Selten waren wir von einem Auto so begeistert wie vom Ford Focus RS. Er brabbelt seine brachialen 350 PS gerade noch angenehm durch die Endrohre, lenkt ein, als ob er Messer statt Reifen hätte, und man bekommt dieses Meisterstück um unter 50.000 Euro
Wien/Teesdorf – Normalerweise ist es ja meine Frau, die vom Beifahrersitz rübersäuselt: "Du, können wir den nicht einfach behalten?" Beim A7 Sportback war das zum Beispiel so. Oder beim 7er. Auch bei der S-Klasse. Nur beim Bentley kam die Frage aus der zweiten Reihe. Da saß sie gerne hinten, holte die Gläser aus dem Schränkchen in der Mittelarmlehne und alterierte sich darüber, dass ich schon wieder keinen Champagner eingekühlt habe. Egal.
Setting Rennstrecke
Im Ford Focus RS haben wir nicht viele Wege gemeinsam bestritten. Bei den paar Runden auf dem Handlingkurs im ÖAMTC-Fahrtechnikzentrum in Teesdorf wollte sie aber unbedingt dabei sein. Und da redet es sich schwer, wenn der RS im Setting "Rennstrecke" das Fahrwerk so anspannt, dass er beim Anbremsen der Kurve und Rausbeschleunigen das hintere, innere Radl ganz leicht hebt.
Nein, das ist kein Haxlheben. Das ist vielmehr so, wie wenn ein muskelbepackter Sir ganz genüsslich den Hut zum Gruß hebt.
Und Muskeln hat er, der Focus RS. 350 PS schöpft Ford aus dem aufgeladenen, 2,3 Liter großen Vierzylinder-Benziner. Dazu gibt es ein Drehmoment von 440 Newtonmeter, im Overboost sind es sogar 470. In unter fünf Sekunden sprintet er von 0 auf 100 km/h und regelt auch bei 250 km/h nicht ab.
Mit dem Sir-Sein tut er sich offen gestanden ein wenig schwer. Auch wenn wir feinste Recaro-Sitze aus dem Zubehörkatalog im Auto haben und sich dort wie da ein Fleckerl Leder in die Verkleidung geschummelt hat, dominiert doch eindeutig der Kunststoff das Interieur.
Rallye nicht Racing
Das stört in dem Wagen aber gar nicht. Ganz im Gegenteil. Der RS ist innen immer noch viel zu schick. Er will kein Porsche sein, der Schickimicki mit schnell kombiniert. Das würde auch gar nicht zu dem Kürzel RS passen. Das steht bei Ford nämlich für Rallye Sport, und nicht für Rennsport wie bei anderen Herstellern. Und das Rallye-Gen, das merkt man diesem Wagen permanent an.
Etwa schon, wenn man sich in den Wagen setzt und findet, dass der Sitz zu hoch ist. Doch auf der ersten Schotterpassage der Rallye würde man ihn ebenso hoch schrauben, um einen guten Blick auf die Straße zu haben. Beppo Harrach, habe ich mir sagen lassen, hat sich intensiv mit dem Focus RS beschäftigt. Dabei ist ihm nicht einmal über die Lippen gekommen, dass die Sitzerei zu hoch wäre. Und er wird es wohl wissen.
Wiesen und Schotter haben wir übrigens nicht unter die Räder genommen, auch wenn es uns wirklich sehr gelustet hätte, weil wir ja um das Rallye-Erbe wissen.
Vor rund 50 Jahren kam mit dem 15M der erste RS von Ford. Danach kamen in viel zu großen Abständen atemberaubende Wagen auf die Straße. Der wildeste war vielleicht der RS200, der Ableger des Gruppe-B-Autos, der in seiner wildesten Ausbaustufe 374 PS aus 1,8 Liter Hubraum holte. Für Rallycrosser gab es dann später sogar einen 2,1 Liter großen Motor, der bis zu 650 PS leistete.
RS-Geschichte
Ford Capri RS, Escort RS oder der Fiesta RS Turbo, der Sierra RS Cosworth und in den 00er-Jahren die Focus-RS-Modelle. Worte, die bei echten Ford-Fans sofort Schnappatmung auslösen.
Auch der letzte Focus RS, der seine 305 PS aus einem Fünfzylinder allein über die Vorderachse auf den Boden bringen musste, verzauberte. Der Fünfzylinder ist nun leider Geschichte, dafür hat Ford wieder einen Allradantrieb im RS verbaut. Und was für einen, muss man da noch sagen. Denn ja, da gibt es Unterschiede.
Ford bediente sich eines Systems, das ähnlich dem Haldex-System ist, dann aber doch ganz anders funktioniert. Statt einer Kupplung, welche die Hinterräder dazu hängt, hat der Focus an jeder hinteren Halbachse eine Kupplung, die eigens geschaltet werden kann. Zudem werden die Hinterräder schneller angetrieben.
Damit verliert der Wagen das Schieberte von einem Frontkratzer und wird zu einem agilen Sportwagen, der auf Knopfdruck sogar driften kann, indem ungewöhnlich viel Antriebskraft auf das kurvenäußere Hinterrad geleitet wird. Deppensicher.
Doch auch auf der normalen Straße funktioniert der Wagen so perfekt, dass man am liebsten bei der Tankstelle im Auto sitzen bleiben möchte und nur schnell das Geld aus dem Fenster wirft, um ja keine Zeit zu verlieren ...
Vier Modi hat der RS, über die man ihn vorkonfigurieren kann. Normal, Sport, Rennstrecke und Drift. Im Normalmodus kann man sogar die Oma zum Wirten und wieder zurück führen, ohne dass die Gute die Zähnd verliert. Im Rennstreckenmodus, den wir auf dem Handlingkurs in Teesdorf gewählt haben, da kennt das Fahrwerk kein Erbarmen. Und auch wenn man schon keine Luft mehr bekommt, man bleibt am Gas, versucht in jedem Eck noch eine Zehntelsekunde zu holen.
Sitzt man dann aber einmal nicht im Focus RS, beim Abendessen etwa, gibt es nur ein Thema: die letzten Kilometer mit dem RS.
Und da passiert es. "Du, kann ich den nicht behalten?", frage ich. Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, sagt meine Frau: "Sicher. Aber ich denke, wir sollten ihn dann auf mich anmelden." (Guido Gluschitsch, 29.8.2016)