Mit Pfeifen und Ratschen wurde protestiert.

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Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres sprach zu den streikenden Ärzten auf dem Stephansplatz.

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Die Mediziner versammelten sich in der Früh im ersten Bezirk.

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Patienteninfo am Eingang ...

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... des Wilhelminenspitals in Ottakring.

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Plakate auf dem Dr. Karl-Lueger-Platz.

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Wien – "Was ist denn hier los?" Herr H. traut der Ruhe nicht wirklich. Es ist Montagvormittag, und im Wartebereich der Hals-Nasen-Ohren-Ambulanz im Wilhelminenspital in Wien-Ottakring ist kein einziger Sessel besetzt. Wo sonst Patienten auf Schwindeldiagnosen, Hörtests oder schnarchchirurgische Eingriffe warten, ist nichts los. Auch in der Nachbarabteilung im Pavillon 28 herrscht gähnende Leere auf den Gängen.

Offenbar hat sich bei ambulanten Patientinnen und Patienten herumgesprochen, was im Spital auf vielen Eingangstüren per Plakat angekündigt ist: "Die Ärzte dieser Ambulanz streiken heute zur Rettung des Wiener Gesundheitssystems." Gleich daneben hängt ein offensichtlich oft kopierter Zettel, mit dem der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) über diese "nicht von uns verursachte Situation" informiert und mögliche Einschränkungen von Behandlungen bedauert.

Herr H. hatte nur eine Überweisung. Montag erhielt er keine Behandlung, aber einen Termin.

Plakate gegen "Politpoker"

Die Frage, was da los ist, stand auch so manchem Touristen ins Gesicht geschrieben, der sich Montagvormittag in der Wiener Innenstadt seitlich des Stephansdoms durch eine Menge Menschen in weißen Kitteln schlängelte. Mit Pfeiferln, Ratschen und bunten Plakaten machten die Ärzte zusätzlich auf sich aufmerksam. "Kein Politpoker in Wiens Spitälern", stand auf einem Schild. Auf einem anderen: "Nicht krank werden, der Gang ist voll." Und: "Verlegen wir Notfälle aus der Nacht in den Tag davor? Oder danach?"

Die Wiener Ärztekammer hatte von neun bis 13 Uhr zum Warnstreik samt Protestmarsch gerufen. Polizeiangaben zufolge waren etwa 1.300 Teilnehmer diesem Aufruf gefolgt, laut Kammer waren es rund 2.000. Der Unmut richtet sich gegen die neue Arbeitszeitregelung, die der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) – bei dem rund 3.600 Ärzte beschäftigt sind – durchsetzen will. Der KAV verweist auf einen 2015 auch von der Kammer unterzeichneten Pakt, in dessen Folge es für Ärzte auch Gehaltserhöhungen gab.

Den Ärztevertretern fehlen vereinbarte Begleitmaßnahmen – etwa der Ausbau des niedergelassenen Bereichs und der Notfallambulanzen. Sie fordern unter anderem nur bei Einwilligung Umstellungen auf 12,5-Stunden-Dienste und keine weitere Reduktion der Nachtdiensträder. Die Arbeitszeitreduktion verschlechtere die Gesundheitsversorgung, meint Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer.

Für Mut bedankt

Die Forderungen wurden auf dem Stephansplatz verlesen – und bejubelt. Besonders lauten Applaus erhielt der Appell für einen Wechsel an der KAV-Spitze – Ablösegerüchte kommentierte man beim KAV nicht. Vor den Demonstrierenden, die vom Dr.-Karl-Lueger-Platz zum Dom marschiert waren, sprach auch Asklepios-Gründer Gernot Rainer, der gegen die Stadt einen Arbeitsprozess führt. Er bedankte sich für den Mut und die Courage der Anwesenden.

Eine Ärztin aus dem Donauspital sagte dem STANDARD, ausschlaggebend für ihre Teilnahme am Protest sei gewesen, "wie mit uns umgegangen wird". Den Umgangston des KAV findet auch ein Kollege "unglaublich". Personalvertretern zufolge waren Ärzte "massiven Repressalien" ausgesetzt, um sie am Protestieren zu hindern. Eine Medizinerin vom Krankenhaus Hietzing, die sich davon nicht abschrecken ließ, kritisiert: "Wir haben weniger Kollegen für dieselbe Arbeit."

Der KAV verwies am Montag via Aussendung darauf, dass man zu Gesprächen bereit sei. ÄK-Präsident Szekeres sagte dazu dem STANDARD, er habe keine Einladung erhalten, sondern erneut nur ausgewählte Personalvertreter – wie schon Ende vergangener Woche. Laut KAV wurden die Eingeladenen darauf hingewiesen, dass sie auch ÄK-Vertreter mitnehmen könnten. Szekeres sagte, er erwarte sich eine direkte Einladung.

Einladungen und Signale

Die Ärztekammer berät Dienstagnachmittag über ihr weiteres Vorgehen. Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ ) fordert laut Austria Presse Agentur ein Zurückdrehen der "Eskalationsschraube" – sie vernehme aber Signale, wonach einige Ärztevertreter "nicht wollen, dass es zu einer Lösung kommt". KAV-Generaldirektor Udo Janßen sagte, man würde im Gespräch gern "aufgetretene Missverständnisse ausräumen".

KAV-Angaben zufolge sind von den 1.513 am Montag zum Dienst eingeteilten Ärzten 446 nicht zur Arbeit erschienen. 70 Prozent der eingeteilten Mediziner hätten demnach nicht gestreikt. Viele Teilnehmer der Demonstration seien nicht KAV-Ärzte gewesen, schlussfolgert man daher.

In den Spitälern sei der Tag "glimpflich" abgelaufen, hatte es schon zuvor vom Spitalsbetreiber geheißen. An manchen Ambulanzen seien allerdings "empfindliche Wartezeiten" entstanden. (Michael Simoner, Gudrun Springer, 12.9.2016)