Wie Recycling funktioniert, finden die Kinder gemeinsam mit Josefin Schramek auf dieser Forschungsinsel heraus.

Foto: Kinderbüro der Universität Wien/APA/Thomas Preiss

Inskribieren muss man sich auf der Kinderuni on Tour natürlich auch.

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Sidra spricht Arabisch, Türkisch, Kurdisch und Deutsch und möchte Dolmetscherin werden.

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Unter einem winzigen Punkt auf der Haut verstecken sich 500 Zellen, erklärt Biologin Natascha Rziha.

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Überlegen und nachdenken in der Gruppe ...

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... und natürlich auch ausprobieren. Hier: kommunizierende Gefäße.

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"Den Wissensdurst, die Neugierde und das Tunwollen: Das haben alle Kinder gemeinsam", sagt Josefin Schramek, die seit vier Jahren als Vermittlerin bei der Kinderuni on Tour mitmacht. Die Arbeit mit Kindern, die auf der Flucht nach Österreich gekommen sind, unterscheidet sich laut Schramek nur durch die Sprachbarriere von der Arbeit mit österreichischen Kindern.

Den Auftakt machte die Kinderuni on Tour heuer in Floridsdorf im Haus Siemensstraße, in dem Asylwerberinnen und Asylwerber untergebracht sind. So drängten sich im Hof des Quartiers am Montagnachmittag gut sechzig Kinder um die Forschungsinseln. Gemeinsam mit geschulten Vermittlerinnen und Vermittlern konnten sie dort Experimente durchführen. "Wir machen mit den Kindern Versuche quer durch alle Wissenschaften: Mathematik, Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Kulturgeschichte, Sprachwissenschaften", erklärt Schramek.

Forschen und staunen

Wie baue ich einen Unterwasserstaubsauger? Wie binde ich eine Toga? Warum schlägt das Herz schneller, wenn man Sport macht? Wie funktioniert eine Rakete? Das sind ein paar der Fragen, deren Antworten sich die Kinder im Laufe eines Nachmittags bei der Kinderuni on Tour erarbeiten können.

"Für die Kinder ist es sinnvoll, so zu lernen, weil ihnen Wissenschaft auf spielerische Art und Weise nähergebracht wird", erklärt Schramek, die auch im Kindermuseum arbeitet und von den Kindern Josy genannt wird. Sie findet es schön, Kinder zum Staunen zu bringen. "Es sind oft sehr einfache Sachen, die Kinder begeistern."

Eines der älteren Kinder ist die zwölfjährige Sidra. Gerade hat sie bei Josy gelernt, wie lange Abfälle brauchen, um sich abzubauen: Ein Kaugummi braucht beispielsweise fünf Jahre, eine Aludose 400 Jahre. Ob Sidra auch einmal Chemikerin oder Physikerin werden möchte? Nein, lieber Dolmetscherin. Sie spricht schon Arabisch, Türkisch, Kurdisch und Deutsch, erklärt sie stolz.

Warum nicht alle die Zunge rollen können

Den Höhepunkt der Veranstaltung im Haus Siemensstraße stellt eine Vorlesung der Molekularbiologin und Immunologin Natascha Rziha dar. Rziha erklärt den Kindern, was es mit dem menschlichen Erbmaterial auf sich hat. Sie zeichnet sich mit einem blauen Marker einen Punkt auf die Hand: "Unter diesem kleinen Punkt sind 500 Zellen versteckt. Die sind so klein, dass wir sie gar nicht mit dem Auge sehen können." Die Kinder sind gespannt. Für diejenigen, die der Vorlesung nicht folgen können, sind Dolmetscherinnen und Dolmetscher vor Ort.

"Dein ganzer Körper ist aus Zellen aufgebaut", sagt Rziha, "und in diesen Zellen gibt es dann einen ganz besonderen Ort, wo dein Erbmaterial, das dich so einzigartig macht, das dich so aussehen lässt, wie du aussiehst, versteckt ist." Dass manche Kinder die Zunge rollen können und andere nicht, hängt genauso von der DNA ab wie, dass wir unseren Eltern und Geschwistern ähnlicher schauen als unseren Freundinnen und Freunden, erklärt die Biologin.

Kinderbetreuung in der Asylunterkunft

Die Kinderuni on Tour und ihren mobilen Hörsaal gibt es mittlerweile das zehnte Mal, aber es ist das erste Mal, dass sie auch in Quartieren für Asylwerberinnen und Asylwerber Station macht. Das ermöglicht eine Kooperation mit den Kinderfreunden und ihrem Projekt Connect. Connect bietet seit April zweimal in der Woche Kinderbetreuung im Quartier an.

Das Haus Siemensstraße verfügt auch über eine eigene Schule des Wiener Stadtschulrats. Die meisten Kinder im Haus gehen in diese Schule. Sidra langweilt sich dort ein bisschen, die junge Syrerin beklagt etwa, dass es keine "richtige" Schule ist, weil es keine Tests gibt. Erst wenn Plätze in Schulen im Bezirk frei werden, kommen die Kinder in reguläre Schulen.

Therapeutische Unterstützung in der Schule

Thomas Nossek, der die Kids im Rahmen von Connect betreut, fände es wichtig, dass sie mehr aus dem Quartiergelände herauskommen: "Sie sollten mehr mit anderen Menschen in Kontakt kommen und auch sehen, wie die Welt da draußen funktioniert bei uns."

Tamima Baldass, Leiterin des Hauses Siemensstraße des Arbeiter-Samariter-Bunds, erklärt die Vorteile der Schule im Haus: Es gibt ein zusätzliches Team aus Sozialpädagogen, Sozialarbeiterinnen und Therapeutinnen, die sowohl das Lehrpersonal als auch die Kinder und ihre Eltern unterstützen. "Für die Eingewöhnungsphase ist die Schule im Haus sehr sinnvoll. Gerade in Bezug auf die Traumatisierung der Kinder halte ich es für besser, wenn sie nicht gleich in einer Alltagsklasse untergebracht werden, wo sie niemanden kennen und vermutlich auch mit Rassismus konfrontiert sein werden", erklärt Baldass. Man müsse aber "aufpassen, dass es bei der Übergangsphase bleibt und dann der Wechsel in eine andere Schule klappt und es nicht zu einer Ghettoisierung kommt".

Warten auf Asyl

Die Kinderuni on Tour will Kindern Wissenschaft näherbringen und ist damit seit Jahren erfolgreich. Ob die Kinder in der Siemensstraße später einmal studieren und forschen werden, hängt aber nicht nur von Interesse und Motivation ab. Die Möglichkeiten für Jugendliche, einen Pflichtschul- und Maturaabschluss zu machen, müssen gewährleistet sein. "Die Kinder im Quartier sind im Moment gut versorgt, es braucht aber dringend Bildungs- und Freizeitangebote für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche und Erwachsene", erklärt Baldass. Es fehlen professionelle Intensivdeutschkurse und Alphabetisierungskurse, da viele Menschen nur die arabische Schrift beherrschen.

Doch zuallererst brauchen die Kinder Asyl. Im Schnitt dauern die Asylverfahren eineinhalb bis zwei Jahre. Nur Menschen aus Syrien bekommen ihren Bescheid schneller. Sidra wartet nun seit sechs Monaten auf Asyl, aber sie ist zuversichtlich: "Wenn es so weit ist, kann ich hier ausziehen und in eine andere Schule gehen. Und danach kann ich Dolmetsch studieren." (Katharina Gruber, 24.8.2016)