Foto: Alex Stranig
Foto: Alex Stranig

Dass man in diesem Etablissement wenig von Zurückhaltung hält, wird schnell klar, wenn man das riesige georgische Restaurant Aragwi unweit des Volkstheaters betritt. Nichts erinnert mehr an die kühle und puristische Einrichtung des Vorgängerlokals. Riesige Lampenschirme, monströse Polstermöbel, massive Ziegelwände und schwere Teppiche versuchen das Gefühl von Prunk zu vermitteln. Wüsste man es nicht besser, man könnte fast glauben, man säße in einem Fine-Dining-Laden. Auch die weißen Handschuhe des überaus freundlichen Servierpersonals beim Eindecken versuchen diesen Eindruck aufrechtzuerhalten. Doch spätestens bei den Papierservietten ist dann das Ende der Fahnenstange erreicht.

Fußball zum Abendessen

Für das Stärken und Falten der Servietten hätten die Mitarbeiter jetzt aber ohnehin keine Zeit – schließlich läuft gerade das WM-Qualifikationsspiel Österreich gegen Georgien im Fernsehen. Und da wird kurzerhand von Russkaja auf Prohaska gewechselt, der eine erste Prognose zum Spiel abgibt. Eine Prognose zum Essen abzugeben, wäre an dieser Stelle zu verfrüht. Gut, dass der Koch sich vom TV-Gerät loseisen kann und den ersten Gang zubereitet.

Dass die georgische Küche so vielfältig wie kaum eine andere ist, spiegelt sich auch in der Karte wieder. Pkahli, eine Art Salat mit Walnüssen, gibt es in drei Varianten als Vorspeise (Rote Rüben, Spinat und Paprika) und schmeckt einfach großartig. Als Kohlenhydrat-Junkie wünscht man sich hier das herrliche Fladenbrot dazu, das zum Beispiel in Form von Khatschapuri (Käsefladen mit unterschiedlichen Füllungen) feilgeboten und im riesigen Pizzaofen frisch gebacken wird. Gut, dann eben kein Brot.

Pkahli (9,20 Euro) wird in drei unterschiedlichen Varianten serviert.
Foto: Alex Stranig

Gerade als das erste Tor für Georgien fällt, finden die Hauptspeisen ihren Weg auf den Tisch – schlecht für den Kellner, gut für die hungrigen Gäste. Die Knusprigkeit und der köstliche Geschmack des Hendls (Tabakkücken) lenken von der etwas homöopathisch gewürzten Sauce (Adschika) ab, die man normalerweise wesentlich schärfer kennt. Laut Karte sollte das Hendl auf dünnem Fladenbrot serviert werden. Als Ersatz gibt es Butterpapier – leider nicht essbar. Die Kartoffelspalten sehen verdächtig nach Convenience-Produkt aus. Schade!

Tabakkücken (16,80 Euro) auf dem Holzbrett.
Foto: Alex Stranig

Wer sich nicht blamieren möchte, isst die gedämpften Teigtaschen (Khinkali) mit der Hand. Dabei greift man sie oben an, beißt hinein, trinkt zuerst den Fleischsaft und isst anschließend den Rest. Dieser Rest ist hier leider etwas sehr mager ausgefallen. Gut, so kommt man jetzt aber wenigstens an Kohlenhydrate, mit Teig wird nämlich nicht gespart. Und dabei schmeckt gerade die Füllung aus Rind- und Schweinefleisch so köstlich.

Khinkali (10,50 Euro) sind mit Rind- und Schweinefleisch gefüllt.
Foto: Alex Stranig

Um die Fleischdosis zu erhöhen, wird also noch der bekannte Rindfleischeintopf (Ostri) bestellt, der in einer Tonpfanne (Kezi) serviert wird und ein bisschen an Gulasch erinnert – nur viel besser gewürzt. Der Koriander verleiht dem kaukasischen Eintopf eine ganz wunderbare Note.

Neben der typischen Zandukeli-Limonade gibt es auch eine gute Auswahl an georgischen Weinen. Bei den Speisen wünscht man sich noch ein bisschen mehr Mut, bei Karte und Einrichtung hat man ihn schließlich bereits bewiesen. Als das Fußballmatch abgepfiffen wird (2:1 für Österreich), füllt sich das Lokal langsam. Neues Spiel, neue Chance! (Alex Stranig, 6.9.2016)