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Während Alexander Van der Bellen nur ein Problem mit dem Klebstoff sieht, geht man in der FPÖ von einer großangelegten Verschwörung aus.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader

Übers Wochenende tagte in Permanenz ein Krisenstab des Innenministeriums zur Causa prima: Angesichts ständig neu auftauchender defekter Briefwahlkarten, zuletzt mit schadhaften Klebespuren, besprach sich Wolfgang Sobotka (ÖVP) Sonntagabend mit den Klubdirektoren aller sechs Parlamentsparteien. Die Sitzung ist am Sonntagabend aber zu Ende gegangen, ohne dass inhaltliche Details nach außen drangen. Ebenfalls auf seiner Agenda: ein Austausch mit den Hofburg-Kandidaten Norbert Hofer (FPÖ) und Alexander Van der Bellen, um über die ernste Lage zu beraten.

Denn am Montag um 11 Uhr will der Innenminister bekanntgeben, was die Prüfung in seinem Ressort, der obersten Wahlbehörde, ergeben hat: Neben der Anzahl an fehlerhaften Wahltaschen wird Sobotka kundtun, wann gewählt werden soll. Dass die Wahl verschoben wird, stand am Sonntag bereits außer Zweifel. In Regierungskreisen kursierten bereits drei mögliche neue Termine: der 27. November, der 4. Dezember oder der 11. Dezember. Allerdings erschien auch ein Urnengang im Jänner denkbar – und zwar dann, wenn man auch das Wählerregister wieder auf einen aktuellen Stand bringen will.

Jedenfalls gestaltet sich die Verschiebung der Stichwahl schwierig: Namhafte Verfassungsrechtler halten zwar eine einfache Verordnungsänderung der Regierung, die den 2. Oktober festgelegt hat, samt Zustimmung des Hauptausschusses im Nationalrat, für ausreichend. Doch aus Sorge vor einer neuerlichen internationalen Blamage wurde bis zuletzt beraten, ob man die Verschiebung der Stichwahl, für die im Bundespräsidentenwahlgesetz keinerlei Vorgaben getroffen sind, nicht gleich in einen Gesetzestext gießt. Denn mit einem entsprechenden Ermächtigungsgesetz für die Regierung mit möglichst breiter Mehrheit wäre es schwieriger, die Stichwahl erneut vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten, argumentieren die Befürworter. Gegner hingegen äußern die Sorge, dass damit weiteren Verschiebungen von Stichwahlen künftig Tür und Tor geöffnet wird.

Dazu kommen noch die jeweiligen Anliegen der sechs Klubchefs, die der STANDARD vor Sobotkas Auftritt durchgerufen hat – deren Positionen sollen in den kommenden 48 Stunden mitberücksichtigt werden. Ein Überblick über die Begehrlichkeiten und Mehrheiten rund um die zweite Stichwahl:

  • Wählerverzeichnis ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka ist für eine Verschiebung der Stichwahl per Gesetz, er spricht sich wie die Grünen aber auch dafür aus, das Wählerregister auf aktuellen Stand zu bringen. Hintergrund: Seit dem letzten Stichtag sind zehntausende Wahlberechtigte gestorben, gleichzeitig haben zehntausende junge Menschen das 16. Lebensjahr erreicht und wären eigentlich wahlberechtigt. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder ist ebenfalls für eine Adaption des Registers – allerdings nur dann, wenn sich eine Wahl noch heuer ausgeht. Ein Termin im Jänner sei zu spät. Robert Lugar vom Team Stronach ist gegen eine Erneuerung des Registers, "weil es sich um eine Wahlwiederholung handelt".
  • Wahltermin Die SPÖ ist für einen Wahltermin noch in diesem Jahr, die ÖVP nennt keine Präferenzen, wie die Grünen und die Neos. Die FPÖ, die die letzte Stichwahl angefochten hat, erklärte am Sonntag: Lieber würde man den 2. Oktober beibehalten, es werde aber nichts anderes übrigbleiben, als der Wahlverschiebung zuzustimmen – Stand Sonntag. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wittert aber bereits eine Verschwörung, weil sich alle, bis auf das Team Stronach, noch ohne explizite Zustimmung der FPÖ auf eine Verschiebung geeinigt hätten.
  • Einschränkung der Briefwahl Was die FPÖ gern sehen würde, kommt für SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos so nicht infrage. In der FPÖ gibt es jedenfalls viele Ideen, wie man auf eine Briefwahl verzichten könnte: mit Wahlurnen an Flughäfen und Bahnhöfen, einer Stimmangabe in Botschaften und eigenen Wahllokalen für Schichtarbeiter. Lugar will nur mehr in Ausnahmefällen die Briefwahl ermöglichen – etwa Auslandsösterreichern, Bettlägrigen und Menschen, die am Sonntag arbeiten.
    Lopatka hält dagegen: "Die Briefwahl ist unbedingt notwendig, damit möglichst viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen." Die ÖVP wolle daran festhalten, die SPÖ kann sich Adaptionen wie einen zweiten Wahltag in der Woche vor dem eigentlichen Termin vorstellen. Neos-Klubchef Matthias Strolz: "Einschränkungen wären eine Zwangsmaßnahme, in der Schweiz wählen längst 80 Prozent mit Wahlkarte." Die grüne Klubchefin Eva Glawischnig spricht von einem "bedenklichen Demokratieverständnis der FPÖ". (Michael Völker, Nina Weißensteiner, 11.9.2016)