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Treffer zum 1:0, Treffer zur Entscheidung. Neymar beglückt und entzückt Brasilien.

Foto: REUTERS/Marcos Brindicci

Rio de Janeiro – Als der goldene Elfmeterschuss saß, gehorchte ihm sein Körper nicht mehr. Immer wieder fiel Neymar Jr. nach dem dramatischen Schlussakt im Fußballfinale bäuchlings auf den Boden, von Weinkrämpfen geschüttelt, unfähig zu jubeln. Und dann warf er das letzte Gramm der erdrückenden Last ab. "Ab heute will ich nicht mehr Kapitän der Seleção sein", verkündete in den Katakomben des mythischen Maracanãs ein erst 24-Jähriger. Da war es gerade eine Stunde her, dass er Brasilien und sich selbst beim 5:4 im Elferschießen gegen Deutschland vor einem neuen Debakel bewahrte und kollektive Glückseligkeit schenkte. "Eines der besten Dinge, die mir je in meinem Leben passiert sind."

Natürlich bleibt das "Maracanaço", die Niederlage im entscheidenden WM-Spiel 1950 gegen Uruguay (1:2), ein ewiges Trauma, das "Sete a Um" (7:1) vor zwei Jahren im WM-Halbfinale gegen Deutschland eine nie vernarbende Wunde. Seit Samstagnacht fühlt sich Brasilien aber wieder ein Stück weit als "País do Futebol", als Land des Fußballs.

Aufgerichtet

"Ein historischer Moment", twitterte kurz nach Abpfiff Interims-Staatspräsident Michel Temer. Er sprach vielen seiner Landsleute aus der Seele, als er weiterschrieb: "Es ist die Stunde gekommen, um uns mit der Größe unseres Brasiliens wieder aufzurichten." Fünf WM-Titel, aber kein Olympiasieg: Neymar und Co standen in der Bringschuld. Und weil der Superstar des FC Barcelona vor vier Jahren in London bei der dritten Endspielniederlage der "Canarinhos" nach 1984 und 1988 den Versagerstempel aufgedrückt bekommen hatte, ließ er Dampf ab.

"Ich erinnere mich, wie ihr über uns hergefallen seid, aber wir haben mit Fußball geantwortet. Jetzt müsst ihr mich schlucken", waren seine ersten Worte in die Kamera. Der Spruch ist in Brasilien ein geflügeltes Wort, seit Trainerfuchs Mario Zagallo wegen heftiger Presseattacken nach dem Copa-America-Triumph 1997 in die TV-Kameras giftete.

Weil Deutschlands Kapitän Max Meyer (59.) die Führung durch den Seleção-Kapitän (26., wunderbarer Freistoß) ausglich und so die Dramatik erst schuf, erlebte Brasiliens Fußballtempel wieder einmal einen magischen Moment. "Ich habe so viele Erinnerungen an das Maracanã, und heute ist eine neue geschaffen worden. Was für ein perfektes Finale für die Olympischen Spiele", twitterte der legendäre Pelé.

Obrigado, Neymar

Wem dafür der Dank galt, daran ließ auch Trainer Rógerio Micale keinen Zweifel. "Obrigado, Neymar", danke, Junge, schrie der für Olympia von Erstligist Atlético Mineiro abgestellte Jugendcoach seinem Schützling wieder und wieder ins Ohr. Aber in der Stunde seines größten Triumphes schaute der Macher hinter den jungen Stars lieber voraus. "Für die Zukunft haben wir nun mehr Ruhe, um mit dieser Situation umzugehen. Unser Fußball ist nicht tot. Wir können dem Weltfußball viel geben", sagte der 47-Jährige.

Die Deutschen logischerweise auch. Der nun scheidende Trainer Horst Hrubesch war stolz auf die Juniorenauswahl, die bis zum Showdown auch den Pfiffen der knapp 80.000 im Maracanã trotzte. Dreimal trafen die Deutschen in der ersten Hälfte nur die Stange. "Wir haben zwar Silber gekriegt, aber es fühlt sich an wie Gold", sagte Hrubesch. Bronze holte sich Nigeria mit einem 3:2-Erfolg im Spiel um Platz drei gegen Honduras. (sid, red 20.8.2016)

Finale:

Brasilien – Deutschland 5:4 i.E. 1:1 n.V. (1:1,1:0).

Tore: Neymar (26.) bzw. Meyer (59.)

Spiel um Platz drei:

Honduras – Nigeria 2:3 (0:1). Tore: Lozano (71.), Pereira (89.) bzw. Sadiq (34., 56.), Umar (49.)