Brasilia – Brasiliens früherer Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva muss sich wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten. Lula werde vorgeworfen, umgerechnet über eine Million Dollar Schmiergeld angenommen zu haben, teilte der leitende Richter in den Ermittlungen im "Lava Jato"-Komplex, Sergio Moro, mit. Moro akzeptierte am Dienstag die vor einer Woche erhobene Anklage gegen den 70-Jährigen.

Richter Moro ist gefürchtet dafür, dass er lange Haftstrafen verhängt – ohne Rücksicht auf Namen. Der Ex-Präsident, der das Land von 2003 bis 2011 regierte, soll die zentrale Figur im Korruptionsskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras gewesen sein, der das südamerikanische Land seit Monaten erschüttert. Die Ermittler halten Lula Bestechlichkeit und Geldwäsche vor.

Die Beweise für den Vorwurf, dass Lula der Hauptdrahtzieher des Systems gewesen sein soll, sind bisher allerdings dürftig. Die meisten Zahlungen fielen in seine Präsidentschaft (2003 bis Ende 2010), betreffen aber nicht nur die linke Arbeiterpartei Lulas, sondern zum Beispiel auch die Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) des neuen Präsidenten Michel Temer. Der geschasste Parlamentspräsident Eduardo Cunha (auch PMDB) soll fünf Millionen US-Dollar in der Schweiz geparkt haben.

Apartment

Der bisher konkreteste Vorwurf gegen Lula dreht sich um ein Apartment an der Atlantikküste, das der Baukonzern OAS für ihn und seine Frau aufwendig renoviert haben soll – es geht um eine Summe von rund einer Million Euro. Der Begründer der Arbeiterpartei, einst einer der beliebtesten Politiker der Welt, betont, ihm gehöre die Immobilie gar nicht. Neben ihm soll auch seiner Frau Marisa und sechs weiteren Personen ein Prozess wegen Geldwäsche und Korruption gemacht werden.

Bei einem Schuldspruch droht ihm eine sehr lange Haftstrafe und würde eine mögliche erneue Präsidentschaftskandidatur 2018 verhindern. Genau deshalb wittern Lulas Anwälte einen Komplott und sprachen jüngst von einer politisch motivierten Kampagne, die eine Kandidatur Lulas bei der Präsidentenwahl 2018 unmöglich machen soll. Lulas Nachfolgerin im Präsidentenamt, Dilma Rousseff, musste ihren Posten räumen. Weil sie gegen Haushaltsregeln verstoßen haben soll, wurde sie vor kurzem vom Senat ihres Amtes enthoben.

Ende August hatte Michel Temer das Präsidentenamt übernommen – er war zuvor Rousseffs Vizepräsident, seine Partei, die PMDB, hatte die Koalition gebrochen und so die Mehrheiten zur Absetzung Rousseffs wegen angeblicher Bilanztricks zustande gebracht. Lula beteuert seine Unschuld: "Wenn mir Korruption nachgewiesen wird, gehe ich zu Fuß dahin, wo sie mich einsperren wollen." (APA, 21.9.2016)