Ums Eck von der Staatsoper demonstriert das Ali Ocakbasi seit ein paar Tagen höheres Grillmanagement der türkischen Art.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Sofort nach der Ankunft präsentiert ein Kellner mit einem massiven Tableau eine ganze Palette kalter Mezze ("Baslangiçlar").

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Ausblick auf den Bosporus und die Galatabrücke, die massiven Holzkohlengrills samt kupfernen Abzughauben ("Ocakbaşı"), die weitläufigen Terrassen: Istanbul-Kenner sind sich ziemlich einig, dass die zwei Restaurants, die 2014 unter dem Namen Ali Ocakbaşı am Goldenen Horn aufgesperrt haben, die Tradition osmanischer Glutgruben mit beachtlicher Energie anfachen. Umso besser, dass diese Energie jetzt sogar bis zu uns gefächelt wird: In Amsterdam eröffneten die Betreiber vergangenes Jahr eine erste Auslandsfiliale, jetzt war Wien dran, demnächst soll in London nachgelegt werden. Man kann nicht behaupten, dass türkische Unternehmer es an Dynamik fehlen lassen.

Wobei: Das Restaurant am Beginn der Operngasse gibt einen ganz anderen Eindruck des Landes wieder, als er in den vergangenen Jahren von offizieller Seite transportiert wurde. So schenkt eine junge Frau (natürlich ohne Kopftuch) die Getränke aus, neben Bier und Wein gibt es eine beachtliche Auswahl an Raki, das Personal spricht ganz selbstverständlich auch Englisch.

Köstliche kalte Mezze

Und die Lüftung funktioniert so, dass selbst in unmittelbarer Nähe der Glutgruben kein Hauch von Grillduft zu bemerken ist: Da könnten sich die Schnitzelbackstuben der Stadt gleich einmal etwas abschauen. Dass so auch ein erfrischend anderes Bild einer weltoffenen, säkularen, dem Westen zugewandten Türkei gezeigt wird, mag ein Trugschluss sein – als Erinnerung daran, dass dort viele für genau so eine Idee ihres Landes kämpfen, taugt es aber allemal.

Vor allem aber wird die türkische Küche hier mit einem Qualitätsanspruch dargebracht, der sich in Wien derweil viel zu selten durchgesetzt hat – selbst beim Döner werden wir noch von jeder besseren deutschen Kleinstadt ausgestochen. Aber schön der Reihe nach: Kaum dass man am Tisch Platz genommen hat, pflanzt sich nämlich ein Kellner mit einem massiven Tableau (siehe Bild unten) beim Tisch auf, um eine ganze Palette kalter Mezze ("Baslangiçlar") zu präsentieren und zu erklären.

Was man neben universell orientalischen Köstlichkeiten wie Melanzanigatsch ("Patlican Salatasi"), Hummus oder dickem Joghurt mit Gurken ("Kuru Cacik") unbedingt auswählen sollte: würzige Tartare-Torpedos, die neben feinst faschiertem, fettfreiem Fleisch auch Bulgur, Chili, wenig Zwiebel und allerhand Kräuter beinhalten ("Çig Köfte"). Sie werden in Salatblätter eingerollt, mit Zitrone beträufelt und sind von fein austarierter Frische – großartig.

Oder Muhammara, ein knackiger Gatsch aus Walnüssen, Paradeisern und Tahini, der wunderbar zum ofenfrisch aufgebähten, hauchdünnen Pitabrot passt. Salate, etwa jener mit Minze, Paradeisern, Rucola, Petersil und Rollgerste, bekommen mittels Granatapfelsirup eine berückend fruchtige, süßsaure Note verpasst – ziemliche Suchtgefahr.

Unwirklich zart

Danach ist man schon ziemlich gut versorgt, mit den Spießen aus der Glut kommen die eigentlichen Attraktionen aber erst: Ali Nazik zum Beispiel, ein wundersam würziger Spieß aus faschiertem Lamm und Rind, der mit – ebenfalls gegrillten – Paradeisern und Pfefferoni auf warmem Melanzanipüree serviert wird: So saftig, zart, elastisch, wie man sich Hackfleisch nur wünschen kann. Oder Schaschlik ("Saslik") aus Kalbsfilet – sparsam, aber kenntnisreich gewürzt, großartig saftig gegrillt.

Küsneme vom Lamm-Lungenbraten wirken geradezu unwirklich zart. Was man sich noch wünschen würde: wenigstens ein paar Lamm-Innereien, die mit derselben Expertise aus dem Feuer geholt werden. Es müssen nicht gleich die zu Recht gerühmten Kokoreç (gerollte Lammdärme) sein – für den Anfang würden wir uns schon über Leber oder Bries freuen! (Severin Corti, RONDO, 9.9.2016)