Investor Hansi Hansmann schlägt vor, dass Schüler und Eltern Lehrer bewerten, um deren Leistungen zu verbessern. Auch variable Gehälter kann er sich im 2+1 Sommergespräch mit dem STANDARD vorstellen. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid ist skeptisch. Sie kündigt eine Gesamtstrategie zu Digitalem an, mit der die Schulen auf die Zukunft vorbereitet werden sollen.

STANDARD: Als Investor haben Sie viel mit jungen Menschen zu tun. Sie sagen, dass Sie dafür sorgen, dass die Dinge in ihren Start-ups "diszipliniert und richtig gemacht werden". Ist an Ihnen glatt ein Lehrer verloren gegangen?

Hansmann: Wahrscheinlich. Als Business-Angel agiert man ein bisschen wie ein Lehrer, man gibt seine Erfahrungen weiter.

STANDARD: Was macht einen guten Lehrer aus?

Hansmann: Ein guter Lehrer sollte eine pädagogische Ausbildung und pädagogische Fähigkeiten haben und viel Wissen aus der Praxis mitnehmen.

Hammerschmid: Ein guter Lehrer ist jemand, der junge Menschen begeistern und motivieren kann, ihnen auch ein großes Stück Selbstvertrauen mitgibt und natürlich auch Kompetenzen vermitteln kann. Er schafft eine Umgebung, in der Kinder mit Begeisterung lernen. Es ist wichtig, dass Lehrer Talente hervorkitzeln und fördern.

Hansi Hansmann sollte sein Geld in die Schulen investieren, meint Bildungsministerin Sonja Hammerschmid.
derStandard.at

Hansmann: Muss das tatsächlich der Lehrer machen, kann man das nicht systematisieren?

Hammerschmid: Wer ist das System? Das sind die Lehrer, die es mit Leben füllen.

Hansmann: Es gibt aber Dinge, bei denen sich die Leute fragen, wozu wir das brauchen – etwa Handarbeit. Es wird schon welche geben, die darin gut sind, die sollte man fördern. Aber diejenigen, die zum Beispiel ein digitales Talent haben, die sollte man an neue Medien heranführen. Wie kriegen die jungen Leute heute mit, wie man Twitter, Facebook etc. verwendet? Nur von Freunden. Sie verbringen damit unglaublich viel Zeit, und keiner bringt ihnen den Umgang damit bei.

Hammerschmid: Ja, das sollte in allen Fächern gelehrt werden. Schüler sollten auch den Umgang mit Inhalten aus sozialen Medien lernen.

STANDARD: Medienkompetenz ist ein Unterrichtsprinzip. Es soll also in allen Fächern vorkommen und fällt damit oft unter den Tisch. Wie könnte man das verbessern?

Hammerschmid: Wir arbeiten ein Gesamtkonzept aus, um das Thema Digitales generell zu betrachten und nicht nur die Einzelteile.

Hansmann: Ist da ein eigenes Fach geplant? Das wäre nötig.

Hammerschmid: So weit sind wir noch nicht. Wir müssen dazu mit den Pädagogischen Hochschulen reden, die zum Thema schon Professuren haben.

Hansmann: Bei den Pflichtschulen stelle ich mir das besonders schwierig vor. Da hat man 50- und 60-jährige Volksschullehrer – ich bin ja genauso alt. Sag denen einmal, sie sollen den Schülern beibringen, wie man mit Social Media umgeht. Die haben ja keine Ahnung!

Hammerschmid: Deshalb ist Weiterbildung wichtig. Es gibt auch sehr viele, die sehr wohl damit umgehen können. Und noch etwas: Die Handarbeit lasse ich mir nicht schlechtreden. Gerade für kleine Kinder ist dieses kreative Gestalten wichtig, das befördert auch die Innovationskraft.

Hansmann: Völlig richtig, aber wir haben eben nur ein bestimmtes Kontingent an Unterrichtsstunden

"Ich merke zunehmend, dass wir ein Talenteproblem haben", Hansi Hansmann findet keine guten Informatiker.
Foto: Standard/Hendrich

STANDARD: Sie waren beide im Managementbereich tätig. Kann man Schulen als öffentliche Institutionen managen?

