Wien – Wenn in den ersten Minuten von Elliot, der Drache die Eltern des kleinen Pete in typischer Disney-Manier dran glauben müssen, kann man von Bambis perfider Rache sprechen. Ihr fatales Ende nimmt die Urlaubsfahrt der Bilderbuchfamilie nämlich durch einen Hirsch, der plötzlich vor das Auto springt. Allein mit der anschließenden Einstellung, in welcher der im sich überschlagenden Auto festgeschnallte Pete mit großen Augen verfolgt, wie seine Welt auf den Kopf gestellt wird, rechtfertigt, dass Regisseur David Lowery trotz fehlender Blockbuster-Erfahrung mit der Neuerfindung von Elliot, das Schmunzelmonster (1977, damals noch ein Musical) beauftragt wurde.

1977 musste man Elliot noch per Zeichentrick in den Realfilm einfügen. Heute kommt der grün bepelzte Flughund aus dem Computer. Seine Seele hat er dabei nicht verloren.
Foto: Disney

Neben all den anderen Neufassungen hauseigener Filmklassiker, von Alice im Wunderland bis zu The Jungle Book, die Disney in diesem Jahrzehnt auf die Leinwand brachte, ist Elliot mit einem vergleichsweise geringen Budget und der weniger populären Vor lage so etwas wie der sympa thische Underdog. Und, trotz enttäuschender Einspielergebnisse, ein wunderbar klassischer Familienfilm. Lowery, der mit der Independent-Produktion The Saints auf sich aufmerksam machte, liefert mit der unaufgeregten Geschichte über einen Buben und seinen tierischen Freund ein Ge genstück zum allgegenwärtigen ADHS-Kino.

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Natürlich, der 1977 noch als Zeichentrickfigur in den Realfilm eingefügte Drache kommt jetzt aus dem Rechner, und es braucht eine 3-D-Brille, um ihn in all seiner moosgrün bepelzten Pracht zu bewundern. Doch trotz aller Effekte haftet dem Anfang der 1980er -Jahre angesiedelten Film etwas von den Produktionen jener Zeit an. Wie Fuchur in Die unend liche Geschichte erinnert der seinen eigenen Schwanz jagende Elliot an einen übergroßen Hund, bei einer Massenkarambolage von Polizeiautos mag man die Blues Brothers denken, und wenn eine Kinderschar durchs Bild radelt, fragt man sich, ob nicht ein Ex traterrestrischer mit von der Partie ist.

Große Bilder, große Gefühle

Das Erzähltempo ist dabei gemächlich. Nach besagtem Autounfall bleibt Pete (Oakes Fegley) in der amerikanischen Wildnis zurück, um in der Obhut des sanften Drachen über die nächsten sechs Jahre einen auf Mogli zu machen. Als die herzensgute Forstbeamtin Grace (Bryce Dallas Howard) schließlich den mittlerweile elfjährigen Struwwelpete findet und in die Zivilisation zurückbringt, führt dies zu zwei Problemen: Der Findling vermisst seinen Wald samt flugfähigem Kameraden, und ignorante Holzfäller rufen zur Drachenjagd. Zum Glück gibt es aber noch Robert Redford, der als Grace’ Vater vom Geschichten onkel zum tatkräftigen Fabeltierretter wird.

Wie das ausgeht, kann sich jeder denken, der schon ein Lassie-Abenteuer gesehen hat. Was Lowerys Arbeit auszeichnet, ist weder die überraschende Wende noch die subtile Charakterentwicklung oder der anarchische Witz. Ohne Scheu vor großen Bildern und Gefühlen wird vielmehr, Steven Spielberg lässt grüßen, die Sehnsucht nach einer Kindheit gefüttert, die geprägt ist von einer intakten Familie und der Möglichkeit, auf Bäume oder, besser noch, Drachen zu klettern. Auch das soll einmal erlaubt sein. (Dorian Waller, 26.8.2016)