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90 Prozent der heimischen Jugendlichen von heute planen einmal im Jahr ins Ausland zu reisen. Drei Viertel von ihnen fliegen am liebsten zu einem Strand mit geringen Gesamtreisekosten.

Foto: Reuters/BRIAN SNYDER

Wien – Innerhalb von 25 Jahren, nach einer einzigen Generation, kann sich das Reiseverhalten von Jugendlichen komplett verändern. Nur so oft kommt es halt nicht vor, dass sich, wie im Dezember 2016 vor 25 Jahren mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, Europa völlig verändert.

Am eindrücklichsten zeigt sich eine kleine "Reiserevolution" am Beispiel deutscher Jugendlicher, die bis vor 27 Jahren als DDR-Bürger kaum ins Ausland reisen konnten. Solche Reisen wurden – einmal abgesehen vom systemgefährdenden Potenzial – in der DDR als "unproduktiver Ressourcenverbrauch" angesehen. Binnentourismus galt als staatliche Versorgungsleistung, die selbst keine Rolle als Wirtschaftsfaktor spielte und höchstens der Steigerung der materiellen Produktion diente. Kein Wunder, wenn die Historikerin Heike Wolter ihre Geschichte des DDR-Tourismus mit dem Satz überschreibt: "Ich harre aus im Land und geh ihm fremd."

1993 unternahmen gesamtdeutsche Jugendliche zwischen 15 und 26 Jahren schon 44,7 Millionen Auslandsreisen, die länger als einen Tag dauerten. Aktuell verreisen 82 Prozent aller deutschen Jugendlichen einmal im Jahr im Inland oder ins Ausland und geben dafür zwölf Milliarden Euro aus, wie das deutsche Bundesforum für Kinder- und Jugendreisen weiß. Eine beträchtliche Summe, betragen die weltweiten Ausgaben der Jugendlichen für Reisen pro Jahr insgesamt doch rund 91 Millionen Euro. War DDR-Jugendlichen dieser "unproduktive Ressourcenverbrauch" schlicht unmöglich, sind sie als Gesamtdeutsche innert einer Generation zu "Reiseausgaben-Weltmeistern" geworden.

Evolution seit den Siebzigern

Nicht annähernd so spektakulär lesen sich die Veränderungen jugendlicher Reiseaktivitäten innerhalb von zwei Generationen in Österreich. Seit Anfang der 1970er-Jahre hat sich die Reiseintensität österreichischer Schüler und Studenten bis 2013 laut Statistik Austria auf gut 73 Prozent dennoch mehr als verdoppelt. Wenn man Jugendliche zwischen 17 und 26 Jahren danach fragt, ob sie bald eine Auslandsreise planen – wie das die Motivforscher von Karmasin im Auftrag des Ruefa-Gruppe 2014 getan haben -, ist die Rate noch höher. 90 Prozent dieser Altersgruppe beantworteten das mit einem Ja.

Genau in diesem letzten Vierteljahrhundert hat sich auch bei den Flugpreisen einiges getan. So zeigt eine Untersuchung der deutschen Zeitschrift Reise & Preise, dass Langstreckenflüge zwischen 1987 und 2012 in den meisten Fällen um 30 Prozent günstiger geworden sind. Kein Wunder also, wenn in der Karmasin-Studie 75 Prozent der Jugendlichen angeben, dass sie am liebsten mit dem Flieger verreisen. Noch relevanter für diese Altersgruppe ist das Aufkommen von Billigairlines in Europa – die meisten Ziele der 17- bis 26-Jährigen sind europäische – Anfang der 1990er-Jahre. Die Bestpreise für ein Flugticket ohne Extras sind dadurch im Vergleich zu traditionellen Airlines um bis zu 80 Prozent gesunken.

Hungriger Zukunftsmarkt

Auf massive oder allmähliche Veränderungen jugendlicher Reiseaktivitäten innerhalb von ein oder zwei Generationen setzt auch die Welttourismusorganisation der Uno (UNWTO) bei ihren Aussagen. Innerhalb der letzten zehn Jahre, rechnet man dort vor, sei der weltweite Marktanteil von Kindern und Jugendlichen am Tourismus von 20 Prozent auf 23 Prozent angestiegen, die Jungen seien demnach der "hungrigste" Zukunftsmarkt für Touristiker.

Optimistisch ist der "Global Report on the Power of Youth Travel" der UNWTO in Bezug auf den Aspekt der Völkerverständigung. Jugendliche "sind neugierig auf interkulturelle Erfahrungen und haben ein tiefes Interesse an Interaktion", sagte UNWTO-Generalsekretär Taleb Rifai auf der Internationalen Tourismusbörse Berlin 2016. Ob Österreichs Jugendliche bei dieser Interaktion mitmachen, ist allerdings keineswegs gesagt.

Bei ihrer Studie mussten die Karmasin-Motivforscher von den jungen Leuten auch erfahren: Sie wollen zu 65 Prozent an irgendeinen Strand, dessen Lage zu 75 Prozent von geringen Reisekosten abhängt. Als gelungen wird eine Reise von drei Vierteln der Jugendlichen unter dieser Voraussetzung empfunden: Sie hatten "eine nette Zeit" mit den Menschen, die sie in ein fremdes Land mitgenommen haben. (Sascha Aumüller, 6.9.2016)