Die mit nur 25 Jahren verstorbene Vítězslava Kaprálová (geboren 1915 in Brünn) hinterließ 50 Kompositionen.

Foto: EntArteOpera

Ethel Smith ist die Schöpferin des "March of the Women" – eine Komposition die zum Kampflied der Streiterinnen um das Frauenwahlrecht wurde.

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Multitalent Hilde Loewe-Flatter komponierte unter männlichem Pseudonym.

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"Verfemte und vergessene Komponistinnen" ist der Themenschwerpunkt beim diesjährigen EntArteOpera-Festival in Wien. Das Motiv zieht sich durch das spartenübergreifende Programm, das nicht nur eine Oper, sondern auch Theater, Kabarett, Konzerte, ein Symposium und eine Ausstellung umfasst. "Die Ausstellung ist eine Art Einstiegsmöglichkeit, die Lust auf mehr machen soll", erklärt Susanne Thomasberger, die Leiterin des Festivals.

Sieben Komponistinnen werden dabei in Wort und Bild porträtiert, außerdem gibt es zu jeder eine Hörinsel mit drei ihrer Werke. "Es war sehr schwierig, die Musik zu bekommen", sagt Thomasberger, "zu zwei der Komponistinnen haben wir die Kompositionen selbst neu aufgenommen." Zu Vally Weigl, die als Jüdin 1938 aus Österreich in die USA emigrieren musste, war keine Aufnahme aufzutreiben. "Die Karl Weigl Foundation, die sich in erster Linie um den Nachlass ihres Mannes kümmert, hat uns freundlicherweise Noten eingescannt und geschickt", so Thomasberger. Es sei typisch, dass die Werke der Komponistinnen – wenn überhaupt – oft nur über den Nachlass ihrer Männer mitbetreut werden.

Doppelt entartet

Aber nicht alle der vorgestellten Frauen waren mit Männern liiert: "Manche von ihnen waren lesbisch, andere wurden verfolgt, weil sie politisch aktiv oder Jüdinnen waren", erklärt Thomasberger. "In der NS-Zeit, auf die unsere Arbeit fokussiert, wurden sie also als doppelt entartet betrachtet. Die schöpferische, selbstbestimmte Frau entsprach ganz und gar nicht dem Frauenbild der Zeit." Sie alle seinen "Ausnahmefrauen" gewesen; Ziel sei es deshalb, ein "möglichst buntes Bild" zu zeichnen. Denn die porträtierten Frauen sind sehr unterschiedlich.

Quasi als "Kontrapunkt" zu den anderen wird Alma Mahler-Werfel porträtiert, die berühmteste, wenn nicht gar die einzige noch bekannte der Frauen. "Sie hat sich anders als die anderen ihre eigene Arbeit nehmen lassen und ist vor allem als Förderin zum Beispiel von Schönberg und Alban Berg aufgetreten. Für mich ist sie also eher ein Negativbeispiel, sie ist sicher nicht die Hauptfigur der Ausstellung", sagt Thomasberger, die die Schau gestaltet hat. Wissenschaftlich geleitet hat sie die Historikerin Lisa Fischer, die auch die Autorin der weiterführenden Publikation ist.

"Wir haben festgestellt, dass es einen riesen Forschungsbedarf zu dem Thema gibt", sagt Thomasberger. Von Charlotte Schlesinger, auch sie musste vor den Nazis fliehen, seien in den USA sämtliche Noten verschollen, einzig ein Fluchtkoffer sei in London erhalten geblieben. Von der "March of the Women"-Schöpferin Ethel Smith, deren Komposition zum Kampflied der Streiterinnen um das Frauenwahlrecht wurde, sei 1912 ein Konzert im Wiener Musikverein aufgeführt worden. Was insofern bemerkenswert sei, als die Komponistin damals gesellschaftlich verfemt war, nachdem sie als Suffragette in London inhaftiert worden war. "Wir werden ihr Hornkonzert am 2. Oktober wieder in den Musikverein bringen", kündigt Thomasberger an. Auch ein Werk von Vítězslava Kaprálová, der mit nur 25 Jahren in Frankreich verstorbenen Altösterreicherin (geboren 1915 in Brünn), die in ihrem kurzen Leben an die 50 Kompositionen hinterließ, wird dabei aufgeführt.

"Das alte Lied" geklaut

Auch des Multitalents Hilde Loewe-Flatter wird in der Ausstellung gedacht. Ihr war von ihrem Musikverlag geraten worden, unter männlichem Pseudonym zu agieren: Als Henry Love komponierte sie Hits wie "Das alte Lied", das von Stars wie Marlene Dietrich interpretiert wurde und in dem Film "Der dritte Mann" in einer Zitherversion zu Weltberühmtheit gelangte – ohne sie allerdings als Urheberin zu nennen. Ihre Operette "Der Fensterputzer von Monte Carlo" wird am 11. September im Wiener Semperdepot aufgeführt.

Die niederländischen Komponistin Henriëtte Bosmans, die neun Jahre lang mit der Cellistin und späteren Dirigentin Frieda Belinfante liiert war, ist einer der biografischen Ausgangspunkte für das Theaterstück "Kein Mond, kein Taxi", das am 8. September ebenfalls im Semperdepot uraufgeführt wird. "Das Thema dabei ist die Suche nach Identität", erläutert Thomasberger. Ebenso wie bei allen anderen Programmpunkten, die Oper "Baruchs Schweigen" eingeschlossen, gehe es ihr stark um den Bezug zur Gegenwart: "Wie schaut das heute aus? Wie gehen wir mit unseren Schatten um? Werden Komponistinnen gespielt?" (Tanja Paar, 6.9.2016)