Große Runden, großes Essen, kleine Rechnung – ist das Italien? Certo, in der Margaretenstraße.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Tagliolini al limone: Geriebene Zitronenschale, Butter, ein Hauch Parmesan und eierschwere Pasta, die kaum 30 Sekunden Kochzeit braucht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

In der Vinothek Al Bacco an der Wiener Margaretenstraße wurde gekocht, jeder Passant konnte das durch die großen, im Winter stets angelaufenen Fenster erkennen: lange Tische mit karierten Tischtüchern, Platten voll Antipasti, Paste, Secondi, dazu flaschenweise Wein. Über allem wachend der Padrone, ein Mann mit Schürze und gütigem Lächeln unterm Schnurrbart: Alberto Stefanelli. Wie sehr die Vinothek den amtlichen Erfordernissen an ein Restaurant entsprochen hat, verliert sich im Nebel grandios versumperter Abende.

Jedenfalls wurde über das Al Bacco kaum je berichtet – und wenn, dann auf eine Art, die nur Eingeweihte zu deuten wussten. Es war ein Ort, den man durch Zufall entdecken musste, von wissenden Freunden verschleppt. Chef kocht, Gast isst, und zwar ohne Diskussion einen nicht enden wollenden Reigen kleiner Vorspeisen, dann eine Pasta oder zwei, hinterher Fleisch geschmort, gedünstet, oft gegrillt, Dessert. Italienisch wie nur, bis hin zum Preis: Mehr als 35 Euro kostete so ein exzessiver Spaß nur dann, wenn im Herbst auch noch Trüffeln übers Essen gehobelt wurden.

Salumi, Schinken und frittierte Zucchiniblüte

Seit ein paar Monaten ist Stefanelli umgezogen, nachdem vis-à-vis ein Lokal zu haben war, mit echter Gastroküche, echter Schanigartengenehmigung und ein paar anderen Requisiten, die den Betrieb eines echten Restaurants erleichtern. Geändert hat sich so gut wie nichts, die Tische sind unverändert dicht besetzt, der Preis lächerlich, die Speisen von makelloser Deftigkeit. Geraucht wird auch noch. Aber plötzlich steht davon in Zeitungen – da ist es wohl das Mindeste, auch die RONDO-Leser einzuweihen.

Speisekarte gibt es keine, dafür Essen, bis man Stopp sagt. Das sollte nicht zu gach sein, Preise wie hier gehen sich nur aus, wenn alle Hunger haben. Nämlich so: vorneweg Crostini, wie in Stefanellis Toskana nicht anders möglich; Bruschetta voll süßer Kraft, schmal geschmierter Gorgonzola, eine kurz gratinierte, zimtduftige Salsiccia.

Dann Salumi und Schinken, dazu eine deftig frittierte Zucchiniblüte – spätestens da wird die zweite Flasche Prosecco unvermeidlich. Jetzt rohe Steinpilze und Parmesan, hauchdünn gehobelt, mit wenig Öl und Pfeffer vermengt, sodass die Kraft der Ingredienzien sich gegenseitig potenziert, wow. Dann Frittata, fett, geil, käsig und von federnder Elastizität, wie ein Daunenkissen. Burrata von abhebender Frische und kühler, kaum fassbarer Cremigkeit.

Pasta al limone

Weiter geht es mit Parmigiana di melanzane, wie sie in der Toskana zu sein hat: ohne Mozzarella, die Früchte geschält, mit Parmesan und Paradeisersalsa zu feinem Schmelz geschichtet. Jetzt erst die Pasta: Zu Tagliolini al limone raten die Habitués, sie haben recht. Geriebene Zitronenschale, Butter, ein Hauch Parmesan und eierschwere Pasta, die kaum 30 Sekunden Kochzeit braucht: So wahnsinnig schnell kann großes Glück gehen.

Und dann: Bistecca, das Fleisch von hier, das Know-how vom Stiefel. So kompromisslos krustig und blutig zugleich wissen nur Lateiner einen Brocken Fleisch zur Perfektion zu grillen. Die intensive Rauchigkeit will balanciert werden, weshalb ein weiteres Mal Steinpilze auf dem Tisch landen, ganz zart, nur mit Salz zu seidiger Molligkeit gedünstet.

Danach ist man geschafft, aber auf irgendwie bekömmliche Art – theoretisch wäre auch für Tiramisu noch Platz. Aber das Glück ist vollkommen, alla prossima. Noch ist Ferragosto, ab Montag wieder geöffnet! (Severin Corti, RONDO, 26.8.2016)