Sarah Wiener über Hasspostings: "Ja, die kleinen Feiglinge sollen ruhig kommen."

Foto: ORF/Zero One Film

Beim Fischausnehmen auf der J. von Cölln.

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"Die Küche ist dabei ein Türöffner, ein wunderbares Schlüsselloch", sagt Wiener.

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Wiener: "Trotz Prophezeiung – 'Du wirst kotzen' – hab ich nicht gekotzt."

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STANDARD: Auf dem Fischkutter geht es züchtig zu wie in einem Mädchenpensionat. Waren wirklich alle so brav?

Wiener: Es wird schon ab und zu geflucht, aber wenn der Kapitän kein Choleriker ist, ist es die Crew auch nicht. Es kann natürlich sein, dass sie sich gezügelt haben wegen mir und der Kamera. Wir haben schon Witze gemacht ...

STANDARD: ... aber keine ordinären?

Wiener: Na gut, das ist ja immer die Frage, wie man das sieht.

STANDARD: Die zentrale Erkenntnis über Fischerei?

Wiener: Grundsätzlich: Das ist eine Serie, und es geht darum, geschlossene Welten und Menschen, die darin arbeiten, näherzubringen. Bisher stand bei meinen Reisen immer das Lebensmittel oder die Kochart im Mittelpunkt. Dieses Mal wollte ich mich mit den Menschen verbinden und schauen, wie sie leben. Ich habe Spaß daran, in fremde Welten einzutauchen, mich auf Menschen ohne Vorurteil und mit möglichst unschuldigem Augenaufschlag einzulassen, zu sagen: Gut, hier bin ich. Wer bist du? Was machst du da? Die Küche ist dabei ein Türöffner, ein wunderbares Schlüsselloch, um in diese Welt hineinzukommen und sofort etwas Gemeinsames zu haben, weil Kochen und Essen einfach verbindet.

STANDARD: Wieso die Fischer?

Wiener: Die Fischerei gehört zu den härtesten Berufen überhaupt, sauanstrengend und extrem gefährlich. Es gibt kaum einen Captain, der im Laufe der Zeit nicht Crewmitglieder verloren hätte oder die nicht einen Finger oder den Arm ab haben. Wir wollten ein kleines Boot, auf dem noch viel mit Handwerk passiert. Davon gibt es in der Nordsee nicht mehr so viele, und das berührt mich auch. Ich habe eine Schwäche für alles Handwerkliche. Im kleinen Boot spürt man natürlich auch mehr die Natur.

STANDARD: Wie lange waren Sie an Bord?

Wiener: Sechs Tage. Das ist das Besondere: Es gibt kein vorgeschriebenes Drehbuch, nur Richtlinien und Anker. Grundsätzlich kann ich machen, was ich will, und das liebe ich an diesem Format.

STANDARD: Wie ging's mit der Seekrankheit?

Wiener: Trotz Prophezeiung – "Du wirst kotzen" – hab ich nicht gekotzt. Der Captain sagte, es sei das erste Mal, dass sich eine Landratte in so langer Zeit nicht übergeben hat. Dabei ist es in der Kombüse noch schlimmer als oben. Du hast keine Orientierung, und wenn du beim Schneiden noch auf das Brettl schauen musst, strapaziert das wirklich den Gleichgewichtssinn. Ich habe gehofft, dass mir nicht schlecht wird, andernfalls hätten wir Probleme mit dem Dreh gehabt. Wir können ja nicht pro Folge 45 Minuten spielen und das Einzige, das wir sagen können, ist: "Und noch immer liegt sie im Bett." Umgekehrt hätte es lustig sein können, wenn man sieht, wie ich über der Reling hänge.

STANDARD: Wie ging's mit Schlafen?

Wiener: Du fällst tot ins Bett. Es ist schon eine besondere Situation: Es riecht, es ist stressig, und man muss auf Kommando schlafen, oft nur eine Stunde. Ich war am Ende ganz froh, dass ich das nur eine Woche gemacht habe. Oben hast du rutschige Böden und Eisenketten, die dich erschlagen können, unten hast du ein spitzes Messer und musst auf schwankendem Boden ein paar 1.000 Fische abstechen, oder du stehst im eiskalten Eisraum und räumst Tonnen von Fisch hin und her. Einen richtigen Lieblingsjob hatte ich auf dem Kutter nicht.

STANDARD: Äußerlich ist nichts zu bemerken. Sie schauen frisch und munter aus, das Haar sitzt perfekt.