Hansmann: Das Managementtool der Bewertung könnte man einsetzen. Online gibt es das überall, jeden Kauf auf Amazon und jeden Arztbesuch kann man bewerten. Ich gehe zu dem Zahnarzt, der fünf und nicht zwei Sterne hat. Das wird den schlechter bewerteten Zahnarzt irgendwann dazu bewegen, ein besseres Service anzubieten. Ähnliches kann ich mir bei Lehrern vorstellen. Die Bewertung könnte dazu führen, dass sie mehr oder weniger Gehalt bekommen. Wenn das zu weit geht, reicht es auch, wenn transparent gemacht wird, dass ein Lehrer schlechter bewertet wird als der Durchschnitt. Das ist unangenem, da bemüht man sich mehr.

STANDARD: Wer sollte das bewerten?

Hansmann: Die User, also Schüler und die Eltern.

Hammerschmid: Im Rahmen der Qualitätssicherungsmaßnahmen gibt es eine Beurteilung der Schüler auf freiwilliger Basis. Im berufsbildenden Sektor wird das genutzt, in anderen Systemen ist das noch am Anfang.

STANDARD: Wer kann das einsehen?

Hammerschmid: Die Schulaufsicht und der Direktor. Durch die Zentralmatura haben wir jetzt alle Daten auf dem Tisch, wir wissen sehr genau, welche Schule wie performed. Damit können wir arbeiten.

Hansmann: Wenn ich ihnen einen Praxistipp geben darf: Die institutionalisierte Userbewertung wirkt wahnsinnig schnell.

Hammerschmid: Die Bewertungen haben wir indirekt über die Zentralmaturaergebnisse und die Bildungsstandards.

STANDARD: Die Ergebnisse werden nicht veröffentlicht.

Hammerschmid: Aber die Schulaufsicht kennt sie.

STANDARD: Die User, also die Eltern und Schüler, nicht.

Hansmann: Aus meiner Erinnerung heraus war das früher so: Meine Klasse war ganz schlecht in Mathematik. Der Lehrer hat gemeint, er hat lauter Deppen in der Klasse. Niemand ist auf die Idee gekommen, dass das am Lehrer liegt. Hat sich das tatsächlich so geändert?

Hammerschmid: Vieles ist gerade erst implementiert worden, aber es tut sich sehr viel. Es ist aber auch nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen. Bei den Ergebnissen der Zentralmatura sehen wir, dass es oft nicht am Lehrer liegt, sondern an den Rahmenbedingungen. Ein und derselbe Lehrer hat völlig unterschiedliche Ergebnisse in zwei Klassen. Da spielt die Schülerkohorte rein, der ökonomische Hintergrund der Eltern, die Zahl der Repetenten. Natürlich verstehe ich Ihren Ansatz, ich habe an der Veterinärmedizinischen Universität zum Entsetzen aller variable Gehaltsbestandteile eingeführt. Es hat gewirkt.

STANDARD: Das würden Sie an der Schule nicht machen?

Hammerschmid: Das steht nicht zur Diskussion.

STANDARD: Herr Hansmann, Sie investieren vor allem in Unternehmen im digitalen Bereich. Sie sagen, dass Österreichs Schulen generell stärker auf den technologischen Fortschritt vorbereiten müssen. Wie sollte das passieren?

Hansmann: Ich merke zunehmend, dass wir ein Talenteproblem haben, vor allem bei Entwicklern. Meiner Meinung nach wird jene Volkswirtschaft, die rechtzeitig genügend gut ausgebildete Developer zur Verfügung hat, ganz vorn sein. Aus meiner Sicht sollte man deshalb schon in der Volksschule drei Dinge anbilden: Programmieren, Englisch und Selbstpräsentation. Auch wenn es einen Brexit gibt, wird Englisch die wichtigste internationale Sprache bleiben. Wir sollten außerdem versuchen, unsere Kinder zu mehr Selbstbewusstsein und damit in Richtung Unternehmertum zu erziehen. Die Schüler sollen sich vor die Klasse stellen und ein Thema verteidigen, Leute überzeugen lernen.

