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Jean Asselborn, Luxemburgs Außenminister.

Foto: APA/EPA/Christodoulou

Luxemburgs Langzeit-Außenminister Jean Asselborn ist der Ansicht, dass Viktor Orbáns Ungarn aus der EU ausgeschlossen werden sollte, da Budapest "die Grundwerte der Europäischen Union massiv verletzt".

Zweifellos, die Art und Weise, wie Orbán in seinem Land die Demokratie aushöhlt, gibt Anlass zu höchster Besorgnis. Das Vorgehen gegen Medien und Justiz entspricht kaum europäischen Standards. Doch man könnte Asselborn nun an Luxleaks erinnern und die Frage stellen, inwieweit die Machenschaften des Steuerscheichtums den Grundwerten der EU entsprechen, wie sie im Lissabon-Vertrag geregelt sind. Dort werden unter anderem die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten, die Förderung des wirtschaftlichen Zusammenhalts und eine nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage von ausgewogenem Wirtschaftswachstum als gemeinsame Ziele definiert. Ziele, die im Wirtschaften der Steueroase offensichtlich keine vordergründige Rolle gespielt haben.

Doch so weit muss man nicht einmal gehen. Asselborns Äußerungen gegenüber Ungarn lassen sich am besten einordnen, wenn man sie mit seinen Positionen im Umgang mit Recep Tayyip Erdoğans Türkei vergleicht.

Asselborn führt als den Ausschluss Ungarns nötig machende Grundwertsverletzung den Bau von Zäunen gegen "Kriegsflüchtlinge" an. Ungarn sei "nicht mehr weit weg vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge". Auch "wer die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz verletzt, der sollte vorübergehend oder notfalls für immer aus der EU ausgeschlossen werden", meint Asselborn. Dazu wünscht sich der Minister gar eine Aufhebung des im EU-Vertrag verankerten Einstimmigkeitsprinzips. Ungarn "hätte heute keine Chance mehr, EU-Mitglied zu werden". Ganz im Gegensatz offenbar zur kriegsführenden Türkei, deren demokratiepolitischer Amoklauf gegen Journalisten, Justiz, Intellektuelle und Oppositionelle mit den Grundwerten für Asselborn vereinbar zu sein scheint.

Den Anfang August von Wien geforderten Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei lehnte er jedenfalls mit der Begründung ab, dies sei in der EU nicht durchsetzbar. Schon Ende Juli sprach er sich gegen einen Verhandlungsstopp aus: "Wir müssen an die Menschen in der Türkei denken. Viele setzen ihre Hoffnungen in die Europäische Union." Auch einen drohenden Verlust des Einflusses auf Ankara führt der Minister an – dass der Flüchtlingsdeal bei diesen Überlegungen eine Rolle spielen würde, leugnete er jedoch.

"Typen wie Orbán haben uns eingebrockt, dass die EU in der Welt dasteht wie eine Union, die sich anmaßt, nach außen Werte zu verteidigen, aber nach innen nicht mehr fähig ist, diese Werte auch aufrechtzuerhalten", meint Asselborn. Den Schaden, den der Spagat zwischen notwendiger Kritik an Orbáns Ungarn und gleichzeitiger Appeasement-Politik gegenüber Erdoğans Türkei an der Union anrichtet, haben uns hingegen die Asselborns der EU eingebrockt. (Michael Vosatka, 13.9.2016)