Die umstrittenen Burkini-Verbote an französischen Stränden sind laut Gerichtsentscheid unrechtmäßig.

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Paris – Auf der französischen Rechten üben die Anhänger von Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy scharfe Kritik an dem Urteil des Staatsrates, der die lokalen Burkiniverbote am Freitag aufgehoben hat. "Man darf diejenigen, die die Republik provozieren, nicht gewinnen lassen", forderte der Abgeordnete Eric Ciotti. "Wir brauchen deshalb ein Gesetz, wie es auch Nicolas Sarkozy gewünscht hat."

Auch andere konservative Präsidentschaftskandidaten wie Jean-François Copé fordern als Antwort ein Gesetz, um den Gebrauch des Burkinis zu verbieten oder einzuschränken; die Frage sei politischer Art und dürfe deshalb nicht von einem Gericht entschieden werden.

Gericht untersagt Burkiniverbot

Der Conseil d'Etat, das höchste Verwaltungsgericht des Landes, stellte in seinem Urteil klar, dass die persönlichen Freiheiten von den Behörden nur bei "erwiesenen Risiken" eingeschränkt werden dürften. Das sei im Fall des Burkinis nicht der Fall. Das Gericht argumentierte entsprechend seiner Funktion rein verwaltungsrechtlich und verzichtete auf politische Erwägungen – etwa zur Rolle der Frau im Islam oder der angeblichen Stigmatisierung von Musliminnen.

Es lehnte die Argumentation einzelner Gemeinden ab, das Tragen von Burkinis störe Ruhe und Ordnung an den Stränden, weil es bei anderen Badegästen verängstigte oder verärgerte Reaktionen provoziere. Der Staatsrat sieht darin keinen Grund und kein Recht, die Burkiniträgerinnen mit Bußen – von bis zu 38 Euro – zu belegen. Er erklärt, die Verbote stellten eine "schwere und offenkundig illegale Beeinträchtigung der Grundfreiheiten" dar.

Menschenrechtler legten Rekurs ein

Der Entscheid des dreiköpfigen Gerichts war über die Landesgrenzen hinaus mit großer Spannung erwartet worden. Über dreißig Küstenorte hatten den Burkini von ihren Stränden verbannt. An vier Orten hatte die Polizei Musliminnen mit einer Geldstrafe belegt; meist waren die Trägerinnen des Ganzkörperanzugs allerdings nur verwarnt worden.

Im französischen Badeort Villeneuve-Loubet reichte die französische Menschenrechtsliga einen Rekurs gegen das Verbot ein. Der Staatsrat beriet am Donnerstag stundenlang, vertagte den Entscheid aber unüblicherweise auf Freitag – was allein schon zeigte, wie umstritten die Frage ist. Der Terroranschlag in Nizza am 14. Juli mit 86 Toten sorgte an der ganzen Côte d'Azur für Spannungen. Dazu positionieren sich in Frankreich die Präsidentschaftskandidaten für die kommenden Wahlen; Ex-Präsident Nicolas Sarkozy begrüßte die ausgesprochenen Verbote der islamischen Badeanzüge, da der Burkini eine "Provokation" sei.

Das französische Komitee gegen Islamophobie begrüßte den Gerichtsentscheid und meinte, von rechts außen über die konservativen Republikaner bis zum sozialistischen Premierminister Manuel Valls hätten allzu viele Politiker der populistischen Forderung nach einem Burkiniverbot nachgegeben. Vertreter von Linksparteien äußerten die Hoffnung, dass der Entscheid zur "Befriedung" der religionspolitischen Spannungen in Frankreich beitragen werde.

Gemeinden können Verbot aufheben

Dreißig andere Gemeinden, die ein Burkiniverbot erlassen haben, sind von dem Entscheid in Sachen Villeneuve-Loubet formell nicht betroffen, zumindest Nizza und Fréjus an der Côte d'Azur sowie Sisco auf Korsika wollen es beibehalten. Der Entscheid des Staatsrates ist erst provisorisch, die endgültige Begründung steht noch aus.

Die Burkini-Affäre hatte weit über Frankreich Wellen geschlagen. Der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau oder der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan sprachen sich dezidiert für die Bekleidungsfreiheit aller Frauen aus. In Frankreich waren laut einer Umfrage 64 Prozent der Franzosen für ein Verbot des Burkinis. (Stefan Brändle, 26.8.2016)