Wer bestimmt die Politik in der SPÖ? In der ÖVP ist das schon länger unklar, in der SPÖ übernimmt nun Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil die Rolle von Sebastian Kurz: Er mischt sich nicht nur in die Außenpolitik ein, sondern auch in Bereiche, die Chefsache sind.

Dass Doskozil unmittelbar vor dem Treffen von Christian Kern mit Angela Merkel im deutschen Meseberg in Interviews mit den Boulevardblättern "Kronen Zeitung" und "Bild" die Kanzlerin scharf kritisiert, ist ein Affront. Doskozil fordert auch einen "Rückführungsgipfel auf EU-Ebene" – was nicht in der Kompetenz des österreichischen Verteidigungsministers liegt.

Aber in der Regierung macht derzeit ohnehin jeder das, was ihm gefällt. Doskozil mischt sich seit Beginn seiner Amtszeit massiv in die Agenden des Innenministeriums ein; der jetzige Innenminister Wolfgang Sobotka in die Arbeit des Justizministers mit seinem Vorschlag, kleinere Delikte wie Ladendiebstahl künftig nicht mehr als Straf-, sondern nur mehr als Verwaltungsdelikte zu sehen.

Noch stärker als Sobotka versucht sich Kurz öffentlich zu profilieren. Das wird insbesondere in der Flüchtlingspolitik deutlich: Während der Parteichef vor einem Jahr einen humaneren Kurs einmahnte ("Schubumkehr") und sich von Rechtspopulisten distanzierte, hat Kurz keine Scheu davor, Forderungen der FPÖ oder AfD zu übernehmen: Nach den Internierungslagern für Flüchtlinge folgten die Ein-Euro-Jobs und zuletzt ein Burkaverbot.

Jetzt macht Kurz dem Parteiobmann auch noch das Wirtschaftsthema streitig. Kommende Woche wird er in Alpbach bei den Wirtschaftsgesprächen auf einem Podium über "Erfolgsideen für unser Land" sprechen. Der Außenminister fordert den Parteiobmann heraus, dominiert die Innenpolitik und bestimmt die Linie der Partei. Mit Kurz als ÖVP-Chef wäre eine Koalition mit der FPÖ einfacher. Kritiker seines Kurses verweist Kurz auf seine im Vergleich zu Mitterlehner deutlich besseren Umfragewerte.

Dass der eigentlich amtierende Parteichef am Montag im ORF-"Sommergespräch" den ehrgeizigen Jungpolitiker in die Schranken weist, ist nicht zu erwarten. Dabei nahm man dem Vizekanzler sein "Ich will" ab, mit dem er vor hundert Tagen dem damals neuen Kanzler Kern konstruktive Zusammenarbeit zusicherte. Aber ob sich der ÖVP-Chef in den eigenen Reihen überhaupt noch durchsetzen kann, ist fraglich. Am 1. September ist er zwei Jahre im Amt.

Kern und Mitterlehner verbindet, dass sie sich gegen die Heckenschützen in ihrer eigenen Parteilandschaft durchsetzen müssen, zu denen in der ÖVP auch noch Klubobmann Reinhold Lopatka zählt. In eineinhalb Wochen soll die Asylnotstandsverordnung präsentiert werden, eine Einigung der Regierungsmitglieder ist noch nicht in Sicht.

Nach einer Begründung für die Sonderverordnung wird noch gesucht: Ist es der Arbeitsmarkt oder die innere Sicherheit? Keiner der zuständigen Minister will die Verantwortung dafür übernehmen, kommt dies doch dem Einverständnis gleich, diesen Bereich nicht (mehr) unter Kontrolle zu haben. Nach der Weigerung von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, Flüchtlinge zurückzunehmen, steht die Umsetzung ohnehin in den Sternen. Von Kerns und Mitterlehners Durchsetzungsvermögen hängt aber ab, ob diese Koalition weiter Bestand hat oder bald Neuwahlen notwendig werden. (Alexandra Föderl-Schmid, 26.8.2016)