Kanzler Christan Kern und Außenminister Sebastian Kurz haben der Türkei nur den letzten Vorwand geliefert, die Österreicher aus dem Archäologieprojekt Ephesos hinauszuschmeißen. Es war eine populistische Fleißaufgabe, den Abbruch von EU-Beitrittsverhandlungen zu fordern, die ohnehin längst nur noch eine Luftnummer sind.

Aber: In der Türkei werden ausländische Ausgrabungen antiker Stätten längst behindert. Es ist eine Synthese aus türkischem Nationalismus und islamischem Identitätsdenken. Einerseits wird es als Schmach gesehen, dass Ausländer türkische Kulturschätze erforschen; andererseits stammen diese aber großteils aus vortürkischer und vorislamischer Zeit und werden von Islamisten im Grunde als Monumente eines frevelhaften Götzendienstes betrachtet.

Die Hafenstadt Ephesos war griechisch-römisch, dann byzantinisch. Hier stand eines der sieben Weltwunder, der Artemis-Tempel (268 n. Chr. von den Goten zerstört). Das Prunkstück der österreichischen Ausgrabung ist die Celsus-Bibliothek. Anfang des 14. Jahrhunderts fiel die Stadt an die türkischen Eroberer. Wie bei anderen Ausgrabungsstätten schwankt die Haltung der Erdogan-Regierung zwischen "Das ist unser nationales Kulturgut" und "Das ist nicht islamisch, da brauchen wir keine teuren Projekte von Ausländern". Kern und Kurz haben es den Türken gezeigt, und die haben es uns gezeigt. Ein Weltwunder an Weisheit. (Hans Rauscher, 5.9.2016)