"Es ist nicht damit getan, dass ich Schulenvmit Tablets und WLAN ausstatte", sagt Hammerschmid zum Thema Digitales an Schulen.
Foto: Standard/Hendrich

STANDARD: Digitales, also Informatik, ist nur in der fünften Schul- stufe Pflicht. Sollte man das ausbauen?

Hammerschmid: Man muss unterscheiden: An den berufsbildenden Schulen wird das intensiv bearbeitet. In allen anderen Schultypen haben wir in der Tat einiges zu tun. Wir sind dabei, ein Gesamtkonzept für Digitales zu entwickeln. Es ist nicht damit getan, dass ich Schulen mit Tablets und WLAN ausstatte. Es geht darum, dass die pädagogischen Konzepte dazu passen und dass die Pädagogen die Tools entsprechend nutzen können.

STANDARD: Unternehmensgründer sind meist Männer. Kann man hier auch beim Schulsystem ansetzen?

Hammerschmid: Das hat viel mit Selbstbewusstsein zu tun. Frauen reagieren risikoaverser und vorsichtiger.

Hansmann: Es ist tatsächlich so, dass es Frauen an Selbstbewusstsein mangelt. Eine Anekdote dazu: Ich war bei einem Pitch-Event und eine junge Dame hat mir ihr Unternehmen vorgestellt. Sie hat das ziemlich gut gemacht. Ich habe ihr gesagt, dass mir das gefallen hat, und ihr Tipps für die spätere Bühnenpräsentation gegeben. Sie sagte zu mir: Nein, auf der Bühne pitcht mein Kollege, der kann das viel besser.

Hammerschmid: Leider ist das oft der Fall.

Hansmann: Aber: Am Abend hat der Co-Founder gepitched, und ich schwöre: Er war grottenschlecht. Er ist zwar unglaublich selbstbewusst auf der Bühne gestanden, hat aber total am Thema vorbeigeredet, niemand hat sich ausgekannt. Sie war um Klassen besser.

STANDARD: Was halten Sie davon, das Thema Gender stärker in der Lehrerausbildung zu forcieren?

Hammerschmid: Gendersensibler Unterricht hat einen Einfluss darauf, ob sich Frauen zutrauen, etwa Mathematik zu studieren. Bei mir waren es auch die Lehrer, die das naturwissenschaftliche Talent erkannt haben und mich motiviert haben. Wenn wir die Ergebnisse der Zentralmatura in Mathematik anschauen, sehen wir, dass wir da ein Problem haben. Die Trendwende muss uns mittelfristig gelingen.

Hansmann: Solange es nicht so weit geht, dass wir Frauen zu Männern erziehen. Ich bin der größte Fan von gemischten Teams in der Unternehmensführung. Du hast den testosterongesteuerten Typ, der hinausgeht und schreit und das Werkl vorwärtsbringt, und du hast die unternehmerische Frau, die sagt: Denken wir noch zweimal darüber nach. Das ist genau die richtige Mischung.

STANDARD: Herr Hansmann, Sie haben die österreichische Politik einmal als "absolut unfähig" bezeichnet ...

Hansmann: Hab ich das gesagt?

Hammerschmid: (lacht) Danke.

STANDARD: Das war, bevor Sie Ministerin wurden. Sie haben die Pattstellung zwischen den Regierungsparteien kritisiert. Sehen Sie das noch so?

Hansmann: Es ist besser geworden. Jede Änderung ist eine Chance. Bis zur Kanzlerübernahme durch Christian Kern hatte wir eine Pattstellung, wie ich sie in meinem ganzen Leben nicht gesehen habe. Ich habe zum Beispiel mit Politikern von beiden Parteien über das Paket für Start-ups gesprochen. Das ist jahrelang herumgegeistert. Gekommen ist es erst, als es eine personelle Veränderung gegeben hat.

Hammerschmid: Aus meinem Ressort heraus kann ich sagen, dass die Zusammenarbeit funktioniert. Mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Staatssekretär Harald Mahrer habe ich zwei Verhandlungspartner, die an den Inhalten interessiert sind. (27.8.2016)