Militärpolizistinnen im Kosovo: Im Gegensatz zu ihnen sind Panzerfahrerinnen und Pilotinnen beim Bundesheer bisher "leider nur die Ausnahme".

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Bis heute dümpelt der Frauenanteil beim Bundesheer bei 2,6 Prozent, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) will das nun ändern.

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Doskozils Frauenberaterin Irmtraut Karlsson empfielt sprachliche Veränderungen beim Militär, weniger Männer-Fotos beim Web-Auftritt – und konnte schon erwirken, dass "jedes interessierte Mädchen an einem der Girl's Camps teilnehmen kann".

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STANDARD: Bis heute dümpelt der Frauenanteil beim Bundesheer bei 2,6 Prozent. Über den Sommer sollen Sie im Auftrag von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) Vorschläge erarbeiten, wie sich der Anteil der Soldatinnen zu einem zweistelligen Betrag steigern ließe. Schon auf Ursachen gestoßen, was da bisher schieflief?

Karlsson: Grundsätzlich möchte ich vorausschicken, dass das Bundesheer hohen Rekrutierungsbedarf hat, weil es derzeit 800 nicht besetzte Stellen im Unteroffiziersbereich gibt, viele Pensionierungen anstehen und in den kommenden Jahren sukzessive der Truppenanteil erhöht wird. Im Herbst startet auch ein neuer Lehrplan für Unteroffiziere, der vorrangig ihre Ausbildung und nicht das Ausscheiden zum Ziel hat. Bisher war es nach der Grundausbildung oft so, dass die angehenden Berufssoldaten zu Beginn ihrer Kaderausbildung ein auch körperlich intensives Programm durchmachen mussten, damit nur die Besten bleiben – und das hat leider auch dazu geführt, dass viele Frauen aufgegeben haben.

STANDARD: Gibt es weitere Defizite, die das Militär bisher für Frauen als Arbeitgeber unattraktiv machten?

Karlsson: Im Zuge meiner Evaluierung bin ich auf 42 Titel, also Berichte, Protokolle, Empfehlungspapiere, gestoßen, die alle Verbesserungsvorschläge enthielten. Angefangen bei den schlecht sitzenden Kampfanzügen für Frauen, die erst zurechtgeschneidert werden mussten, bis hin zu einer Studie der Landesverteidigungsakademie, die feststellt, dass die meisten Frauen im familiären Umfeld rekrutiert werden, weil von rund der Hälfte von ihnen schon der Großvater, der Vater oder der Bruder beim Militär war. Doch das ist eine begrenzte Gruppe, daher geht es jetzt darum, auf Frauen ohne diesen Hintergrund zuzugehen.

STANDARD: Und was empfehlen Sie an Maßnahmen?

Karlsson: In einem ersten Schritt konnte ich mithilfe des Ministerkabinetts erwirken, dass im heurigen Herbst wirklich jedes interessierte Mädchen an einem der Girl's Camps des Bundesheeres (bei denen einfache Übungen im Gelände trainiert werden, Anm.) teilnehmen kann. Denn im Mai gab es für die Termine im September, die mit den Jägerbataillonen in St. Michael und in Güssing angeboten werden, 262 Anmeldungen, jedoch nur 150 Plätze. Daher haben wir nun noch zwei Termine im Oktober organisiert – in Mautern und in Klagenfurt.

STANDARD: Gibt es für Sie auch bereits ein Best-Practice-Beispiel eines anderen Staates?

Karlsson: Auffallend ist, dass vor allem in den neuen EU-Mitgliedsstaaten Frauen in Uniform seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit sind. Daher ist es für diese Armeen bis heute offensichtlich einfacher, Frauen zu rekrutieren. In Deutschland wiederum gilt unter weiblichen Lehrlingen und Schülerinnen laut einem aktuellen Bericht der Welt am Sonntag die Bundeswehr nach der Polizei und Adidas als drittattraktivster Arbeitgeber – das ergab eine Umfrage unter tausend Befragten. Dieses Ergebnis hängt natürlich auch damit zusammen, dass ein Teil der jungen Frauen aus dem Gebiet der Ex-DDR stammt, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, aber Soldatinnen bisher quasi immer einen krisensicheren Job hatten.

STANDARD: Apropos Polizei: Der weibliche Anteil unter den heimischen Exekutivbeamten macht mittlerweile doch an die 14 Prozent aus. Was macht die Polizei besser?

Karlsson: Hier ergeben Studien, dass die Frauen ein genaueres Bild von den Berufsperspektiven bei der Polizei haben – also, womit sich eine Verkehrspolizistin oder eine Hundeführerin beschäftigt. Bei den Soldatinnen ist das bis dato offenbar unklar, da herrscht die Annahme vor, Krieg steht ja keiner bevor, also was gibt es beim Bundesheer für uns überhaupt zu tun? Deswegen gilt es klarzumachen, wofür Soldatinnen konkret ausgebildet werden – etwa für Katastrophen- oder Auslandseinsätze, in denen sie etwa als Militärpolizisten auch gehobene Positionen einnehmen.

STANDARD: Grundsätzlich stehen Frauen beim Bundesheer – anders als in einigen anderen Armeen – aber alle Funktionen offen, von der Panzerfahrerin bis zur Pilotin. Warum hat das bisher kaum gezogen?

Karlsson: Schon Mitte der Neunziger habe ich davor gewarnt, dass die drei Ks im Frauenalltag, also Kinder, Küche, Kirche, beim Bundesheer zu den drei Ls werden, nämlich Leistungssport, Leibschüsseln, Listen, wie ich es nenne. Denn unter den derzeit 373 Soldatinnen gibt es 92 Spitzensportlerinnen, 84 bei der Sanität und nur 197 sind Kadersoldatinnen – und viele davon sind bei der Stabsunterstützung tätig. Das heißt, dass sie vor allem mit organisatorischen Aufgaben befasst sind. Die Panzerfahrerin und die Pilotin sind also bis heute leider nur die Ausnahme.

STANDARD: Inwiefern spielt der drohende Kasernenton als Abschreckung für Frauen eine Rolle?

Karlsson: Ich war lange genug in der Partei und in der Gewerkschaft tätig, dass ich heute sagen kann: Wenn es heikel wird, herrscht mitunter überall ein recht rauer Umgangston. Aber eines gilt schon bis heute beim Bundesheer, das ich gern das Leutnant-Gustl-Prinzip nenne: Ständig ist dort vom "Kamerad", vom "Mannschaftsgeist" die Rede – mit dem Frauen recht wenig anfangen können. Man muss sich daher insgesamt überlegen, wie man ein Heer einer demokratischen Republik gestaltet.

STANDARD: Aber zunächst gleich einmal alles durchgendern?

Karlsson: Mein Kompromissvorschlag wäre, dass man sich bei der Anrede künftig einfach der Funktionsbezeichnungen bedient – dann ist das halt zum Beispiel der Brigadekommandant oder die Brigadekommandantin, denn das lässt sich nahezu alles für beiderlei Geschlechter durchdeklinieren. Und auch beim Webauftritt des Bundesheeres sieht man, wenn man sich zu den konkreten Aufgabenfeldern für die Soldaten und Soldatinnen durchklickt, viel zu viele Fotos von Männern. Auch das, finde ich, gehört geändert. (Nina Weißensteiner, 22.8.2016)