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Arbeiten, wo immer man gerade ist und wann immer man Zeit hat: Das Internet macht es möglich, das Arbeitsrecht nicht.

Foto: Getty Images / Justin Horrocks

Wien – Die Durchmischung der Arbeitswelt mit atypischen Arbeitsverhältnissen wie Teilzeit, Arbeitskräfteüberlassung oder Befristung ist längst vollzogen. Zunehmend bestimmt ein neues Credo den Arbeitsmarkt: arbeiten, wenn Arbeit da ist – dafür aber dann hocheffizient und mit hochqualifiziertem Personal.

Die Digitalisierung von Geschäfts- und Arbeitsprozessen bedingt einen noch nie da gewesenen Grad der Selbstorganisation und Disposition der Arbeitnehmer über die eigenen Arbeitsressourcen. Sie führt gleichzeitig zu einer Entgrenzung von Arbeit. Das österreichische Arbeitsrecht tut allerdings noch nicht viel, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen.

Konkrete Beispiele gefällig? Ein österreichischer Maschinenproduzent möchte durch die Einführung einer Predictive-Maintenance-Software (damit wird vorausschauende Instandhaltung möglich) wieder wettbewerbsfähig werden. Gut dotierte Mitarbeiter sollen mittels Steuerungsmodulen nur in Notfällen (manchmal ganztägig, manchmal nur einmal pro Woche) eingesetzt werden.

Oder: Ein Technologie-Start-up mit vier Mitarbeitern hat in der Series-A-Phase (das Geschäftsmodell startet gerade durch) seinen ersten größeren Auftrag aus Asien bekommen. Das bedeutet für alle Mitarbeiter: drei Wochen arbeiten am Stück inklusive nächtlicher Telefonkonferenzen und Geschäftsreisen.

Die Lösung klingt einfach – man könnte doch auf durchgehende Arbeitsabrufmodelle, Vertrauensarbeitszeit und teilweise Wochenendarbeit setzen und zumindest an manchen Tagen ohne starre zeitliche Limits arbeiten.

Das Problem dabei? All das lässt das Arbeitsrecht nicht oder nur sehr eingeschränkt zu. So hat der Oberste Gerichtshof bereits 2008 Arbeit-auf-Abruf-Modellen einen Riegel vorgeschoben. Vertrauensarbeitszeit ist überhaupt verboten, und Wochenendarbeit ist außerhalb gewisser Branchen nur in speziellen Ausnahmefällen (z. B. dringende Reinigungsarbeiten) zulässig. Dazu gesellen sich die "heiligen Kühe" des österreichischen Arbeitszeitrechts, nämlich die täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitsgrenzen.

Seltene Langzeitverhältnisse

Die Geschichte der mangelnden Vorbereitung des österreichischen Arbeitsrechts auf die digitale Transformation hört aber nicht bei antiquierten Arbeitseinsatz- und Entlohnungsmodellen auf. Die Schnelllebigkeit einer digitalisierten Geschäftswelt bedingt, dass Langzeitarbeitsverhältnisse seltener werden und Mitarbeiter nur im Bedarfsfall und dann auch nur kurzfristig angestellt werden.

Hier "kontert" das österreichische Arbeitsrecht (nicht sehr kreativ) mit der generellen Unzulässigkeit von Kettenarbeitsverhältnissen und einem im internationalen Vergleich besonders strengen Kündigungsschutzrecht.

Wenn man weiter in die Zukunft blickt, verdüstert sich das Bild zunehmend. Es entstehen nämlich gerade disruptive Arbeitsformen, die sich auch in Österreich immer größerer Beliebtheit erfreuen und denen das österreichische Arbeitsrecht geradezu hilflos gegenübersteht. Ein prominentes Beispiel dafür ist Crowdworking. Dabei werden Arbeiten über eine Onlineplattform einer Vielzahl von Personen angeboten. Die Crowd erledigt Textprüfungen, Website-Programmierungen und Handwerkertätigkeiten genauso wie medizinische und rechtliche Beratung.

Kritiker meinen (meist ohne nähere Begründung), Crowdworking sei ein Einfallstor zur Scheinselbstständigkeit und daher von vornherein abzulehnen. Abschottung bringt hier aber genauso wenig wie der Verzicht auf jegliche regulatorischen Vorgaben.

Zufrieden mit Home-Office

Das Erfrischende bei all diesen Überlegungen ist, dass sich auch die Arbeitnehmer in flexiblen Arbeitsmodellen oft besonders wohlfühlen. So haben freie Arbeitseinteilung, Home-Office-Arbeit, der Einsatz neuer Technologien wie Smartphones und die dadurch geschaffene bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für viele Mitarbeiter einen besonders hohen Stellenwert.

Kaum ein Mitarbeiter fühlt sich deshalb besonders geschützt, weil dem Arbeitgeber ein auf Vertrauen beruhendes Arbeitsmodell verwehrt wird oder der Mitarbeiter nach zehn produktiven Arbeitsstunden zwanghaft nach Hause geschickt wird. Und kein Crowdworker wird sich freuen, wenn die Plattform, die für sein Zusatzeinkommen verantwortlich ist, einfach abgedreht wird.

Die größte Herausforderung scheint derzeit zu sein, die enormen Chancen der Digitalisierung für österreichische Unternehmen und Mitarbeiter zu erkennen. Ist das geschafft, wird es leichter fallen, jene modernen Konzepte der sozialen Absicherung und Flexibilisierung zu schaffen, die in einer digitalen Arbeitswelt dringend erforderlich sind. (Philipp Maier, 12.9.2016)