Für ein zufriedenes Leben braucht der Mensch Zeit, um sich mit nur einer Sache beschäftigen zu können. Oder auch einfach nur mit sich selbst.

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Immer am Smartphone – Eigenzeit kommt da zu kurz. Natürliche Pausen verschwinden immer mehr aus dem Alltag.

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Wie rar sie nicht sind, die Momente, in denen man ganz für sich ist. Gerade in einer Zeit, in der Arbeit von überall, potentiell 24 Stunden pro Tag erledigt werden kann. Seltener geworden sind da die beruhigenden Spaziergänge nach der Arbeit, das bewusste Mittagessen – frei von störenden Ablenkungen. Dabei sind diese Pausen – Psychologen nennen sie auch "Zeitoasen", "Zeitinseln" oder "Eigenzeit" – überaus wichtig. Durch sie gelingt oft ein ganz anderer Blick auf die Dinge. Man sieht das Meeting, die Begegnung mit der Kollegin, das Gespräch mit dem Chef plötzlich aus einer wichtigen Distanz. Oft kommt auch ein zündender Gedanke für ein nicht-gelöstes Problem.

Im hektischen Alltag muss man sich Zeitinseln bewusst schaffen. Wie das gelingt? Indem man sie sich einplant wie einen Termin, sagt Maren Kaiser, Zeit- und Selbstmanagement-Coach im aktuellen "Spiegel Wissen": "Es klingt vielleicht banal, aber ich muss mir tatsächlich Zeit dafür nehmen." Es gelte, das schlechte Gewissen des Nichtstuns zu überwinden und sich bewusst zu werden, dass einem Pausen zustehen. Sie selbst, sagt Kaiser, stelle sich einen Timer, der sie alle 25 Minuten daran erinnert, inne zu halten. Wer bewusst versuche, sich die Zeitinseln zu schaffen, stelle auch schnell fest, dass das viel öfter geht, als man glaubt. "Das Problem ist, dass wir dazu neigen, alles andere wichtiger zu nehmen als uns selbst", sagt Kaiser.

Wie lange die Pausen sein sollen, dafür gibt es keine fixe Regel. Schon ein kurzes Durchatmen hilft, sagen Experten. Bei der Arbeit sollte das nach zirka einer Stunde erfolgen, sagt Zeitmanagement-Berater Lothar Seiwert. Auch wie man die Pausen füllt, ist jedem selbst überlassen. Das Entscheidende sei jedoch, dass man währenddessen nicht an die nächste Aufgabe oder an das E-Mail des wichtigen Kunden denkt. Digitale Geräte auszuschalten, sei ebenso essentiell – "In dem Moment, wo ich fernsehe oder im Internet surfe, bin ich nicht bei mir." Die Dauer der Auszeiten kann man langsam ausdehnen: Zunächst auf ein oder zwei Stunden pro Woche – später vielleicht sogar auf Wochen oder Monate. Distanz kann helfen, sein Leben neu zu ordnen, zu überlegen, ob man eigentlich noch damit zufrieden ist. Ist der Alltag weit entfernt, wird manches klarer.

So baut man Zeitinseln in seinen Alltag ein:

Prioritäten setzen: Aufgaben und Aktivitäten streichen, die verzichtbar sind.

• "Nein" sagen: Zuerst an sich zu denken, bevor man eine Aufgabe übernimmt, ist gesunder Egoismus. Überfordert man sich, hilft es niemandem.

Nichtstun einplanen: Zeit für sich ist wichtig wie jeder Termin. Es hilft, sie sich in den Kalender einzutragen.

Abgrenzen: Kopfhörer aufsetzen, die Türe zumachen – das zeigt: Ich will nicht gestört werden.

• Wartezeiten nutzen: Im Stau am Nachhauseweg, bei der Ampel oder beim Warten auf den Bus nicht gleich das Smartphone aus der Tasche holen, sondern kurz zur Lieblingsmusik entspannen oder die Umgebung beobachten.

Notbremse ziehen: Wenn alles zu viel wird, gilt: Augen zu, für eine Minute, durchatmen und an ein schönes Erlebnis oder einen lieben Menschen denken.

• Geräte abschalten: So mancher postet, twittert und chattet von morgens bis abends. Ihm kann es am besten helfen, das Smartphone auf stumm oder ganz abzuschalten.

• Genießen: Der Rat, im Moment zu leben, ist abgedroschen, aber wahr. No-Go für Auszeiten: Schon an den nächsten Termin denken.

• Gedanken schweifen lassen: Nichtstun fördert die Kreativität. Vieles wird klarer.

Sich Gutes tun: Yoga? Der Blick ins Grüne? Eine Tasse Tee trinken? Füllen sollte man die Pausen mit Aktivitäten, die einem gut tun. Was das ist, gilt es herauszufinden.

Erlaubnis erteilen: Sich Zeit für sich selbst zu gönnen, ist nicht egoistisch – schließlich muss man selbst stark sein, um andere stützen zu können.
(lib, 22.8.2016)