Nach dem GNOME-Projekt könnte man beinahe schon die Uhr stellen: Mit schöner Regelmäßigkeit wird alles sechs Monate eine neue Version des Linux-Desktops vorgestellt. Nun ist es wieder einmal: Seit kurzem ist GNOME 3.22 erhältlich.

Die neue Version kann dabei vor allem mit zentralen Verbesserungen beim Dateimanager Nautilus aufwarten. So lassen sich jetzt mehrere Dateien in einem Rutsch bearbeiten. Im Test erweist sich die konkrete Implementation als flexibel und einfach zu nutzen. So können gezielt einzelne Bestandteile des Filenamens ausgetauscht werden, zudem ist es möglich, diverse Details aus den Metadaten automatisch in den Namen aufzunehmen, also etwa den Songnamen bei einem Lied oder auch das Erstellungsdatum eines Files.

Packend

Ebenfalls neu ist der fix integrierte Support zum Packen und Entpacken von Dateien und Verzeichnissen. Bisher griff der Nautilus hierfür auf ein Plugin der Archive-Software File Roller zurück, diese wird nun also zumindest für diese simplen Aufgaben nicht mehr länger benötigt. Der Nautilus nutzt stattdessen direkt die libarchive.

Der Desktop von GNOME 3.22.

Einmal mehr gab es Änderungen am User-Interface des Dateimanager, auch wenn sie dieses Mal nicht ganz so umfangreich ausfallen wie in den letzten Versionen. Als Konsequenz von Usability-Tests wurde der Wechsel zwischen Listen- und Gitter-Ansicht über einen eigenen Knopf vereinfacht.

Sharing

Bei GNOME Photos ist ein simples Sharing-Feature hinzugekommen, dieses kann Bilder wahlweise via Mail oder per Google Photos verschicken. Das zweite funktioniert natürlich nur, wenn der Desktop über die Online-Accounts mit dem Google-Service verbunden ist.

Batch Rename im neuen Nautilus.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

In den Systemeinstellungen wurde der Punkt für die Tastatur-Shortcuts grundlegend neu gestaltet, wobei hier auch eine Suchfunktion hinzugekommen ist. Auf das anvisierte, neue Design der gesamten Einstellungen heißt es hingegen weiter warten, hier sind einfach nicht alle Einzelkomponenten rechtzeitig fertig geworden.

Vollständig grafisch umgestaltet wurde hingegen der Dconf Editor, der Zugriff auf all die versteckten Einstellungen sämtlicher Programme bietet. Damit einher gehen auch einige neue Funktionen, etwa die Möglichkeit mehrer Aktionen auf einmal durchzuführen, ein ganzes Verzeichnis rekursiv zurückzusetzen, und Keys von nicht mehr installierten Programmen aufzuräumen.

Foto-Sharing in GNOME Photos.
Grafik: GNOME

Vermischtes

GNOME Music verspricht für die neue Version signifikante Performance-Verbesserungen, sowohl beim Start des Programms als auch in der Nutzung selbst. Beim Kalender können nun Alarme für Events angelegt werden, und auch die Kalenderdarstellung wurde wieder überarbeitet. Der Video-Player Totem bietet über ein neues Plugin jetzt die Möglichkeit die Wiedergabe zu beschleunigen oder verlangsamen. Und das Virtualisierungs-Frontend GNOME Boxes kann mit der neuen Version virtuelle Maschinen klonen.

Die GNOME-eigene Softwarezentrale wurde einmal mehr im Look angepasst, dazu gehört auch, dass jetzt farblich klar gekennzeichnet wird, ob ein Programme freie Software ist oder nicht. Zudem kann GNOME Software nun Flatpak-Repositories einrichten, womit mit dem neuen Paketformat erstellte Pakete nun ganz ohne Rückgriff auf die Kommandozeile installiert werden können.

GNOME Software kennzeichnet nicht-freie Software nun extra.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Flatpak Portale

Auch die wichtigste Neuerung beim Toolkit GTK+ ist mit dem Blick auf Flatpak entwickelt worden. Über die sogenannten "Portals" soll GTK+ künftig den Zugriff auf einzelne System-Ressourcen regeln. Dies kann man sich – vereinfacht gesprochen – ähnlich wie das Berechtigungssystem unter Android vorstellen, in einer Sandbox laufende Apps müssen dann also gezielt nach dem Zugriff auf Dateien, Drucker, Screenshots oder auch Benachrichtigungen fragen. All dies ist Teil eines Konzepts, das nicht nur das Schnüren von distributionsübergreifenden Paketen ermöglichen soll, sondern auch die Linux-Desktop-Sicherheit massiv verbessern will.

Wayland

Ein Teil von all dem ist auch der Umstieg auf Wayland, da das klassische X-System keine effektive Isolierung von Programmen erlaubt. Mit GNOME 3.22 schließt der Desktop weitere bislang verbliebene funktionelle Lücken von Wayland. Dazu gehört, dass die On-Screen-Tastatur nun auch hier funktioniert, zudem gibt es jetzt Grafik-Tablet-Support, der mit Multitouch-Gesten zudem über das hinausgeht, was unter X11 geboten wird. Zu den weiteren Verbesserungen gehört die Möglichkeit die Display-Ausgabe zu rotieren.

Der Dconf Editor wurde vollkommen neu gestaltet.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Long-Term-Support

Doch noch einmal zurück zu GTK+, hier gibt es nämlich noch eine wichtige Änderung für die weitere Entwicklung des Toolkits. Die nun freigegebene Version 3.22 soll nämlich langfristig gepflegt werden, und zwar mindestens drei Jahre lang. Dies soll Anwendungsentwicklern das Leben erleichtern, die immer wieder Kritik an den zahlreichen Änderungen in der GTK+3-Serie geäußert hatten. Gleichzeitig soll mit GTK+ 3.90 die Entwicklung der nächsten Generation der Software begonnen werden, die parallel zur stabilen Version des Toolkits installiert werden kann.

GNOME 3.22 steht in Form des Source Codes der Einzelkomponenten auf der Seite des Projekts zum Download. Weitere Informationen zur neuen Version finden sich in den offiziellen Release Notes. (Andreas Proschofsky, 21.9.2016)

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