Bea Johnson und ihre Familie kaufen und konsumieren so, dass sie fast keinen nichtkompostierbaren Müll erzeugen. Die Jahresmenge an Plastik und Metall hat in einem Glasgefäß Platz.

Foto: Michael Clemens

Für Johnson bringt diese müllfreie Lebensweise weder ein Mehr an Kosten noch Verzicht.

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Auf Bea Johnsons Küchentheke steht ein Glasgefäß, das mit Plastikabfall gefüllt ist. Es handelt sich um die Ausbeute eines gesamten Jahres. Sie lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen im Alter von 15 und 16 Jahren – und sie produzieren fast keinen Abfall. Dabei geht es ihr nicht nur um Umweltschutz, sondern auch darum, das eigene Leben einfacher zu gestalten. In ihrem Bestseller "Zero Waste Home", der im Oktober auf Deutsch erscheinen wird, beschreibt sie ihre Erfahrungen mit einem konsumabstinenten Lebensstil und gibt praktische Tipps. Am 21. September spricht Johnson beim Zero Waste Lab im Wiener Gartenbaukino.

STANDARD: Leben ohne Abfall: Ist das nicht mühsam?

Johnson: Ja – zunächst kann das abschreckend wirken, da es so extrem klingt. Bis vor ein paar Generationen haben die Menschen das ganz gut geschafft. In unserer konsumorientierten Gesellschaft haben wir verlernt, simpler zu leben.

STANDARD: Sie erzeugen gemeinsam mit Ihrem Ehemann und Ihren zwei Söhnen nur ein Glas voll nichtkompostierbarem Abfall pro Jahr. Wie gelingt das?

Johnson: Wir halten uns an fünf Vorsätze: ablehnen, was wir nicht brauchen. Reduzieren, was wir tatsächlich benötigen. Wiederverwenden – also zum Beispiel secondhand kaufen. Recyceln, was wir nicht wiederverwenden können, und schließlich verrotten lassen, was wir nicht mehr brauchen.

STANDARD: Wie haben Sie vor der Lebensumstellung gelebt? Wie hat die Umstellung funktioniert?

Johnson: 2006 sind wir von einem Haus in ein kleines Apartment übersiedelt. Damals haben wir gelernt, dass wir gut mit viel weniger auskommen. Zur gleichen Zeit habe ich begonnen, mich damit auseinanderzusetzen, was mein Konsum nicht nur für Auswirkungen auf mein Budget und meine Gesundheit hat, sondern auch auf die Umwelt. Als wir wieder in ein Haus gezogen sind, haben wir uns von 80 Prozent unseres Besitzes getrennt. Ich hatte zwar nie extrem viel, aber zu viel. Heute passt etwa meine gesamte Garderobe in einen Trolley.

STANDARD: Mit welchen Problemen haben Sie am Anfang gekämpft?

Johnson: Es ist wichtig, sein eigenes System zu entwickeln und konsequent zu bleiben. Dann wird alles zu einer Gewohnheit.

STANDARD: In Supermärkten bekommt man fast alles nur verpackt. Wie vermeiden Sie Müll beim Einkaufen?

Johnson: Ich gehe mit Glasgefäßen und Baumwollsäcken einkaufen. Wenn mich Supermarktmitarbeiter fragen, warum ich meine eigenen Behältnisse mitbringe, sage ich immer, dass ich keinen Mistkübel habe. Das funktioniert gut. Es fragt kaum jemand nach (lacht). Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass bis zu 15 Prozent des Preises die Verpackung ausmacht. Das bedeutet, dass man nach dem Einkauf 15 Prozent seines Geldes sofort in den Abfall wirft. Um anderen Menschen das Einkaufen zu erleichtern, habe ich eine App entwickelt, die in vielen Ländern Geschäfte anzeigt, wo man unverpackte Produkte kaufen kann.

STANDARD: Ihr Haus ist offen und hell. Es gibt viele leere Flächen und viel ungenutzten Platz. Welche Auswirkungen hat diese Umgebung auf Ihr Wohlbefinden?

Johnson: Heute bin ich viel fokussierter. Wenn man simpel lebt, hat man mehr Zeit für jene Dinge, die einen wirklich interessieren – also meine Familie, Freunde, aber auch meine Arbeit.

STANDARD: Wie hat sich "Zero Waste Home" auf Ihre Geldbörse ausgewirkt?

Johnson: Wir haben 40 Prozent unserer Ausgaben eingespart. Wir kaufen viel weniger und erweitern unser Inventar nicht mehr. Wenn wir etwas ersetzen müssen, suchen wir Secondhandprodukte. Unternehmen wollen mit uns viel Geld verdienen und behaupten, dass wir produktiver und effizienter werden, wenn wir all diese wegwerfbaren Sachen nutzen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Wenn man diesen verschwenderischen Lebensstil beendet, realisiert man, wie viel Geld und Zeit man spart. Ein Beispiel sind wiederverwendbare Menstruationscups. Ich spare heute viel Geld und Platz im Koffer, wenn ich auf Reisen bin.

STANDARD: Haben Sie noch ein Beispiel, in welchen Bereichen Sie extrem reduzieren konnten, ohne an Komfort zu verlieren?

Johnson: Es wurde ja für jeden Bereich im Haus ein eigenes Reinigungsprodukt auf den Markt gebracht. Bei uns zu Hause benutzen wir nur noch weißen Essig und Seife. So hat das schon bei unseren Großmüttern funktioniert, aber es wurde mit unserer Angst gearbeitet, krank zu werden. Es wurde versprochen, dass wir ein gesünderes Leben führen. In meiner Familie sind wir jetzt hingegen weniger krank. Ich hatte oft Augenentzündungen, mein Mann chronische Sinusitis. Das kam bei uns beiden nicht mehr zurück.

STANDARD: Ihnen geht also gar nichts mehr ab?

Johnson: Ich erlebe ein Leben des Seins und nicht des Habens. Ich denke, wenn die ganze Gesellschaft das adaptieren würde, würden wir alle profitieren. (Julia Schilly, 8.9.2016)