten. Denn die beiden versuchen, sich penibel an den Kostenvoranschlag zu halten. "Und wenn ich dann einen Tacho finde, von dem ich meine, dass er besser auf das Motorrad passt, dann verbauen wir den auch, selbst wenn wir den zusätzlichen Hunderter selber drauflegen müssen", sagt Tom.

Foto: Klemens König

Zwischen 15.000 und 25.000 Euro kosten die meisten Umbauten, die bei Titan Motorcycles realisiert werden. Kleinere Projekte konnten auch schon um 8000 Euro umgesetzt werden, und die BMW, die der Michl gerade in der Reißn hat, wird satte 50.000 Euro verschlingen. Die ist aber auch ein besonderer Auftrag, der noch für Aufsehen sorgen wird.

Foto: Klemens König

Anders als in den meisten Werkstätten ist bei Titan Motorcycles der Kunde immer gern gesehen. Im Idealfall fließen viele Stunden Benzingespräche in jeden Motorradumbau mit ein. "Wichtig ist, was ein Kunde mit dem Motorrad machen will", sagt Tom, "ob er Touren fahren will, ob es sein einziges Motorrad ist ..."

Foto: Klemens König

Es muss übrigens kein altes Motorrad sein, damit sich Tom und Michl des Eisens annehmen. Demnächst starten sie mit der Arbeit an einer nigelnagelneuen Yamaha. Da geht es dann für Michl nicht nur darum zu schweißen und zu flexen, da kommen dann auch elektronische Feinheiten wie das CAN-Bus-System dazu, das ja deutlich komplexer ist als der Kabelbaum einer alten BMW. Aber auch darin liegt der Reiz. Und im flotten Ausführen der fertig umgebauten Motorräder, oder "dem Umaschweißen", wie der echte Steirer sagt. (Guido Gluschitsch, 21.8.2016)