Wiener: Wirklich? Ich föhne meine Haare so gut wie nie! Wenig waschen hilft, und weil ich immer so herumlaufe, sieht man wahrscheinlich vom einen auf den anderen Tag keinen großen Unterschied. Das ist das Geheimnis: Wenn man von Anfang an so aussieht, wie man eben ungehübscht aussieht, dann gibt's keine Überraschungen. In der Serie fände ich es auch unfair den anderen gegenüber, die andere Probleme haben, als sich in die Maske zu begeben. Die arbeiten lange und hart, und dann kann ich nicht mit Lippenstift und Stöckelschuhen antanzen. Dass ich eine Stunde früher aufstehe, um den Föhn zu suchen? Nein, dafür sind mir meine Zeit und meine Energie zu kostbar. Das Gute ist ja auch, wenn mich Leute auf der Straße sehen, sagen sie: Sie sehen ja viel besser aus als im Fernsehen. Klar: Meistens gibt es kein gutes Licht, das Mittagslicht von oben kann grausam sein, und blader macht das Fernsehen auch. Besser so, als umgekehrt.

STANDARD: Ein ernsteres Problem haben Österreichs Wirte. Immer mehr müssen zusperren. Ist das der Fluch der Verherrlichung des gesunden Essens?

Wiener: Nein, ich glaube eher, es ist die Kokonisierung der Gesellschaft. Wir sind unsicher, bleiben zu Hause und igeln uns ein oder bestellen beim Billigitaliener irgendetwas für fünf Euro und hauen uns das in der Plastikschüssel vor dem Computer hinein.

STANDARD: Dabei sind doch alle bio. Was ist davon zu halten, wenn sich der Diskonter das grüne Mäntelchen umhängt?

Wiener: Ich meine, alle Menschen sollten sich gesund, frisch und nachhaltig ernähren können. Zwischen EU-Bio und Demeter ist ja allerdings noch ein Kilometer. Diskonter zerstören Vielfalt und begünstigen eine Abwärtsspirale von Qualität, weil der Preis das einzige Kriterium ist. Die Zeche zahlt dann die ganze Gesellschaft, die Natur und unsere Enkel. Bio allein ist schon ein Gelände, auf dem dem man sich orientieren kann, aber Nachhaltigkeit ist ein gesamter Kreislauf, da wird meist beim Industrie-Bio auch nicht sehr konsequent darauf Wert gelegt. 3.000 Biohendln im Stall sind eben auch nicht wirklich nachhaltig, aber mir sind die 3.000 immer noch lieber als 100.000 mit Antibiotika. Es ist das Landwirtschafts- und Ernährungssystem, das einfach falsch ist.

STANDARD: Stichwort Hasspostings gegen Frauen: Sind Ihnen bekannt?

Wiener: Ich glaube, es gibt in jeder Gesellschaft vier Prozent Geistesgestörte, die setzen sich täglich hin und schreiben allen Prominenten einmal rundherum. Das muss man nicht ernst nehmen. Ich sehe aber nicht eine Kultur des Nichtmiteinanderredens, sondern des sich Nur-noch-Behauptenwollens und Anschreiens, was ich persönlich widerlich finde. Heckenschützen gehören an den Pranger gestellt und sozial geächtet. Aus der Anonymität gegen jemanden zu schießen, ist der grindige Bodensatz einer Kultur, in der ich nicht gern beheimatet bin.

STANDARD: Und warum speziell gegen Frauen?

Wiener: Diesen Frauenhass gab es schon immer. Manches ist mehr Frauenangst, die dann so kaschiert wird. Jetzt können sich Männer, die meist soziale Analphabeten sind, in einem Medium äußern und bekommen Zuspruch von ihresgleichen. Die Leute fühlen sich unterstützt, weil sie auf einmal Aufmerksamkeit bekommen. Ich bekomme ganz viel positive Post, auch ernstzunehmende Kritik, aber ich besitze auch einen Ordner mit Sarah-Wiener-Beschimpfungen, über ich ich mich köstlich amüsiere, weil sie so absurd sind.

STANDARD: Ist das wirklich zum Lachen?

Wiener: Man muss es so sehen. Ich lasse mir doch nicht meine gute Laune oder meinen Idealismus oder meine strotzende Lebensfreude nehmen von kleinen Feiglingen, die von der Hecke schießen und gar nicht in einen Austausch kommen wollen.

STANDARD: Sie wissen aber schon, was jetzt passiert: Die kleinen Feiglinge kommen und schießen.

Wiener: Ja, die kleinen Feiglinge sollen ruhig kommen. Gern auf meine Homepage, da steht meine Mailadresse. Bitte nicht zu lang, denn ich habe nicht allzu viel Zeit.

STANDARD: In der dritten Folge waren Sie bei Soldaten. Wie ging's da?

Wiener: Schwierig, weil ich leider so gar keine Befehlsempfängerin bin. (Doris Priesching, 27.8.2016)