Weibliche Führungskräfte sind offenbar involvierter, empathischer. Zumindest machen ihnen Trennungsgespräche mehr zu schaffen als ihren männlichen Kollegen, sagt die Umfrage der Hernsteiner.

Foto: istock

Es ist "oben" angekommen: Mitarbeiter wollen heute anders geführt werden. Und wie? Grundsätzlich gehen die in Österreich und Deutschland jeweils 800 befragten Führungskräfte dabei von flachen Organisationsstrukturen und einem tendenziellen Wegfallen der klassischen Hierarchien aus. Sehr viel konkreter wird es im Hernstein-Report zu dem Thema nicht, allerdings wird manifest: Die Chefs sehen alte Rollen bereits teilweise gefallen und probieren Neues im Sinne von mehr Gemeinsamkeit, Lateralität aus. Dass im Zuge der Entwicklung von Mitbestimmung, agiler Projekte und des Imperativs der Selbstorganisation Führung, wie man sie bisher noch gekannt hat, obsolet werden könnte, glauben immerhin 33 Prozent in Deutschland und 27 in Österreich.

Richtig gut betreut und begleitet in der großen Transformation fühlen sich die Führungskräfte offenbar nicht, sie fühlen sich eher alleingelassen von ihren Eigentümern und Aufsichtsboards: Zwei Drittel bezweifeln, dass ihr Unternehmen ausreichend in die Vorbereitung der Führungskräfte investiert.

Frauen mögen neue Führung mehr

Interessant an dieser Hernstein-Auswertung: Die Chefs ganz oben geben eher an, dass sich die Ansprüche an ihre Führungsrolle verändert haben. In der Mitte gibt es diesbezüglich weniger Zustimmung, und noch eine Ebene tiefer scheint sich der Führungsalltag noch weniger verändert zu haben. Auch meint die oberste Ebene deutlicher, dass Hierarchien unwichtiger werden – das Erleben der unteren Führungsebenen sieht da etwas anders aus (siehe Grafik). Offenbar arbeiten sie noch spürbar unter Command & Control, sind mit Verantwortung belastet und empfinden nicht im selben Ausmaß Gestaltungsfreiraum.

Und wie groß ist die Freude mit neuen Führungsrollen, mit dem Kooperieren, dem Platzmachen am Tisch? Da wird ein geschlechtsspezifischer Unterschied deutlich: Frauen freuen sich weit vor den Männern darauf. Plus: Männer rechnen eher damit, dass Führung in Zukunft schwieriger wird. Und auch mehr Frauen als Männer rechnen mit dem Goodbye der alten Hierarchien.

Der Vollzeit-Chefsessel wackelt

Stimmig werden die Aussagen zu den alten Hierarchien bei den Antworten zur Frage, ob Führung künftig ein Vollzeitjob an sich bleiben wird: 48 Prozent der Frauen und 43 Prozent der Männer sagen dazu Nein und erwarten, dass klassische Führung immer weniger ein Fulltime-Job sein wird. Dahinter könnte sich eine neue Machtdefinition der Führung entwickeln, getrieben von der Notwendigkeit, Expertise, Erfahrung, Können und Wissen wirklich auf Augenhöhe zusammenzubringen. Wishful Thinking? Dazu äußert sich der Hernstein-Report nicht.

Was empfinden die Führungskräfte als das Schwierigste in ihrer Arbeit? Da wurde ein Teil der klassischen Führungsarbeit abgefragt, der gerne dazu führt, Führungsleute an sich auf die finstere Seite zu stellen. Dass Leute gehen müssen, sagt und exekutiert keiner gerne. Ganz vorne liegen also Kündigungsgespräche mit Mitarbeitern. Mehr als die Hälfte der Führungskräfte empfindet sie als recht belastend. Es folgen Konfliktsituationen mit den eigenen Vorgesetzten, dann kommen Konflikte mit Kollegen und Gespräche, die über mangelnde Zielerreichung geführt werden müssen. Auffällig dabei: Frauen geben an, dass sie diese Themen besonders belasten, mehr als ihre männlichen Führungskollegen. Auch ist der Anteil der Frauen, die sich vor Konflikten mit der eigenen Führungskraft fürchten, um Drittel höher. Wie häufig diese Belastungen aktuell auftreten, wurde nicht abgefragt. Aber wieder scheint es so zu sein: In der Rolle Dinge zu tun, die menschlich als ungut empfunden werden, stresst ziemlich.

Wer bildet sich weiter?

Das Bild zur Anforderung der Veränderungsprozesse und zum lebenslangen Lernen in den Führungsgremien? Top-Führungskräfte gönnen sich durchschnittlich zwölf Tage Weiterbildung im Jahr. Solche, die zehn Jahre in Amt und Würden sind, liegen vorne. Wer auch Privatgeld fürs Lernen angreift, hat mehr Weiterbildungstage aufzuweisen (Rückzahlungsvereinbarungen beeinflussen die Zahl der Weiterbildungstage übrigens nicht).

Die Korrelation zwischen der positiven Einschätzung veränderter Führungsanforderung und der Zahl der Weiterbildungstage ist eine positive: Die Optimisten bilden sich häufiger weiter. Und wieder ein geschlechtsspezifischer Unterschied: Männer haben offenbar das Gefühl, sich eher rausnehmen und in sich selbst investieren zu dürfen – sie bilden sich wahrnehmbar häufiger weiter als ihre Kolleginnen. (Karin Bauer, 10.9.2016)